Zeitungsverleger halten von einem Vorstoß des ARD-Chefs zum Umgang mit Texten der Rundfunkhäuser im Netz nichts und pochen auf Regeln durch den Gesetzgeber. Die Vorsitzenden des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), Matthias Ditzen-Blanke und Stefan Hilscher, widersprachen in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" entschieden dem ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke.
Er hatte in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur am Tag zuvor eine Selbstverpflichtung der Rundfunkhäuser ins Spiel gebracht - als Alternative zu Formulierungen in einem Länder-Entwurf zur geplanten Rundfunkreform. In der nächsten Woche kommen die Ministerpräsidenten dazu zusammen.
Ditzen-Blanke sagte der "FAZ": "Selbstverpflichtung bedingt Eigenverantwortung. Diese Eigenverantwortung gelingt bereits heute nicht." Die jetzt geltenden Regeln, die Presse vor der "Marktstörung" durch öffentlich-rechtliche Textangebote zu schützen, scheiterten an der Interpretation und Auslegung der Anstalten, führte er aus. Darum müsse der Gesetzgeber nun klarer werden und eine Festschreibung machen. Ditzen-Blanke erläuterte auch: "Wir haben Jahre mit Schlichtungsversuchen hinter uns. In all dieser Zeit hätte genau diese Selbstverpflichtung passieren können, und sie ist halt nicht passiert."
"Für wie naiv hält Herr Gniffke eigentlich die Verleger"
Hilscher sagte: "Und bei aller Wertschätzung: Hunderte Menschen aus Politik und Sendern beschäftigen sich über Monate mit diesem Vorschlag, der vielen Anliegen Rechnung zu tragen versucht. Und in wirklich allerletzter Minute wird diese Selbstverpflichtung aus der Tasche gezogen. Für wie naiv hält Herr Gniffke eigentlich die Verleger - und auch die Politiker, frage ich mich."
Gniffke, der auch Intendant des Südwestrundfunks (SWR) ist, hatte im dpa-Gespräch gesagt: "Wir reden über eine gemeinsame Selbstverpflichtungserklärung von ARD, ZDF und Deutschlandradio." Der 63-Jährige erläuterte: "Es könnte ein Game-Changer sein, wenn wir uns verpflichten zu sagen: Die Bezugsgröße für die Überprüfung, ob etwas presseähnlich ist, ist nicht mehr das Gesamtangebot, sondern jedes Teilangebot, also jede einzelne App."
Die in dem Länder-Entwurf zur Rundfunkreform aufgeführten schärferen Regeln zum Textangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Netz hatten Befürchtungen in den Häusern hervorgerufen. Die Selbstverpflichtung wird als Alternative angeboten. Der ARD-Chef sagte im dpa-Gespräch: "Das wäre für den Fall, dass es keine gesetzliche Neuregelung gibt. Dann könnten wir uns eine solche Selbstverpflichtung vorstellen. Aber nicht beides."
Immer wieder Streit zwischen ARD und Verlagen
In der Vergangenheit gab es immer wieder Streit darum, ob die ARD zu viel Text im Internet anbietet. Es geht um den Begriff der Presseähnlichkeit. Aktuell läuft etwa ein Streit vor Gericht zwischen Verlagen und dem SWR um eine Nachrichten-App für junge Leute ("Newszone"). Die Bundesländer, die für Medienpolitik zuständig sind, legen in Staatsverträgen fest, wie sich Rundfunk mit Schwerpunkt Bewegtbild und Audio von Pressehäusern, die ihren Fokus auf Text legen, abzugrenzen hat. Das soll helfen, dass sich die Medienbereiche wirtschaftlich gesehen nicht zu sehr in die Quere kommen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird von Rundfunkbeiträgen, die Haushalte und Firmen zahlen, finanziert. Pressehäuser sind private Wirtschaftsunternehmen.
Ditzen-Blanke betonte in dem "FAZ"-Interview: "Die Bundesrepublik, das heißt die Gesetzgebung, ist verfassungsrechtlich dazu angehalten, die freie Presse zu schützen, und verfassungsrechtlich ist es aus unserer Sicht verboten, mit öffentlich-rechtlichen Textangeboten, die von allen durch den Rundfunkbeitrag finanziert werden, die Vielfalt und die Finanzierung der freien Presse zu beeinträchtigen." Das passiere aber seit Jahren, obwohl es das Verbot der Presseähnlichkeit gibt. "Deshalb muss diese Regelung besser gefasst werden und darf nicht mehr den Interpretationsspielraum lassen, den sich die Sendeanstalten herausnehmen."
Hilscher sagte: "Wissenschaftliche Marktstudien bestätigen, dass sich öffentlich-rechtliche Textproduktion bundesweit, vor allem aber regional, negativ auf die Presse auswirkt. Die Regionalzeitungen werden besonders stark angegriffen." Er erwähnte Studien, die das Gegenteil von dem bestätigen würden, was der ARD-Vorsitzende behaupte. "Nutzerinnen und Nutzer würden bei weniger Textangeboten der Öffentlich-Rechtlichen sehr wohl auf Angebote der Presse ausweichen."
ARD-Chef Gniffke hatte im dpa-Gespräch hingegen gesagt, er habe alles Verständnis der Welt für die Sorgen der Zeitungsverlage. "Sie sind bedroht von großen Plattformbetreibern aus Übersee, die deren Werbeerlöse einfach abschöpfen. Was ich allerdings auch anmerke ist, dass das, was im Entwurf des Reformstaatsvertrags steht, nach allem, was wir wissen, den Zeitungsverlagen nicht viel nutzen wird."
Menschen, die nicht mehr kostenfreie öffentlich-rechtliche Inhalte nutzen würden, würden eher zu den großen Tech-Konzernen abwandern. "Sie würden eben nicht Regionalzeitungen abonnieren. Das ist die traurige Erkenntnis und deshalb ist der Preis aus meiner Sicht zu hoch, dass man sagt: "Jetzt löten wir das Internet für die Öffentlich-Rechtlichen zu." Das wäre aus meiner Sicht nicht der richtige Weg", hatte Gniffke betont. (dpa/ad)