"Ich bin erstaunt, wie viele Unternehmen die Krise ungenutzt lassen und nicht an ihren Kostenstrukturen und Prozessen arbeiten", sagte AlixPartners-Europachef Michael Baur der Deutschen Presse-Agentur. Die gewaltigen staatlichen Hilfen würden oft nur genutzt, "um die Schmerzen zu stillen, aber nicht, um die Heilung zu beschleunigen".
Dank Kurzarbeit, staatlicher Kredithilfen und Bürgschaften in Billionenhöhe habe es in Deutschland seit April sogar deutlich weniger Insolvenzen gegeben als im Vorjahr - trotz des Einbruchs von Produktion und Nachfrage. Unternehmen müssten diese Chance jetzt aber auch nutzen, ihre Geschäftsmodelle und Lieferketten zu überprüfen und sich zukunftsfest aufzustellen: "Die Firmen müssten viel stärker ins Getriebe eingreifen", sagte Baur. "Es geht nicht nur um sechs schwierige Monate." Für Luftfahrt, Tourismus und die Veranstaltungsbranche werde die Welt nach Corona eine andere sein, die Autoindustrie müsse den Umbruch zur E-Mobilität bewältigen.
Der Umbau werde auch zu Stellenabbau führen. Mehrere Konzerne haben das schon angekündigt. "Alle, die heute in Kurzarbeit sind, sind natürlich in Gefahr", sagte AlixPartners-Deutschlandchef Andreas Rüter. Auch wenn sich die Wirtschaft erhole, werde "nicht umgehend ein Bedarf entstehen, der diese Arbeitskräfte aufnehmen kann".
Kritisch sehen die Unternehmensberater das deutsche Insolvenzrecht. Bei Überschuldung Insolvenz anmelden zu müssen, das gebe es fast nur noch in Deutschland und sei ein Relikt "aus der Steinzeit", sagte Baur. Die Anmeldepflicht wegen Überschuldung sollte nicht nur bis Jahresende ausgesetzt, sondern abgeschafft werden. Entscheidend sei, ob ein Unternehmen zahlungsfähig sei. Aber nicht jedes Unternehmen, das ein Quartal lang zu wenig verdiene, um damit seine Schuldzinsen zu bezahlen, sei schon ein "Zombie". Ein neues, präventives Sanierungsverfahren könnte viele Unternehmen und Arbeitsplätze retten. (dpa/rs)