Es gibt gute Gründe, in reich sortierte Supermärkte, in Bioläden oder auf den Markt zu gehen. Es gibt einen guten Grund für den Einkauf im Discounter: die niedrigen Preise. So ähnlich ist es ja auch mit der klassischen IT und Cloud Computing, wenngleich Verfechter der Wolke vehement auf die anderen Vorzüge dort wie Flexibilität und Skalierbarkeit verweisen.
Aber in der Praxis ist es oft gar nicht so einfach, tatsächlich wie erhofft durch die Cloud-Nutzung zu sparen. Auf die Preis-Tücken in der Wolke weisen aktuell die Analysten der Information Services Group (ISG) und von Saugatuck Technology hin.
Lektionen dank AWS-Rechnung
ISG-Analyst Scott Feuless macht in einem Blog-Eintrag auf fünf Ebenen aufmerksam, die es bei Infrastructure-as-a-Service (IaaS) tunlichst zu beobachten gilt. Charlie Burns von Saugatuck kann sogar mit einem wunderbar konkreten Beispiel aus der Public Cloud aufwarten. Anfang März nämlich veröffentlichte die Community RubyGems.org ihre Februarrechnung bei Amazon Web Services (AWS) via Dropbox. Saugatuck hat diese Rechnung analysiert und geht davon aus, dass Anwender anhand dieses Beispiels einige Lektionen über Cloud Preise lernen können.
Die sehr detaillierte Original-Rechnung in Höhe von 7000 US-Dollar hat Burns in drei respektive vier größere Posten zusammengefasst: 3600 Dollar für Datentransfer, 1000 Dollar für damit zusammenhängende Services an der Cloud-Front - insgesamt also der Löwenanteil von 4600 Dollar für Datentransfer-Gesamtkosten; demgegenüber schlappe 200 Dollar für Data Storage; schließlich 2200 Dollar für die Nutzung virtueller Server.
Datentransfer teurer als Server-Nutzung
"Viele Nutzer von Cloud-Infrastrukturen nehmen fälschlicherweise an, dass die größten Ausgaben für ihre Workload-Prozesse aus der Nutzung virtueller Server resultieren", kommentiert Burns. Die AWS-Rechnung von RubyGems.org illustriere, dass beispielsweise der Datentransfer ebenfalls teuer werden könne. Darauf habe Saugatuck bereits vor vier Jahren hingewiesen. "Preisstrukturen können überraschende Gebühren beinhalten", lautet deshalb eine Faustregel der Analysten.
Das gilt ebenso für Workload-Charakteristiken. Die genannten 2200 Dollar für die Server-Nutzung sind in der Beispielrechnung elastisch abgerechnet, konkret für 672 Stunden in Februar. Burns rechnet's nach: 28 Tage mit 24 Stunden, das macht - genau - 672 Stunden. Der Kunde zahlt im Beispiel faktisch einen Dauerbetrieb nach Stunden. Dafür müsste es nach Saugatuck-Einschätzung bessere Alternativen geben.
Standby-Betrieb billiger auf eigenen virtuellen Servern
"Nur wenige, hochgradig rechenintensive Workloads nehmen Server für bestimmte Perioden zu 100 Prozent in Anspruch", so Burns. "Manche Workloads weisen zwar geringe Rechenanforderungen auf, aber müssen permanent aktiv und erreichbar bleiben, um auf zufällig entstehende Anfragen reagieren zu können."
Dieser Standby-Typus laufe kosteneffektiver als im genannten Beispiel auf eigenen virtuellen Servern. Oder aber, wenn es auch dafür die Cloud sein soll, über Angebote, die sich nicht nach dynamischen Ressourcen richten. AWS etwa biete dafür AWS Reserved Instances, so Burns.
Monitoring unterbleibt zu häufig
Anhand der beiden Auffälligkeiten leitet Saugatuck ab, dass sich allein durch genaues Hinschauen manchmal signifikante Einsparungen realisieren ließen. Das sinnvolle Monitoring der Cloud-Ressourcen unterbleibe aber häufig, weil die Anwender das angesichts der niedrigen Grundpreise in der Wolke nicht für lohnend hielten. Saugatuck beschreibt also ein Verhalten, dass im Discounter gedankenlosen Mitnehmen von Produkten wäre - ohne auf das Preisschild überhaupt noch zu achten, weil es ja bestimmt billiger ist als im Supermarkt.
