Viel ist gesagt und geschrieben worden über die Vorzüge der Virtualisierung. Und (fast) genauso viel über die Nachteile, insbesondere was geschäftskritische Applikationen, Ausfallzeiten und Management angeht. Angekommen ist bei fast allen Unternehmen, dass Hypervisoren die Rechenzentren revolutionieren durch ihre Fähigkeiten, Applikationen einzukapseln, zwischen physikalischen Servern hin- und herzuschieben und sie so im Katastrophenfall schnell wieder zum Laufen zu bringen. Grundsätzlich geht es darum, die vorhandenen Ressourcen besser auszuschöpfen.
So weit, so gut. Bisher hatte man aber allgemein angenommen, dass Virtualisierung nur etwas für große Unternehmen sei, weil nur sie über die nötigen finanziellen Mittel und das Know-how verfügen, um Hypervisoren und weitere Tools in diesem Umfeld sinnvoll einzusetzen. Die Aberdeen Group hat Anfang des Jahres die Resultate einer Umfrage bei 135 ausgewählten Unternehmen veröffentlicht, die bereits Software für Server-Virtualisierung einsetzen. Ziel war es, mehr Informationen darüber zu erhalten, wie sich der Hypervisor-Einsatz bei großen von dem bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) unterscheidet.
Der Abstand wird geringer
Die Aberdeen Group erkundigte sich bei ihrer Umfrage zunächst danach, wie lange die IT-Abteilungen schon eine Software für Server-Virtualisierung im Einsatz haben. Die Antworten wurden dann nach KMUs (unter eine Milliarde Dollar Umsatz im Jahr) und großen Unternehmen (über eine Milliarde) differenziert. Diese Unterscheidung trifft zwar nicht ganz die aktuellen Kriterien in Deutschland, die mehr von der Anzahl der Beschäftigten ausgehen (meistens unter oder über 1.000 Mitarbeiter), verliert dadurch aber nicht an Aussagekraft.
Aberdeen hat ermittelt, 66 Prozent der großen Unternehmen arbeiteten seit mindestens drei Jahren mit virtuellen Maschinen (VMs), während bei den KMUs erst 40 Prozent einige ihrer Applikationen in virtuelle Umgebungen gepackt haben.
Erweitert man den Betrachtungszeitraum auf erst vor kurzem begonnene Virtualisierungsprojekte, hat von den KMUs sogar ein Anteil von 77 Prozent Virtualisierung umgesetzt, von den großen Unternehmen 88 Prozent. Geht man noch einen Schritt weiter und berücksichtigt auch die für die nächsten zwölf Monate geplanten Projekte, kommen beide Gruppen gleichermaßen auf einen Anteil von 95 Prozent. Das bedeutet laut Aberdeen, KUMs haben später mit Server-Virtualisierung angefangen, sind aber im Vergleich zu den großen Unternehmen auf der Aufholspur.
Mehr Großunternehmen nutzen Server-Virtualisierung
Sobald eine Applikation in einer virtuellen Umgebung läuft, lassen sich viele Virtualisierungsfunktionen dafür benützen, ihre Performance zu erhöhen. Anwendungen können zum Beispiel auf andere physikalische Server verschoben werden, um das Workload Balancing zu verbessern. Oder man kann ihnen zusätzliche CPU- und Memory-Anteile eines bestimmten physikalischen Servers zuweisen, um sie so auf Peak-Zeiten wie zum Beispiel im Weihnachtsgeschäft oder bei Buchhaltungsdurchläufen vorzubereiten.
Mit Spiegelung und Backups der virtualisierten Anwendungen kann sich das Unternehmen zusätzlich gegen Ausfallzeiten rüsten, ohne auf die aufwändigen und teueren klassischen Szenarien von Disaster Recovery oder Business Continuing zurückgreifen zu müssen. Allerdings: Wie die Studie zeigt, nützen große Unternehmen die zahlreichen Features von Server-Virtualisierung um 16 bis 400 Prozent öfter als die KMUs.
Nur bei Kapazitätsplanung und bei Ausfallschutz (Site Recovery) kommen KMUs auf eine höhere Einsatzrate. Laut Aberdeen liegt das daran, dass beide Funktionen kleinen und mittleren Unternehmen vor allem durch den geringeren Kapitaleinsatz entgegenkommen, da sie inzwischen bei allen gängigen Hypervisoren im Grundpaket mitgeliefert werden.
KMUs virtualisieren mehr Anwendungen als große Unternehmen
Obwohl KMUs erst relativ spät auf den Virtualisierungszug aufgesprungen sind, verfügen sie inzwischen über einen größeren Anteil von Anwendungen, die auf VMs verschoben wurden.
Betrachtet man jedoch die Details näher, erkennt man, dass die großen Unternehmen weiter fortgeschritten sind bei der Virtualisierung mehr geschäftskritischer Applikationen wie Mail-Systemen oder SQL-Datenbanken. Dies gilt auch für die Anwendung von Disaster-Recovery-Szenarien. Die Unterschiede begründen sich laut Aberdeen darin, dass KMUs in der Regel nicht über genügend IT-Personal, Know-how und finanzielle Mittel verfügen, um die ganze Bandbreite der Virtualisierungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Aberdeen empfiehlt, mehr auf die Großen zu schielen und ebenfalls mehr Mittel und Personal für die Server-Virtualisierung bereitzustellen.
Besonders bei E-Mail-Systemen, Datenbanken und weiteren geschäftskritischen Applikationen lohne sich der Einsatz von Hypervisoren. Wer sich diesen Schritt nicht zutraut, bleibt auf halbem Wege stehen. Virtualisierung ist nun mal nicht Virtualisierung. Es kommt auf die kleinen Unterschiede an.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.