Mehr als zehn Jahre haben die Opel-Mitarbeiter in Bochum um ihr Werk gekämpft - mit spektakulären Aktionen wie einer nächtlichen "Dauerbetriebsversammlung" und sogar einer Klage gegen das Unternehmen. Jetzt ist der Kampf zu Ende. Die "Wir-sind- Opel"-Transparente werden eingerollt. Opel schließt zum Jahresende wegen Überkapazitäten unwiderruflich die Autoproduktion im Ruhrgebiet. Bis Ende September können die Bochumer Mitarbeiter für eine zweijährige Transfergesellschaft unterschreiben, die Anfang 2015 startet. Danach droht die Arbeitslosigkeit.
"Der Arbeitsmarkt ist nicht wie in Süddeutschland", sagt der Chef der Bochumer Arbeitsagentur, Luidger Wolterhoff. Natürlich gebe es Vermittlungschancen. Aber ein breiter Facharbeiterbedarf wie in anderen Regionen fehle vielfach im Ruhrgebiet.
Zwar haben fast alle Opelaner einen Ausbildungsberuf gelernt. Schlosser, Elektriker oder Sanitärfachleute werden auch weiter gesucht. Aber viele Beschäftigte stehen seit Jahrzehnten am Band. Sie sind in ihrem früheren Beruf nicht mehr auf dem Stand der Dinge, müssen nachqualifiziert werden und sich in mittelständischen oder Kleinbetrieben - wenn überhaupt - mit oft befristeten Stellen zu wesentlich schlechteren Konditionen abfinden.
Bochum hat in den vergangenen Jahren schon viele Schläge wie etwa den Rückzug des Handyherstellers Nokia mit - in besten Zeiten - 4500 Jobs hinnehmen müssen. Im nächsten Jahr droht die Schließung eines Schmelzwerkes von Outokumpu mit 450 Jobs. Immer wieder sind bei solchen Einschnitten die geringer Qualifizierten besonders betroffen. Mit 10,4 Prozent liegt die Arbeitslosenquote der Stadt deutlich über dem Land (8,3) und dem Bund (6,7 - Ende August).
Rund 2500 der insgesamt 3300 Mitarbeiter werden wohl in die Transfergesellschaft wechseln, wie Wolterhoff erwartet. Für etwa 700 Menschen gibt es weiter Arbeit in Bochum, wo das europaweite Opel-Ersatzteilzentrum um 265 Stellen aufgestockt wird. Das war eines der Zugeständnisse des Unternehmens. Garantiert sind diese Stellen aber nur bis 2020, und das Lager läuft nicht mehr unter dem Opel-Logo, sondern wird vom Opel-Partner Neovia betrieben. Trotzdem gab es fast 1200 Bewerbungen.
Wolterhoff sagt: "Den Mitarbeitern ist Sicherheit wichtiger als Verdiensthöhe." Deshalb gebe es auch große Nachfrage für Umschulungen zum Busfahrer im öffentlichen Nahverkehr - trotz "erheblicher Gehaltseinbußen". Die Post hat angekündigt, auf dem Werksgelände 2016 ein Paketzentrum mit bis zu 600 Tarifarbeitsplätzen anzusiedeln. Wie viel dort künftig verdient wird, konnte ein Post-Sprecher noch nicht sagen. "Aber mit Sicherheit haben wir nichts mit dem Mindestlohn zu tun."
Opel verweist auf die erheblichen Anstrengungen zur Abfederung des Ausstiegs: 552 Millionen Euro stellt der Konzern trotz der weiter schwierigen Lage am Automarkt unter anderem für Abfindungen und die Jobbörse bereit. Beschäftigten mit 55 Jahren und älter wird ein Vorruhestandsmodell mit 80 Prozent des Nettoverdienstes bis zum frühestmöglichen Renteneintritt angeboten. 800 Leute könnten laut Opel davon profitieren, müssen aber natürlich dauerhafte Renteneinbußen hinnehmen. Und die 125 000 Euro Abfindung, die jeder nach Berechnung der Gewerkschaft im Schnitt bekommt, müssen versteuert werden.
Manche Opelaner fühlen sich von der Gewerkschaft nicht gut vertreten und von den Kollegen in den anderen Opel-Standorten verraten. "Die Verlagerung der Bochumer Zafira-Produktion nach Rüsselsheim verhindert dort drastische Maßnahmen oder Kurzarbeit", sagt der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel. Die gesamte Bochumer Belegschaft sei enttäuscht über die fehlende Solidarität von den anderen Opel-Standorten. Auf dem Werksparkplatz stehen Autos mit großen Aufklebern auf der Heckscheibe: "Das ist mein letzter Opel - Der ist noch aus Bochum." (dpa/rs)