Unter der Überschrift „Internetnutzer werden misstrauisch" veröffentlichte der Hightech-Verband Bitkom eine Erklärung und eine Umfrage zum Stand des Vertrauens beim Umgang mit Daten im Internet - nach Bekanntwerden der Ausspähaktionen von US- und britischen Geheimdiensten. Im Auftrag des Bitkom befragte das Meinungsforschungsinstitut ARIS 1014 Internetnutzer ab 14 Jahren. Die Umfrage ist repräsentativ.
„Wir haben ganz bewusst nicht nach PRISM oder den anderen Geheimdienstaktivitäten gefragt. Die Erwähnung würde vermutlich dazu führen, dass die Antworten noch negativer ausgefallen wären", sagte Bitkom-Präsident Dieter Kempf in einer Telefonkonferenz. Außerdem könne man so die Ergebnisse besser vergleichen.
Auch so fiel das Ergebnis sehr schlecht aus: Demnach ist das Vertrauen der deutschen Internetnutzer in Staat und Behörden massiv eingebrochen. 58 Prozent der Internetnutzer vertrauen ihnen aktuell wenig oder überhaupt nicht, wenn es um den Umgang mit persönlichen Daten im Netz geht.
Nur rund ein Drittel (34 Prozent) gibt an, staatlichen Behörden sehr starkes oder starkes Vertrauen entgegenzubringen. Vor zwei Jahren hatte noch mehr als die Hälfte der Internetnutzer (52 Prozent) sehr starkes oder starkes Vertrauen in staatliche Stellen, 40 Prozent sprachen von weniger starkem oder überhaupt keinem Vertrauen. Vor allem der Anteil derjenigen, die staatlichen Stellen überhaupt nicht vertrauen, ist massiv gestiegen – von 11 Prozent auf 20 Prozent.
„Das sind Zahlen, die alle aufrütteln sollten, die womöglich noch meinen, das Thema werde sich von selbst erledigen", sagte Kempf. Und weiter: "Die Zahlen zeigen, dass eine rasche Aufklärung der Vorgänge auch im Interesse der Politik selbst liegt. Es scheint, als ob die Nutzer sehr wohl einzuschätzen wissen, worum es bei den Abhörmaßnahmen geht und vor allem, von wem sie ausgehen und wer dafür verantwortlich ist. Es sind staatliche Stellen, die den Zugriff auf Daten bei Internetunternehmen einfordern – oder die, wenn die Berichte zutreffen, einfach den Datenverkehr aus den Leitungen mitschneiden", so Kempf.
Keine Mails mit vertraulichen Dokumenten verschicken
Das Vertrauen in den Umgang der Wirtschaft mit persönlichen Daten hat laut der Umfrage ebenfalls abgenommen, aber weniger stark. 34 Prozent haben aktuell starkes oder sehr starkes Vertrauen gegenüber der Wirtschaft, was ihre persönlichen Daten betrifft. Vor zwei Jahren waren es 41 Prozent. Weniger starkes oder gar kein Vertrauen haben 55 Prozent, 2011 waren es 46 Prozent.
Aktuell machen sich 39 Prozent der Internetnutzer Sorgen, dass staatliche Stellen ihre persönlichen Daten ausspähen könnten. 42 Prozent befürchten, dass Kriminelle sie ausspionieren könnten, 34 Prozent befürchten ein solches Verhalten von Unternehmen.
Insgesamt geben zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) an, dass ihre Daten im Netz eher (39 Prozent) oder völlig (27 Prozent) unsicher sind. Nur zwei Prozent glauben, dass ihre Daten im Internet sehr sicher sind, 27 Prozent halten sie dort für sicher. Vor zwei Jahren hatten nur etwas mehr als die Hälfte der Internetnutzer (55 Prozent) Sorgen um ihre Daten. Zwölf Prozent hatten angegeben, ihre Daten seien im Netz völlig unsicher, 43 Prozent bezeichneten sie als eher unsicher. Gleichzeitig waren sechs Prozent davon ausgegangen, ihre Daten seien sehr sicher, 36 Prozent bezeichneten sie als sicher.
Verzicht auf Cloud-Dienste
Als Konsequenz wollen 43 Prozent keine E-Mails mit vertraulichen oder wichtigen Dokumenten verschicken. 19 Prozent wollen auf Cloud-Dienste verzichten, 13 Prozent auf eine Mitgliedschaft in sozialen Netzwerken. „Auch wenn immer mehr Menschen Sicherheitsbedenken haben: Das praktische Verhalten im Internet hat sich nicht verändert", sagte Kempf.
Während der Schutz des eigenen Computers mit Anti-Viren-Programmen und Firewall inzwischen weit verbreitet ist, ergreift derzeit nur eine Minderheit Gegenmaßnahmen wie die Nutzung von Verschlüsselung, Anonymisierungsdiensten oder Meta-Suchmaschinen, die keine persönlichen Daten speichern.
Verschlüsselung, Anonymisierung und Meta-Suchmaschinen wenig genutzt
Elf Prozent nutzen Proxies oder Anonymisierungsdienste wie Tor. Verschlüsselungsprogramme für Dateien und E-Mails setzen acht beziehungsweise sechs Prozent ein, auf getunnelte Internetverbindungen (VPN) greifen vier Prozent zurück. Meta-Suchmaschinen werden von drei Prozent der Internetnutzer eingesetzt. „Auffällig ist, dass es zwischen den Altersgruppen kaum signifikante Unterschiede gibt. Die sogenannten Digital Natives sind den älteren Internetnutzern in Sachen Schutzmaßnahmen nicht voraus", sagte Kempf.
Der Grund für den Verzicht auf Verschlüsselungssoftware ist vor allem fehlendes Wissen. Rund zwei Drittel (65 Prozent) geben an, sich mit solchen Programmen nicht auszukennen. Bei 59 Prozent setzt der Kommunikationspartner keine entsprechende Software ein. Nur ein Viertel (24 Prozent) hält Verschlüsselung grundsätzlich für zu aufwändig. Sieben Prozent geben an, es störe sie nicht, wenn ihre Daten von Dritten eingesehen werden. „Die Zahlen zeigen, dass es ein Interesse und einen Markt für Sicherheitstechnologien gibt", sagte Kempf.
Der Bitkom fordert nun „rasche und konkrete Schritte" zur Aufklärung der Ausspähaktivitäten. Unter anderem sei eine europäische und transatlantische Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Geheimdienste dringend notwendig.
"Schutz vor Ausspähung nicht allein Unternehmen aufbürden"
„Gleichzeitig darf der Schutz vor Ausspähung nicht allein den Unternehmen aufgebürdet werden", warnte Kempf. So setzt sich der Bitkom seit Langem für eine EU-Datenschutzverordnung mit hohen deutschen Standards ein. Als Abwehr gegen Geheimdienstmaßnahmen eigne sie sich aber nicht. Die Verordnung regele gerade nicht das staatliche Handeln in Sicherheitsfragen, sondern den Umgang mit Daten in Unternehmen. Diesen zu verbieten, Daten herauszugeben, zu deren Herausgabe sie aufgrund anderer Rechtsgrundlage verpflichtet sind, bedeute, dass sie sich entweder in Europa oder zu Beispiel in den USA ins Unrecht setzen würden, so Kempf.