Das Klinikum St. Georg in Leipzig setzt auf Virtualisierung. Neben den Mitarbeitern profitieren die Eltern von zu früh geborenen Kindern. Per Webcams sind sie ständig dabei und können ihre Kinder während deren Krankenhausaufenthalts beobachten – von zuhause aus oder von unterwegs. Auch das medizinische Personal im Krankenhaus ist so in der Lage, die Patienten leichter von außen zu kontrollieren. Die Installation des Leipziger Krankenhauses kann als Modell für andere Institutionen gelten.
Das Klinikum ist eines der ältesten Krankenhäuser Deutschlands. Zur St. Georg Unternehmensgruppe gehören mehr als 20 Kliniken, Fachkliniken und Gesundheitseinrichtungen. Derzeit verfügen sie über rund 1700 Betten und tagesklinische Plätze im Krankenhausbereich, in der Rehabilitation, im Maßregelvollzug sowie im Bereich medizinisch-sozialer Wohnheime. Jährlich werden etwa 43.000 Patienten stationär und teilstationär behandelt.
Thin Clients statt Standard-PCs
Das Team der IT-Tochtergesellschaft des Klinikums setzt auf die zentrale Bereitstellung von Benutzer-Desktops. Um den Administrationsaufwand zu minimieren und die IT der geografisch verteilten Standorte effizienter managen zu können, sollen künftig an vielen IT-Arbeitsplätzen die vorhandenen Client-PCs durch Thin Clients abgelöst werden. Der Standard-Desktop mit allen Kernanwendungen läuft dann nicht mehr lokal auf dem Endgerät, sondern wird über eine zentrale Citrix-XenApp-Infrastruktur im Rechenzentrum zur Verfügung gestellt.
Gemeinsam mit dem IT-Dienstleister Comparex entwickelte die IT-Fachabteilung ein Lösungskonzept, das jetzt in die Praxis umgesetzt wird. "Bis Ende 2012 wollen wir rund 1000 unserer 1500 IT-Arbeitsplätze auf das neue Modell umstellen“, berichtet Thomas Werchau, Geschäftsführer der St. Georg IT-Gesellschaft.
Die IT-Organisation kooperiert eng mit den Fachabteilungen, um Lösungen zu entwickeln, die sich im Alltag bewähren. Aus ihnen kam auch die Anregung, den Eltern von zu früh geborenen oder kranken Kindern per IT eine permanente Beobachtung von zu Hause oder anderen Orten aus zu ermöglichen. In der neonatologischen Intensivstation – der so genannten Frühchen-Station des Krankenhauses – werden Neugeborene medizinisch betreut. Für die Eltern ist dies eine sehr schwierige Situation: Sie können ihr Kind nicht ständig bei sich haben und in der Regel nur wenige Stunden am Tag sehen.
Von Vorbildern lernen
Die Chefärztin der Abteilung schilderte den IT-Spezialisten diese Problematik und berichtete von einer Lösung, die erstmals in den USA erprobt wurde. Mehrere Krankenhäuser bieten Eltern dort die Möglichkeit, ihr frühgeborenes Kind rund um die Uhr über eine Webcam zu beobachten. Begleitende Studien bestätigten, dass sich dieser Ansatz positiv auf die Mutter-Kind-Beziehung auswirkt.
Der jetzt eingerichtete Service bietet den Eltern die Möglichkeit, via Internet ihr neugeborenes Kind rund um die Uhr beobachten zu können. Technische Voraussetzung dafür sind Webcams in der neonatologischen Intensivstation sowie eine sichere Online-Zugriffslösung auf Basis von Citrix-Anwendungen. Das vom Krankenhaus sogenannte "Kuschelblick-TV“ lässt sich von jedem Ort aus und mit jedem beliebigen Endgerät abrufen - auch von einem iPad oder Smartphone aus.
"Die große Herausforderung war für uns, die Kamerabilder auch außerhalb des Klinikums zugänglich zu machen“, berichtet Martin Schmeißer, Projektverantwortlicher im IT-Team. Die erste Idee zu Beginn des Projekts bestand darin, jeden Video-Stream einfach als Web-Service über eine passwortgeschützte Internet-Seite zur Verfügung zu stellen. Allerdings scheiterte dieses Verfahren an der Heterogenität der möglichen Client-Szenarien.
Um das Videobild im Browser betrachten zu können, hätten die Eltern nicht nur eine ganz bestimmte Version des Internet Explorers auf ihrem Rechner nutzen müssen – es wäre zudem notwendig gewesen, zusätzliche Funktionen zu aktivieren und Plug-Ins zu installieren. "Bei der Zusammenstellung der mehrseitigen Bedienungsanleitung wurde uns dann sehr schnell klar, dass wir die Anwender mit dieser Lösung technisch überfordern“, erzählt Schmeißer.
Ein alternatives Zugriffskonzept baut auf der vorhandenen Citrix-XenApp-Infrastruktur des Klinikums auf. Für jede der sechs Kameras wurde dazu ein angepasster Internet Explorer mit den erforderlichen ActiveX-Einstellungen auf einem XenApp-Server installiert. Der Anwender kann diese zentral bereitgestellte Anwendung von jedem Endgerät mit Internet-Anschluss aufrufen und muss nicht zuerst Konfigurationen an seinem eigenen Web-Browser vornehmen.
Datenschutz muss gewährleistet sein
Um alle datenschutzrechtlichen Anforderungen zu erfüllen, ist der Zugriff auf die Webcams mehrfach abgesichert. Eltern eines Frühgeborenen erhalten vom Klinikum einen Benutzernamen, ein Passwort sowie einen Hardware-Token für die Benutzer-Authentifizierung. Mit ihren persönlichen Zugangsdaten und dem zufällig generierten PIN-Code des Tokens melden sie sich dann an einer speziellen Web-Adresse an. Erst nach dem erfolgreichen Login sehen sie das Programm-Icon, mit dem sie die Kameraverbindung zu ihrem Kind starten können.
Der gesamte Datenstrom zwischen dem Client-Rechner und dem XenApp-Server, auf dem die Webcam-Anwendung läuft, wird dabei durch die Netzwerkkomponente Citrix NetScaler VPX verschlüsselt. "Das ist grundsätzlich dieselbe Technologie, die wir auch nutzen, um mobile Anwender und Home Offices sicher an unser Netzwerk anzubinden“, erklärt Schmeißer.
Die Video-Übertragung auf iPad und Smartphone hat es so bisher noch in keinem anderen Klinikum in Deutschland gegeben. Ihr könnte deshalb ein Pilotcharakter für weitere medizinische Projekte oder Teilzeitarbeit in der Krankenhausverwaltung zukommen. Schon jetzt benützen auch die Pfleger in der Intensivstation die technische Infrastruktur, um die Kinder permanent unter Beobachtung zu haben.