Das größte Public-Private-Partnership-Projekt (PPP) Europas hatte Ende 2006 seine Arbeit aufgenommen. Die extra gegründete BWI Informationstechnik GmbH (BWI IT), ein Konsortium aus Bund, Siemens und IBM mit vielen Bundeswehrmitarbeiten, hat sich der Aufgabe angenommen, bis Ende 2010 rund 300.000 neue Telefone, 140.000 neue Computer sowie ein schnelles Datennetz zu installieren. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte im Juli und August "Herkules unter Druck" und "Notruf für Herkules" gemeldet. Dass es zu Projektverzögerungen und zu erhöhten Kosten kommt, belegt nun der vertrauliche Zwischenbericht des Bundesministeriums der Verteidigung an den Deutschen Bundestag.
Bei Siemens ist man weiter zuversichtlich: Dr. Giesela Fuchs, Leiterin des Geschäftsgebietes Public Sector bei Siemens IT Solutions and Services, teilte auf Anfrage mit: „Beim Projekt Herkules läuft alles nach Plan. Wir haben bisher alle Meilensteine eingehalten, etwa die Übernahme der Betriebsvereinbarung und des Bundeswehrpersonals.“ Und weiter „ Weil in einigen Bereichen deutlich mehr Computer und Geräte gebraucht werden als ursprünglich vorgesehen, kommt es hier zu Anpassungen. Für uns ist es aber kein Problem, diese Herausforderungen zu managen.“
Der erste Bericht des Ministeriums „über die begleitende Evaluierung der Zielerreichung und der Wirtschaftlichkeit des Kooperationsprojektes Herkules“ spricht teilweise eine andere Sprache. Er umfasst den Zeitraum vom 28. Dezember 2006 bis zum 31. Dezember 2008. Zum Stichtag Silvester 2008 waren demnach 66 von 67 der gemäß Planung von der BWI IT zu liefernden Konzepte beziehungsweise Teilkonzepte vorgelegt.
Problem allerdings hierbei: Nur 21 und damit rund 32 Prozent waren bis dato durch den Auftraggeber genehmigt worden. „Die niedrige Quote der genehmigten Konzepte führte in einigen Bereichen zu erhöhtem Planungs- und Koordinierungsaufwand (z. B. für betriebsnotwendige Interimslösungen) für die BWI IT, aber insbesondere für die Bundeswehr“, heißt es in dem Bericht. Das Risiko für das Gesamtprojekt werde aber „derzeit als noch beherrschbar eingestuft“, heißt es weiter.
Verstärkten Verhandlungs- und Abstimmungsbedarf gab es auch beim Auf- und Ausbau des Liegenschaftsnetzes im Rahmen der Integrationsphase bis zum Jahr 2010. Denn hier stellte das BWI IT deutlich höhere Kosten fest. Die Budget-Obergrenze liegt ursprünglich bei 205 Millionen Euro. Zitat im Bericht: Es sei bereits jetzt „sicher, dass ein erheblicher Mehraufwand nicht zu vermeiden ist“.
Und es gibt noch ein Problem
Eigentlich sollte bereits Ende März 2008 mit dem Ausbau begonnen werden; bis Ende 2008 war hier jedoch noch nichts geschehen. Doch der Ausbau der Leitungsnetze, so stellt der Bericht fest, ist Voraussetzung für den Roll-Out der IT-Plattform, also von Rechnern und angeschlossenen Geräten, und für den Einsatz der Standard-Anwendungs-Software-Produkt-Familien (SASPF).
Die Verzögerungen beim Ausbau der Netze verursachten „erheblichen zusätzlichen Aufwand“ für Interimslösungen. Erst im vierten Quartal dieses Jahres könne man sagen, wie viel zusätzliches Geld man benötige, dann solle die neue Ausbauplanung beschlossen und die Finanzierungsfrage geklärt werden.
