IT-Plattformen für den Versicherungsbetrieb

Versicherungen müssen Software-Landschaft modernisieren

16.09.2014 von Tobias Kohl
In den Versicherungsunternehmen befinden sich die IT-Systeme im Umbruch. Es gilt, die Kosten zu senken, neue Produkte schneller auf den Markt bringen zu können und Voraussetzungen zu schaffen, damit gesetzliche Rahmenbedingungen zeitnah umgesetzt werden können.

Versicherungen sind ein dynamisches Geschäft mit vielen Unbekannten. Es ist schwierig vorherzusehen, welche Produkte künftig gefragt sind und wie sich die gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entwickeln. Der Wettbewerb ist in vielen Segmenten intensiver als vor ein paar Jahren. Die Unternehmen sind dadurch gezwungen, ihre Produkte schneller auf den Markt zu bringen und flexibler auf Marktänderungen zu reagieren. Hinzu kommen rasante technische Veränderungen: In den meisten Unternehmen schreitet die Digitalisierung voran.

Die PPI-Marktstudie (Preis 1.950 Euro zzgl. MwSt) untersucht schwerpunktmäßig IT-Plattformen für die Anwendungsbereiche Antrag, Bestand und Schaden. Ihr liegt die ausführliche Befragung von zwölf deutschen Versicherungsunternehmen zugrunde. Insgesamt wurden 21 IT-Systeme ausgewertet. Das Ergebnis ist eine Übersicht über die Anforderungen der Versicherungen und die Lösungsangebote des Marktes.
Foto: PPI

Besonders in den kundenorientierten Bereichen gewinnen mobile Techniken an Bedeutung. Die Prozesse, die Versicherungen mit ihren Kunden und Partnern verbinden, verändern sich dadurch. Auch auf der rechtlichen Seite gilt es Neuerungen umzusetzen, etwa die Datenschutzbestimmungen in den Code of Conduct (CoC) oder die neue Vermittlerrichtlinie IMD II. Versicherer müssen sich also im Rekordtempo veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen und Marktanforderungen anpassen. Diese Entwicklung hat erheblichen Einfluss auf die IT-Landschaft im Back Office.

Häufig sind die eingesetzten Systeme technisch veraltet, wenig flexibel und wartungsintensiv. Anpassungen lassen sich - wenn überhaupt - nur mit hohem Aufwand vornehmen. Oftmals handelt es sich noch um Individuallösungen, die für einzelne Geschäftsbereiche entwickelt wurden. Die Versicherungsunternehmen sind sich der begrenzten Zukunftsfähigkeit ihrer Systeme bewusst. Im Rahmen der Studie gaben 75 Prozent der befragten Betriebe an, bei der Umsetzung gesetzlicher Änderungen an technische Grenzen zu stoßen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Zahl der Mitarbeiter mit dem notwendigen Fachwissen tendenziell sinkt.

Dementsprechend hoch ist die grundsätzliche Investitionsbereitschaft der Branche - auch wenn die Erwartungen im Einzelfall unterschiedlich ausfallen: So hoffen 83 Prozent der befragten Unternehmen auf Einspareffekte etwa bei den Prozesskosten oder den langfristigen Total Cost of Ownership (TCO). Ähnlich groß ist der Anteil jener, deren Hauptaugenmerk auf einheitliche Systemstrukturen oder verkürzten Markteinführungszeiten für neue Produkte liegt.

Hohe Anforderungen an die IT

Versicherungen tendieren heute zu Standard-Software, um zu gewährleisten, dass sie neue Produkte schnell und kostengünstig auf den Markt bringen können. Gleichzeitig erwarten sie einen geringeren Einführungsaufwand und die langfristige Release-Fähigkeit der IT-Produkte. Die Workshops zur Studie zeigten, dass viele Probleme, die es in der Vergangenheit mit dem Einsatz von Kaufsoftware gab, zumindest teilweise hausgemacht waren.

Lang ist der Wunschzettel mit Blick auf das fachliche Leistungsvermögen der Systeme: Geht es nach den IT-Verantwortlichen, sollen sie bis zu 90 oder sogar 95 Prozent der Anforderungen "ab Werk" abdecken. Ebenfalls hoch im Kurs steht Flexibilität. Moderne IT-Systeme sollten sich ohne großen Aufwand einrichten und an neue Produkte anpassen lassen. Positiv nimmt die Branche integrierte Beispielprodukte und Musterkonfigurationen zur Kenntnis, sofern diese lauffähig und nur noch mit den betrieblichen Besonderheiten in Einklang zu bringen sind. Häufig steht daher eine Produktmanagement-Komponente ganz oben auf dem Wunschzettel, obgleich die Branche nur wenig Erfahrung mit derartigen Technologien hat.

In jedem Fall sollten die Kernbereiche Bestand und Schaden unabhängig voneinander laufen - auf modernen Technologien und bekannten Datenbanken wie Oracle, DB2 oder Microsoft SQL Server. Besonders beliebt sind serviceorientierte Mehrschichtarchitekturen, die über Thin Clients und Webbrowser gesteuert werden.

Offen zeigen sich die Verantwortlichen, wenn es darum geht, Kunden in Geschäftsprozesse einzubeziehen. Offenbar haben die meisten Versicherer erkannt, dass Self Service Portale, Kiosk- oder Beratungssysteme Mitarbeiter entlasten und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit erhöhen können.

Software-Anbieter gut aufgestellt

Die Software-Industrie hat die veränderten Bedürfnisse der Versicherungsbranche aufgegriffen. Bei den meisten Anbietern reicht die Bandbreite des Lösungsportfolios inzwischen weit über die Standards Bestand und Schaden hinaus. Auch die gewünschten Module zum Produktmanagement haben inzwischen fast alle Systeme an Bord. Musterkonfigurationen und Produktbeispiele gehören ebenfalls zur Standardausstattung.

Technisch geht der Trend eindeutig in Richtung "Serviceorientierung". Moderne Versicherungssysteme werden heute per Webbrowser oder Thin Client bedient. Auffällig ist, dass immer mehr ausländische Anbieter auf dem Markt drängen. Das ist ein Beleg für die Attraktivität des Markts und es sorgt für noch mehr Intensität im ohnehin starken Wettbewerb. Deutsche wie ausländische Hersteller sind grundsätzlich ähnlich gut in der Lage, die Wünsche der Branche umzusetzen. Allerdings werden auch künftig individuelle Anpassungen erforderlich sein, um die IT den betriebsspezifischen Besonderheiten anzupassen. Von ausländischen Anbietern werden deutsche Referenzen sowie deutschsprachiges Personal erwartet.

Fazit

Versicherungsunternehmen aller Größen können heute sicher sein, passende Lösungen für ihre jeweiligen Anforderungen zu finden. Allerdings fallen die Angebote des IT-Markts unterschiedlich aus. Entscheider sollten also bei der Analyse der verschiedenen Systeme genau hinsehen. Zwar werden zentrale Bereiche wie Bestand und Schaden durchgehend abgedeckt, doch mit Blick auf die Funktionstiefe gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede. Es kann durchaus vorkommen, dass Lösungen in einem Bereich alle relevanten Anforderungen erfüllen, in dem anderen aber deutliche Lücken aufweisen.

Weitere Unterschiede bestehen bei der Flexibilität der Programmstruktur und der Integration in das vorhandene Systemumfeld. Insgesamt sind die Software-Hersteller jedoch deutlich besser auf die Anforderungen der Branche vorbereitet. Versicherer können dadurch sicher gehen, dass sich ihre Konzepte, Ideen und Optimierungsvorstellungen auch IT-seitig tatsächlich abbilden lassen.