Es klingt wie eine digitale Geisterbahn der Jahrtausendwende. Doch es ist 2016 in vielen, vornehmlich mittelständischen Unternehmen und Verwaltungen immer noch bittere Realität: Gedruckte Urlaubsanträge, Arbeitszeiterfassung in Excel-Listen, Telefonlisten in Word-Dateien, interne Kommunikation via E-Mail, ein Intranet, das aus einigen zentral verfassten Neuigkeiten und dem Kantinenplan besteht und dazu Software als punktueller Problemlöser mit zersprengter Datenhaltung.
Vielerorts wird schlichtweg der Nutzen eines professionell eingeführten Intranets mit interaktiver, sozialer Komponente verkannt. Ein sogenanntes "Social Intranet" klingt in den Ohren vieler Altvorderen der Unternehmensspitze nach Arbeitszeitverschwendung mit belanglosen Chats und digitalem Kontrollverlust.
Dabei können die Vorteile interaktiver, digitaler Arbeitswelten gewaltig sein. Kaum eine andere digitale Maßnahme erzielt bei professioneller Vorbereitung und Umsetzung einen höheren Return-on-Invest als Investitionen in interne Kommunikations- und Kollaborationsprozesse.
Intranet versus Social Intranet
In vielen Unternehmen füllt das als "Intranet" bezeichnete System lediglich die funktionalen Leerräume, die bereits eingeführte Kernsysteme wie ERP, PIM oder DMS nicht zu füllen in der Lage sind. Intranets sind damit häufig als internes Newsportal und "Schwarzes Brett" misskonzipiert und den Mitarbeitern aufgezwungen. Sie führen dann ein Schattendasein zwischen den "wichtigen, geschäftskritischen" Anwendungen - ohne Budget, Engagement und vor allem ohne Akzeptanz der Nutzer.
Social Intranet als zentraler, interner Touchpoint
Aus meiner Sicht bergen Intranets das Potential, zum zentralen Touchpoint der Mitarbeiter zur digitalen Infrastruktur ihres Unternehmens sowie zum zentralen Punkt der internen Kommunikation und Kollaboration zu werden. Hierzu muss das moderne Intranet zwangsläufig "social", sprich kollaborativ, interaktiv und im besten Sinne nutzerzentriert, sein. Nur so kann es ein hohes Maß an Effektivität und Effizienz etablieren, die Akzeptanz der Mitarbeiter gewinnen und seine Bestimmung als zentrales digitales Organ im Unternehmen erfüllen.
Das moderne Intranet ist mehr als ein System. Es repräsentiert die innere Wirklichkeit einer Organisation und bildet somit einen digitalen sozialen Raum. Doch dies geschieht nicht von selbst: Ein funktionierendes "Social Intranet" ist kein Stück Software, das einmal installiert das Unternehmen effizient modernisiert und digital verjüngt. Um diese Effekte zu erzielen, bedarf es nicht weniger als einen Wandel der Arbeitskultur. Dieser muss insbesondere vom Management verstanden, getragen und vorgelebt werden.
Die vier Säulen des Social Intranet
Der soziale Raum Intranet wird von vier wesentlichen Säulen getragen, die einzeln oder im Zusammenspiel Funktionalität und Nutzen eines Social Intranets ausformen.
Säule 1: Information
Information bezeichnet die Gesamtheit aller Informationsartefakte wie zum Beispiel Artikel, Posts, Foreneinträge, Dokumente, Kommentare und vieles mehr sowie deren Verfügbarkeit für autorisierte Nutzer und Nutzergruppen.
Säule 2: Interaktion
Interaktion beschreibt die Möglichkeit der Nutzer mit dem System und untereinander effektiv und effizient zu interagieren, Informationen bereit zu stellen, zu werten, zu gewichten, zu ordnen, zu ändern, zu entfernen und vieles mehr. Höchste Unsability und aus der privaten Internetnutzung vertraute Funktionen erhöhen Akzeptanz und Partizipation.
Säule 3: Integration
Integration ist die service-orientierte Anbindung von weiteren internen oder externen Systemen, so dass deren Daten und Methoden im User Interface des Intranets abgebildet und genutzt werden können.
Säule 4: Emergenz
Dies beschreibt den Nutzen, der nicht durch die Informationen, Interaktionen und Integrationen an sich entsteht, sondern erst durch die systemeigene Informationsverarbeitung, z.B. eine leistungsstarke, semantische Suche oder Funktionen zur automatischen Verschlagwortung und Kategorisierung und vieles mehr, entsteht.
Was sich zunächst banal liest, ist in der Praxis kaum in dieser Form anzutreffen. Entweder halten als Intranet eingesetzte Systeme die erforderliche Funktionalität nicht vor oder die Funktionalität ist nicht nutzerzentriert implementiert.
