Blockchain könnte Lizenzbetrug verhindern

Vertrauen im Gebrauchtsoftware-Markt

28.03.2019 von Thomas Mohr, Frank Bartels und Daud Zulfacar
Beim Verkauf gebrauchter Software-Lizenzen herrscht nicht immer Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Die Blockchain könnte Abhilfe schaffen.
Die Blockchain könnte den Handel mit gebrauchter Software sicherer, transparenter und vor allem durchgängig nachvollziehbar machen.
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Jedes Jahr gibt es alleine in Deutschland über 20.000 Insolvenzen. Wichtige aber oftmals unterschätzte Werte bei einer solchen Insolvenz sind die Softwarelizenzen des insolventen Unternehmens. Nicht selten führt das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen allerdingts dazu, dass Softwarelizenzen im Rahmen einer Insolvenz überhaupt nicht veräußert werden.

Vor allem aber herrscht beim Verkauf nur selten Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Die Blockchain könnte hier Abhilfe schaffen und ganz nebenbei sogar die elementaren Standards im Softwarehandel beziehungsweise in der Softwarelizensierung neu definieren.

So funktioniert der Handel mit Gebrauchtsoftware

Trotz der mitunter riesigen Werte lohnt sich der Verkauf von Gebrauchtsoftware in den meisten Fällen schlichtweg nicht. Um zu verstehen warum das so ist, muss man zunächst den prozessualen Ablauf eines Insolvenzverfahrens analysieren.
Wenn ein Unternehmen Insolvenz anmeldet wird zunächst der Insolvenzverwalter bestellt und dieser beauftragt eine Verwertungsgesellschaft mit der Erstellung eines Wertgutachtens für die Vermögenswerte des insolventen Unternehmens.

Im Wertgutachten werden natürlich auch die Softwarelizenzen aufgeführt. Allerdings werden hier die Werte oftmals massiv unterschätzt. Das liegt vor allem im intransparenten Bewertungs-Mechanismus. Ausserdem ist die Software meistens bereits abgeschrieben (in der Regel nach etwa drei bis fünf Jahren). Das heißt: hier schlummern große Werte im Unternehmen, denen keiner große Beachtung schenkt.

Die Verwertungsgesellschaften verkaufen diese nur selten, die Gründe dafür sind vielfältig. Vor allem liegt es an der oft viel zu niedrigen Bewertung dieser Assets und zum anderen an oft zu aufwändigen und völlig intransparenten Vermarktungsprozessen – vor allem in Relation zu den veranschlagten Werten.

In den Wertgutachten wird der Wert der Software bezogen auf den möglichen Verkaufswert bilanziell ausgewiesen. Hier findet sich oftmals eine solide "0" als Bewertung. Der Grund ist, dass Wertgutachter nicht wissen ob und wie Sie die ausgewiesenen Softwarelizenzen legal veräußern können und zu welchem Preis. Dies liegt nicht zuletzt auch an komplizierten Lizenzbestimmungen seitens der Hersteller.

Hier lohnt sich ein genauerer Blick auf den Ablauf bei einer solchen Bewertung.

Preisfindung ist oft sehr kompliziert

Zur Bewertung der Software werden in der Praxis zunächst Angebote von verschiedenen Softwarehändlern eingeholt. Die Validierung der Qualität beziehungsweise der Garantien des Angebots sind hier in der Regel nicht gegeben. Hier liegt schon der erste Systemfehler vor: es gibt keine klare Trennung zwischen Bewerter und Käufer der Software.

Dies führt oftmals zu "gefühlten" Preisangeboten ohne objektive Bewertungsmechanismen im Hintergrund oder einen Ausweis wie das Angebot zustande kam. Die fehlende Nachvollziehbarkeit kann zum echten Problem werden. Bietet Gebrauchtsoftwarehändler A beispielsweise EUR 500.000 für die gesamte Software, die er nachweisen konnte und erhält den Zuschlag, dann könnte er im Nachgang sagen, dass nach Prüfung der Unterlagen die Rechteketten für viele Produkte nicht vollständig nachgewiesen werden konnten und die Software nur EUR 100.000 wert sei.

Das heißt, das ursprüngliche Angebot in Höhe von EUR 500.000 war nur ein Lockangebot (euphemistisch eine "Preisindikation") und weder der Insolvenzverwalter, noch die Verwertungsgesellschaft kann das letztlich genau nachprüfen. Die Gründe liegen vor allem auch an den komplexen Lizenzbestimmungen der Hersteller.