Auch bei der IT-Plattform, wo es um den Roll-Out von 140.000 Rechnern plus Drucker und weiterer Peripheriegeräte geht, gibt es zusätzliche Wünsche. Zum Stichtag Ende 2008 waren nur 40 von 600 Konzepten für jede der auszurollenden Liegenschaften genehmigt worden. Das entspricht einer Quote von rund sieben Prozent.
Doch die Bundeswehr will jetzt mehr Geräte haben. Im Bericht steht: „Die kritische Überprüfung der IT-Konzepte der Dienststellen hat gezeigt, dass die o. g. vereinbarten Mengengerüste in einigen Bereichen nicht ausreichen.“ Der finanzielle Mehrbedarf liege „im niedrigen dreistelligen Millionenbereich“ und werde derzeit ermittelt. Zum Stichtag waren erst rund 16 Prozent der geplanten 31.450 Rechner in 40 von 600 Liegenschaften der Bundeswehr ausgeliefert. Damit müssten 2009 und im kommenden Jahr monatlich wesentlich mehr Geräte angeschlossen werden. Das wiederum erfordere zusätzlichen Planungs- und Finanzaufwand sowie mehr Personal.
Das Risiko für den termingerechten Beginn des Zielbetriebs erhöhe sich dadurch deutlich. Im Bereich der Sonder-Software der Bundeswehr konnte die Liste durch Überprüfungen von zunächst 6000 auf unter 600 Anwendungen reduziert werden; doch auch hier reiche das Budget für die Prüfung und die Integration in die neuen IT-Systeme nicht aus.
"Vitales Interesse an der Umsetzung"
Kaum Probleme sehen die Berichterstatter beim Betrieb der Rechenzentren und des "Weitverkehrsbereichs“ des Kommunikationsnetzes der Bundeswehr (WAN Bw). Allerdings: Von 1.600 Liegenschaften waren bisher erst 185 (rund zwölf Prozent) tatsächlich angebunden worden.
Die geplante Reduzierung der Mobilfunkanschlüsse erwies sich ebenfalls als schwierig. Neue UMTS-Dienste würden das Budget zusätzlich belasten. Bei den zentralen Diensten habe die versuchte Zentralisierung der Lotus-Notes-Server zu Störungen geführt und musste deswegen abgebrochen werden, heißt es in dem Bericht. Optimierungsbedarf bestehe auf dem Gebiet der IT-Sicherheit: „Die bestehenden Mängel bei der Beachtung grundlegender Aspekte der IT-Sicherheit sind als kritisch einzuschätzen.“
Aber es gibt auch Positives zu vermelden. Die ihr gestellte Aufgabe, den Mittestand angemessen zu beteiligen, hat die Gesellschaft bereits in den ersten beiden Jahren erreicht. Die Überführung des gestellten beziehungsweise zugewiesenen Bundeswehrpersonals in die neue Gesellschaft wurde ebenfalls erfolgreich abgeschlossen. Eine gute Nachricht gab es auch beim Roll-Out der SASPF: „Im Berichtszeitraum hat die BWI IT die Leistungen im Bereich SASPF vertragsgemäß erbracht.“ Der von der BWIT IT übernommene Betrieb der laufenden Systeme bis zur Ablösung durch SASPF verlief vereinbarungsgemäß und störungsfrei. Der zentrale User-Help-Desk wurde wie vorgesehen aufgebaut und in Betrieb genommen. Der Aufbau des Auskunfts- und Vermittlungsdienst konnte rund sechs Monate früher als geplant abgeschlossen werden.
Fazit des Zwischenberichts: „Das Kooperationsprojekt Herkules befindet sich trotz nachweisbarer Erfolge (…) in einer kritischen Phase.“ Die strategische Partnerschaft zur Modernisierung der IT der Bundeswehr solle aber weiter intensiviert werden. Denn die Bundeswehr habe „unverändert ein vitales Interesse an der erfolgreichen Umsetzung des Kooperationsprojekts Herkules.“