Nutzen eines Social Intranet
Ist ein Intranet professionell eingeführt und umgesetzt, erhöht es Effektivität und Effizienz sowie die Identifikation der Mitarbeiter mit der Organisation.
Effizienzsteigerung
Kommunikations- und Kollaborationsprozesse können durch vertraute, intuitive Anwendungen optimiert und nutzergerecht vereinfacht werden. Nutzer führen Aufgaben mit der Funktionalität aus, die Sie zur Zielerreichung benötigen und nicht mit der Funktionalität die zur Verfügung steht.
Starre und unübersichtliche Ordnungssysteme (z.B. Filesystem) können abgelöst werden und erhöhen so Übersichtlichkeit und Auffindbarkeit von Informationen. So werden Ideen und Wissen übergreifend und dauerhaft verfügbar gemacht. Schnellere, interaktivere Kommunikationsmöglichkeiten (z.B. Gruppenchats, Aktivitätenströme) stärken die interne Kommunikation und dämmen die Flut interner E-Mails ein.
Durch das Intranet bereitgestellte Funktionalitäten können Alt-Systeme ablösen und somit die Systemlandschaft verschlanken und modernisieren. Somit sinken auf Dauer in der Regel auch die Unterhaltskosten der gesamten Infrastruktur.
Erhöhte Identifikation
Das Social Intranet ist gelebte und sichtbare - sogar messbare - Unternehmenskultur. Diese Kultur wird gleichermaßen Top-Down beeinflusst als auch bottom-up geprägt.Die Vernetzung auf Basis von Themen, Projekten und Kompetenzen löst unproduktive Silos in der Organisation auf und fördert bereichsübergreifend Austausch, Zusammenarbeit und das Denken als Team. Entscheidungen, Prozesse und Personen werden transparenter. Insbesondere das Management wird nahbarer und die gefühlte Teilhabe der Mitarbeiter wird gestärkt.
Unternehmen, die das Intranet als sozialen, kollaborativen Raum verstehen und eingeführt haben laufen also keineswegs Gefahr, dass Produktivität durch eine digitale "Spielwiese" verloren geht. Laut einer Studie von McKinsey arbeiten Teams innerhalb eines Social Intranets 25 bis 35 Prozent produktiver.
Einführung eines Social Intranets
Die Einführung eines Social Intranets lohnt sich für Unternehmen und Organisationen. Ein gut eingeführtes Social Intranet erhöht Effizienz und Identifikation der Mitarbeiter merklich. Das Intranet ist der zentrale Touchpoint der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und repräsentiert die innere Wirklichkeit der Organisation.
Um als Unternehmen diesen Produktivitätsschatz zu bergen, gilt es wesentliche Fehler in der Einführung zu vermeiden. Diese werden meist gleich zu Projektbeginn bei der Zuweisung von Zuständigkeiten oder bei der Systemwahl gemacht.
Checkliste Einführung Social Intranet
Was bei der Einführung beachtet werden muss:
Das Intranet darf nicht in die Hände eines einzelnen Bereichs gelegt werden (Marketing, Kommunikation, IT), sondern muss als bereichsübergreifendes Projekt betrachtet werden. Das oberste Management muss die Verantwortung für das Projekt übernehmen und die Maßnahmen für die Einführung entsprechend priorisieren.
Im Unternehmen und insbesondere im Management muss die Bereitschaft für einen Kulturwandel bestehen, der mit der Einführung eines modernen Social Intranet zwangsläufig einhergeht.
Das Intranet ist als software-basierte Lösung zu verstehen und nicht als reine Software. Der Umsetzung muss stets eine professionelle Anforderungsermittlung und Konzeption vorausgehen. Der tatsächliche, kontext-spezifische Bedarf muss festgestellt werden, bevor erste Ideen festgeschrieben werden.
Die Mitarbeiter müssen frühzeitig in die Anforderungsermittlung eingebunden werden. Das Intranet ist hauptsächlich ein Portal der Mitarbeiter und nicht einzelner Bereiche oder gar des Managements.
Systementscheidungen müssen auf Basis der ermittelten Anforderungen getroffen werden. Bestandssysteme dürfen dem Intranet nicht im Wege stehen. Bei der Systemauswahl ist insbesondere auf die Flexibilität, Modularität, Erweiterbarkeit und Integrationsfähigkeit des Systems zu achten.
Das Intranet muss als zentraler, digitaler Touchpoint im Unternehmen verstanden werden. Es hat die Obrigkeit über alle anderen digitalen Systeme.
Beim phasenweisen Roll-Out eines Intranets ist darauf zu achten, dass die wichtigsten und am häufigsten angeforderten Funktionalitäten und Module zuerst bereitgestellt werden. Damit bindet und gewöhnt man die Mitarbeiter frühzeitig an die neue Umgebung.