Ein weiteres Problem: die Käufer können heute erst nachträglich prüfen, ob die Lizenzen "sauber" sind und müssen auf die Aussage des Händlers vertrauen, dass sie im Falle eines Software-Audits, also der Lizenzprüfung durch den Softwarehersteller, auch ordentlich lizenziert sind. So tauchen auch immer wieder zweifelhafte Bestände auf, wie jüngst rund 30.000 gebrauchte Microsoft-Office-Lizenzen, deren Rechtmäßigkeit laut Experten zumindest zweifelhaft ist.

Ist die Blockchain die Lösung?

Mit Hilfe der Blockchain Technologie könnte hier ein alternatives Szenario geschaffen werden – vor allem aber mehr Transparenz für alle Beteiligten. Für die Vermarktung von Gebrauchtsoftware denken wir dabei an den folgenden Ablauf – und das nicht nur im Insolvenzfall.

Zunächst wird eine unabhängige Zertifizierungsstelle benötigt (in Deutschland kann diese Rolle von entsprechenden großen Wirtschaftprüfungsgesellschaften übernommen werden). Diese verifiziert die Gültigkeit der Softwarelizenz und legt ein Zertifikat in einem zentralen System ab. Die Validität des Systems wird über die Blockchain gewährleistet. Dort wird die Lizenz als Token abgelegt. Das Token ist somit die Repräsentanz eines Nutzungsrechts oder Nutzungsvertrags.

Sobald dieser Prozessschritt erledigt ist, kann jeder Insolvenzverwalter beziehungsweise jede Verwertungsgesellschaft (und später jedes Unternehmen) einfach Software kaufen und verkaufen. Der Prozess wird automatisch komplett transparent kann aber natürlich anonym bleiben.

Durch die Blockchain kann die Rechtekette jederzeit nachgewiesen werden. Somit ist auch ein erneuter Weiterverkauf der Software ohne großen Aufwand möglich, da die Lizenzen ja bereits im zentralen Sstem zertifiziert sind.

Revolution in der Softwarelizenzierung?

Der Knackpunkt ist die initiale Aufnahme der Lizenzen in die Blockchain - beziehungsweise in eine über die Blockchain validierte Datenbank. Sobald auf diese Weise die Lizenzen "digitalisiert" wurden, können diese sogar völlig automatisiert gehandelt werden. Durch die Abbildung der Lizenzierungsmechanismen in sogenannten "Smart Contracts" ist zudem ein automatisierter Ausgleich von Lizenzbilanzen denkbar. Dazu müsste das Blockchain-Lizenz-System nur mit dem jeweiligen SW-Asset Management System innerhalb des Unternehmens verknüpft werden um so Unter- beziehungsweise Oberlizenzierungen automatisiert ausgleichen zu können.

Smart Contracts machen Mittler-Jobs überflüssig
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Von einer solchen bedarfsgerechten Lizensierung könnten sowohl die Nutzer als auch die Hersteller profitieren. Den Lizenzmanagern in den Unternehmen würde die Arbeit erleichtert und Softwarehersteller würden gleichzeitig von einer transparenten Übersicht über die Verwendung Ihrer Software profitieren. Hier handelt es sich also um ein klassisches Win-Win.

Denkt noch ein paar Schritte weiter, so könnte zusätzliche Sicherheit im Sinne der Nutzungsrechte erreicht werden, indem Hersteller einen Baustein (einen "License-Brick") in ihre Software einbauen, der das Nutzungsrecht auf der Blockchain prüft. Die Funktionsweise wäre vergleichbar mit einem zentralen Lizenzschlüssel. Das heisst, so könnte gesteuert werden welche Features freigeschaltet werden, abhängig davon über welches Nutzungsrecht man verfügt.

Wenn dies gelingt, dann würde gleichzeitig eine Möglichkeit geschaffen, die Vorteile von SaaS mit dezentraler Software in Einklang zu bringen. Hersteller dezentraler Software könnten somit direkt vom Trend der bedarfsgerechten Lizenzierung profitieren.

Gebrauchtsoftwarehandel als erster Schritt

Doch diese Szenarien sind heute noch Zukunftsmusik. Alleine der oben beschriebene Use-Case im Bereich Gebrauchtsoftware und im Speziellen bei Insolvenzen wäre ein großer.

Letztlich wäre mit einem solchen System das, was für uns alle für Autos selbstverständlich ist auch im Softwaremarkt angekommen – der Handel mit Gebrauchtem. Da sich Software als digitales Gut nicht abnützt umso besser. Hier könnte ein riesengroßer Markt schlummern, der aufgrund der technischen Hindernisse heute noch nicht geweckt ist. Heute haben in Deutschland nur knapp 24 Prozent der Unternehmenschon einmal gebrauchte Software erworben oder verkauft.

Denkt man, wie oben beschrieben weiter, so könnte damit in Zukunft ein allgemeingültiger, kompatibler und vor allem transparenter Software-Lizensierungsmechanismus geschaffen werden – also die Zukunft der Software-Lizensierung.