W3C

Verkehrsregeln für das Web

02.09.2002 von Johannes Klostermeier
Standardisierungsplattform und Diskussionsforum: Das ist das W3C. Das wichtigste Gremium fürs Web droht jedoch zu einer US-amerikanischen Veranstaltung zu werden. Gemessen an der Internet-Nutzung kommen gerade einmal halb so viele Mitglieder aus Deutschland wie aus den USA.

"Best viewed by Internet Explorer - best viewed by Netscape Communicator." Das war einmal in den 90er-Jahren, als Microsoft und Netscape Communications zueinander nicht kompatible neue HTML-Codes einführten. Die Microsoft-Tags funktionierten im Netscape-Browser nicht mehr und umgekehrt. Seitdem herrscht unerklärter Frieden im Web.

Dass es derartige Hinweise beim Surfen nicht mehr zu lesen gibt, ist ein Erfolg des World Wide Web Consortium (W3C). So grundlegende Technologien wie HTML, XML und XHTML hat das Gremium unter seinem Direktor, dem Web-Erfinder Tim Berners-Lee, festgelegt. Die spannenden Themen von heute heißen Web-Services und Semantic Web.

Der so genannte Browser-Krieg dient den Machern als warnendes Beispiel dafür, wohin es führen kann, wenn jedes Unternehmen lediglich seine eigenen Interessen verfolgt. Dabei beruht die Legitimation des W3C einzig und allein auf der Akzeptanz der Web-Gemeinde, für die die Empfehlungen Gesetz sind. "Wir kümmern uns um die Fortentwicklung des Web. Mit dem W3C wollen wir einen einheitlichen Raum schaffen, um die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen", sagt Henning Fischer, einer von zwei Mitarbeitern des deutschösterreichischen Büros in Sankt Augustin bei Bonn.

485 Mitglieder hat das Gremium, überwiegend Hersteller. Knapp die Hälfte davon sind US-Firmen. Aus Deutschland stammen 26, aus Österreich nur 2. Große Namen wie SAP, Siemens, T-Mobile, T-Online und die Software AG sind ebenso darunter wie wissenschaftliche Einrichtungen, zum Beispiel das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz oder der Fachbereich Informatik der Albert-Ludwigs-Uni Freiburg.

30 Arbeitsgruppen bestimmen Standards

Doch es sind immer noch zu wenig Deutsche, die in den 30 Arbeitsgruppen des Standardisierungsgremiums arbeiten. Gemessen an der Internet-Nutzung kommen beim W3C gerade einmal halb so viele Mitglieder aus Deutschland wie aus den USA, stellt Klaus Birkenbihl fest. Der W3C-Lobbyist ist im Hauptberuf Leiter des Kompetenzzentrums "Netzwerke und Gesellschaft" am Fraunhofer Institut für Medienkommunikation. Dort ist auch das deutsche Büro untergekommen.

Dabei kann jede Firma einfach Mitglied werden. Der Preis ist nach dem Jahresumsatz gestaffelt und beträgt entweder 5750 Dollar pro Jahr für kleine Unternehmen oder Organisationen, die nicht auf Gewinn-Erzielung ausgerichtet sind. 57500 Dollar müssen größere Firmen ab einem Jahresumsatz von 50 Millionen Dollar zahlen.

Durch die Mitgliedschaft hätten die beteiligten Firmen einen Wissensvorsprung zwischen drei Monaten und einem halben Jahr, wirbt das W3C. Zwar würden alle Empfehlungen im Internet veröffentlicht, doch nur die Mitglieder würden darüber hinaus erfahren, wie und warum etwas geplant und entschieden wurde. "Sie sind beim ganzen Entwicklungsprozess dabei", so Fischer.

Mario Jeckle kann das bestätigen. Er ist Mitarbeiter des Forschungszentrums von Daimler-Chrysler in Ulm und Experte für Web-Services. "Die Diskussionen in den internen Arbeitsgruppen sind sehr viel wert. Wir sehen schon im Vorfeld, wie sich der Markt und die Technologie entwickeln", sagt er. Ihm ist es wichtig, nicht nur gut informiert zu sein, sondern die Standards auch beeinflussen zu können. "Die Mitgliedschaft lohnt sich auf jeden Fall. Wir treffen dort Hersteller, Kollegen und Partner, die an denselben Technologien arbeiten wie wir."

Doch nur wenige deutsche Firmen denken so. Es herrsche eine Konsumentenmentalität vor, urteilt Fischer. "Viele sagen, lasst uns erst mal gucken, was sich entwickelt; wenn es Erfolg verspricht, dann machen wir mit." Sein Fazit: "Während die Deutschen abwarten, werden andere zum Vorreiter. Doch nicht für jedes Unternehmen ist die Mitgliedschaft wirklich empfehlenswert. Fischer: "Man muss die Ressourcen haben und gute Leute in die Arbeitsgruppen delegieren." Denn dort findet die Hauptarbeit statt: einmal pro Woche eine Telefonkonferenz, dazu viermal im Jahr zwei- bis dreitägige Treffen. "Das kostet zunächst mal Geld und Zeit", räumt auch Jeckle ein.

Wichtig für Basistechnologie-Firmen

Wer als Internet-Provider lediglich Zugangsleistungen anbietet, hat keinen Vorteil durch die Web-Standardisierung. "Die macht vor allem für Firmen Sinn, die selbst Basistechnologien bauen oder die als Anwender oder Forschungseinrichtung frühzeitig Einfluss nehmen wollen", sagt Ingo Macherius von Infonyte. Das Darmstädter XML-Spin-off des Fraunhofer Instituts hat zwar erst wenige Mitarbeiter, ist aber beim W3C dabei. "Wer nur Mitglied werden will, um es auf seinen Briefkopf zu schreiben, der hat nichts davon", ist er sich sicher.