"Wenn für die Rechnungsstellung nur der Artikelpreis mit der Menge multipliziert werden muss, braucht man natürlich kein spezielles Billing-System", so Frank van Gumpel, Hauptabteilungsleiter Abrechnungssysteme bei Vodafone Information Systems. Anders sieht es aus, wenn komplexe Preismodelle in Echtzeit umgesetzt werden müssen. Wer beispielsweise ein Lexikon für 99 Euro kauft, könnte sofort 20 Prozent Rabatt auf die nächsten drei Bücher erhalten oder eine DVD für fünf Euro bestellen dürfen. Künftig, davon ist Billing-Experte van Gumpel überzeugt, werden sich solche Preismodelle durchsetzen. Die Wettbewerbsfähigkeit im E-Commerce werde stark davon abhängen, ob Preise individuell - etwa in Abhängigkeit vom Käuferprofil - zu vereinbarten Sonderkonditionen gemacht werden können.
Tarifmodelle als Wettbewerbsfaktor
Legendär ist der Tarifdschungel in der Mobiltelefonie: Der Wettbewerb findet hier zum Großteil über den Preis und über ausgefeilte Tarifmodelle statt. Der Rechnungsbetrag ergibt sich aus einer kaum nachvollziehbaren Kombination aus Grundgebühr, Gesprächsminuten, Verbindungsdauer, Datenmengen, Tageszeit und Wochentag, ermäßigten Vorwahlbereichen sowie Abrechnungszyklen. Logisch, dass Anbieter von Billing-Systemen ihre Wurzeln häufig in der Telekommunikation haben. Auch Vodafone Information Systems hat Erfahrung mit Telekom-Billing. Als IT-Dienstleister von Mannesmann implementierte die heutige Vodafone-Tochter unter anderem die Telefonieabrechnung für das Mobilfunknetz D2 und den Festnetzanbieter Arcor.
Bisher sind es vor allem Telekom- und ContentAnbieter sowie Energieversorger mit ihren Groß- und Sondervertragskunden, die ihre komplexen Tarifstrukturen ohne leistungsfähiges Billing-Modul nicht mehr umsetzen können. Für die Zukunft sieht van Gumpel indes einen wachsenden Markt gerade für Onlinehändler. Nach seiner Ansicht bieten vor allem regelbasierte Systeme die notwendige Flexibilität, um schnell mit maßgeschneiderten Preismodellen oder kurzfristigen Kampagnen auf Marktanforderung reagieren zu können. "Wenn erst ein IT-Experte oder Programmierer die neue Preisgestaltung implementieren muss, kostet das nicht nur Geld; es ist vor allem ein Zeitverlust gegenüber der Konkurrenz", sagt van Gumpel. Es sei deshalb wichtig, dass Mitarbeiter aus dem Verkauf oder Marketing ohne Unterstützung der IT-Abteilung selbst Preismodelle aufsetzen können.
Sparpotenzial in der Abwicklung
Gegenwärtig kostet die Unternehmen eine Rechnung - von der Bonitätsprüfung, Finanzierung und Preisfindung über Ausdruck, Prüfung und Versand bis zur Abwicklung von Reklamationen, Zahlungsverfolgung und Eingangskontrolle - im Schnitt rund 15 Euro, in manchen Fällen bis zu 100 Euro. Die Zeit bis zum Zahlungseingang variiert ähnlich: Zwischen 15 und 150 Tagen vergehen zwischen Rechnungsstellung und Zahlungseingang, weiß Pfaff aus einer Umfrage in der chemischen Industrie; in anderen Wirtschaftszweigen dürfte es ähnlich aussehen. Auf zwei bis drei Euro pro Rechnung ließen sich die Kosten bei konsequenter Ausnutzung aller Einsparpotenziale senken, schätzt Pfaff. "Das lässt sich aber nicht durch punktuelle Veränderungen erreichen. Dafür muss die gesamte Financial Supply Chain optimiert werden."
Die nötige Technik ist da
Schätzungen, nach denen US-amerikanische Unternehmen rund 32 Millionen Dollar pro eine Milliarde Umsatz allein in die Zahlungsabwicklung investieren, hält Pfaff für seriös. "Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass manche Verkäufer 30 bis 50 Prozent ihrer Zeit mit Rechnungsfragen beschäftigt sind" - obwohl verlässliche Systeme zur Verfügung stünden. Ebenso ist die digitale Signatur so weit etabliert, sind alle Rechtsgrundlagen geschaffen, dass zumindest zwischen Unternehmen der Austausch steuer- und handelsrechtlich gültiger Rechnungen möglich wäre.
Deutschen Unternehmen ist offenbar zumindest bewusst, dass sie in diesem Bereich etwas versäumen: Erste Ergebnisse einer von Pfaff durchgeführten Umfrage zeigen, dass hier mehr als die Hälfte der Teilnehmer Verbesserungspotenzial in der finanziellen Prozesskette ausgemacht hat.