5-Punkte-Checkliste für die Cloud von ISG
ISG setzt in seiner Analyse erst an dem Punkt an, an dem das Offensichtliche erledigt scheint. Das erste Problem ist gelöst: dass man überhaupt nicht wissen kann, was ein Public IaaS-Service kosten wird, solange man es nicht ausprobiert hat oder zumindest sorgsam alles durchgespielt hat.
Das zweite Problem ist dann leider, dass für den Moment alles so günstig wie möglich geregelt zu sein scheint - dass das aber nicht so sein oder bleiben muss. Analyst Scott Feuless nennt fünf Punkte, an denen eine Kontrolle ansetzen sollte:
1. Die Zukunft: Rechenspiele für den ersten Monat müssen für den 20. Monat in der Wolke schon nicht mehr gelten. "Wenn die Anforderungen an die Anwendung sich signifikant ändern, werden sich auch die Kosten ändern", so Feuless. Manche IaaS-Provider senken momentan ihre Preise häufig, weil sie fallende Stückkosten an die Kunden weitergeben. "Gibt es eine Garantie dafür, dass sie das auch künftig tun?", fragt der ISG-Analyst.
2. Der Aufwand: Die billigste Lösung muss nicht die kostengünstigste sein. Möglicherweise biete ein Provider zwar niedrigere Preise an als ein anderer, so Feuless. Dafür könne aber der Management-Aufwand beim Anwender doppelt so hoch sein. Darum gelte es aufzupassen, nicht nur oberflächlich Preise zu vergleichen, sondern alle anfallenden Kosten.
3. Die Kontrolle: Dieser Hinweis von ISG erinnert ein bisschen an die vollen Februar-Stunden im Saugatuck-Beispiel. Feuless vergleicht das Problem mit dauertelefonierenden Teenagern, deren Eltern angesichts der Rechnung dann förmlich aus den Latschen kippen. "Das gleiche gilt für die Cloud", so der Analyst. "Wenn man den eigenen Bedarf nicht steuern kann, dann kann man keine Rechnungen prognostizieren - und vermeidet nutzungsbasierte Abrechnung möglicherweise besser."
4. Die Elastizität: Böse Überraschungen kann es geben, wenn der eigene Verbrauch sinkt. Theoretisch fallen dann die Kosten im gleichen Maße. Feuless warnt indes, dass sich Cloud-Provider dagegen durch bestimmte Schwellen absichern. "Es erscheint erstaunlich, wie viele Cloud-Dienste hier Grenzen setzen", so der Analyst.
5. Die Flexibilität: "Die momentan bevorzugte Abrechnungsart muss in Zukunft nicht mehr die gewünschte Option sein", gibt ISG zu bedenken. Zu fragen sei deshalb vorab, ob es für den Fall der Fälle Ausweichmöglichkeiten gibt - und ob sich die tatsächliche Nutzung und die Provider-Rechnungen einfach vergleichen lassen.
"Alles das kann einen feststellbaren Einfluss darauf haben, welcher Service tatsächlich am besten für die eigenen Anforderungen geeignet ist", lautet das Fazit von ISG. "Deshalb sollte man sicherstellen, dass man es auf dem Schirm behält."
Ratschlag: Zuerst immer den Nutzen einer Cloud-Migration evaluieren
Saugatuck-Analyst Burns wiederum hat sich schon vor genau einem Jahr ausführlich zum Preisproblem Cloud geäußert. Damaliges und immer noch gültiges Fazit: "Unser grundlegender Rat an IT-Chefs und ihre Unternehmen ist es, jede Cloud-IT-Abwägung für jede Workload-Bauart mit einer Evaluierung des möglichen Nutzens einer Migration in die Cloud zu beginnen."
Zu berücksichtigen seien dabei neben den offensichtlichen Kosten für die eigenen IT-Ressourcen auch die versteckten Ausgaben - beispielsweise für die Datenübertragung in die Wolke. Nicht vergessen dürfe man auch die variablen Kosten etwa für das gewünschte Verfügbarkeitsniveau oder die auszuhandelnden Service Level Agreements. Neben ISG und Saugatuck beklagte erst kürzlich auch 451 Research Intransparenz bei den IaaS-Preisen.