Seit dem Dienstantritt des von EMC zu VMware gewechselten neuen CEO Pat Gelsinger wird der Marktführer bei Virtualisierung Schritt für Schritt umgemodelt. Zunächst war von einer Entlassungswelle, die 900 Mitarbeiter betreffen soll, die Rede, dann gab es auf der obersten Management-Ebene – dem C-Level – einige Abgänge zu verzeichnen.
Tiefgreifender scheinen aber die strategischen Umbaubemühungen zu sein, die Gelsinger in die Wege leitet. Offenbar will man neben der so erfolgreichen Server-Virtualisierung auch deshalb neue Fronten eröffnen, weil man sich nicht sicher ist, wie lange diese Technologie inklusive ihrer Nebenprodukte wie vMotion, Desktop-Virtualisierung und zahlloser Management-Tools allein eine profitable Zukunft garantieren kann. Zu viele einst als unverwundbar geltende IT-Giganten hatten sich schon zu sehr auf ihre angeblichen Kernprodukte verlassen und neue Entwicklungen schlicht verschlafen.
EMC, die Muttergesellschaft von VMware, will ganz offensichtlich rechtzeitig das Ruder herumreißen. So war der ehemalige, äußerst erfolgreiche VMware-Chef Paul Maritz nach seiner Ablösung durch Gelsinger zum Chief Strategy Officer ernannt worden. Seine Aufgabe: Sich um die zukünftige Ausrichtung des Konzerns kümmern. Schon bald präsentierte Maritz den Plan, eine gemeinsame Business-Unit von EMC und VMware zu schaffen, die alle Management-Aktivitäten in Sachen Cloud Services und Big Data unter einem Dach vereinen sollte.
Die Pivotal-Initiative
Auf einer Investoren-Konferenz, die am 13. März 2013 in New York stattfand, präzisierte Maritz diese Ankündigung und sprach von einer "Pivotal-Initiative". Pivotal, bisher ein Joint Venture von EMC (69 Prozent) und VMware (31 Prozent), soll ausgegründet und eventuell später an die Börse gebracht werden. Außerdem soll "Cloud Foundry", ein Platform-as-a-Service-Angebot auf Open-Source-Basis, Teil von Pivotal werden.
Wie Maritz in New York ausführte, will man jetzt für eine deutliche Trennung von Applikations- und Infrastruktur-Layern im Konzern sorgen. Die Basis bildet die "Information Infrastructure" von "EMC II" (VMAX, VNX, Isilon, Atmos, Data Domain), über der VMware mit dem "Software-Defined Data Center" agiert. Über beiden liegt dann die Pivotal-Softwareschicht mit Greenplum, Cetas, Cloud Foundry und Pivotal Labs – mit dem Schwerpunkt auf Big Data und Analytics.
Mit Cloud-Services den Umsatz anheizen
Außerdem will VMware mit "Hybrid Cloud Services" eine neue Business Unit starten, um mit eigenen Cloud-Services an den Markt zu gehen. Chef dieser Unit wird Bill Fathers, der bis November 2012 den US-Dienstleister Savvis geleitet hatte. EMC hat ihn laut Pressemeldung vom 13. März 2013 deswegen geholt, weil er über die entsprechende Erfahrung verfüge, "ein Service-Unternehmen von Grund auf aufzubauen und weltweit am Markt durchzusetzen".
In der zweiten Jahreshälfte 2013 soll die Konkurrenz für Amazon an den Start gehen, als eigenes Angebot oder für Partner. Außer über die geplante Gründung der Unit und die Anwerbung von Fathers hat man noch keine Details mitgeteilt. Vor etwa drei Jahren hatte EMC schon einmal mit eigenen Cloud-Services geliebäugelt, dann aber wieder Abstand davon genommen – damals noch mit dem offiziellen Argument, dass das nicht das "Kerngeschäft" des Unternehmens sei.
VMware NSX
Unter dem Namen VMware NSX sollen bisherige Angebote wie vCloud Networking and Security und die Nicira Network Virtualization Platform (NVP) zu einem einzigen Framework kombiniert werden. VMware NSX soll nicht nur auf dem eigenen Hypervisor laufen, sondern auch auf anderen virtuellen Betriebssystemen.
Die Plattform soll ferner kompatibel sein mit diversen Cloud-Managementsystemen und sich mit jeglicher darunter liegenden Netzwerk-Hardware vertragen. Pat Gelsinger sprach in New York in diesem Zusammenhang von einer "Virtualisierung des Netzwerks".
Auf einer Partnerkonferenz Anfang März soll sich Gelsinger explizit über das Vordringen von Amazons Cloud-Angeboten auf Basis von Commodity-Hardware in die Welt der Unternehmen beklagt haben. Jedes Mal, wenn ein Kunde eine IT-Workload an Amazon übergebe, sei das nicht nur ein Verlust für den Partner und dessen Hardware-Geschäft, sondern auch für VMware. Dann soll er hinzugefügt haben: "Wir wollen die Verfügungsgewalt über die Unternehmens-IT."
EMC und VMware mit vereinten Kräften gegen Amazons Cloud-Angebote
Laut der US-Website Techcrunch hat sich Carl Eschenbach, Chief Operating Officer (COO) bei VMware, noch unverblümter ausgedrückt: "Wenn ich an unsere Partner und an VMware denke und an die Bedeutung, die unsere Brands bei den Unternehmen haben, dann kann ich mir kaum vorstellen, dass wir nicht gemeinsam einen Anbieter schlagen können, der Bücher verkauft."
Wer jetzt meint, das Team von Gelsinger habe mal wieder den Mund zu voll genommen und habe keine Ahnung von dem, was Amazon mit seinen preisgünstigen Cloud-Services auf die Beine gestellt hat, könnte sich täuschen. Offenbar ist man bei VMware und EMC fest entschlossen, mit der neuen Business Unit der "Hybrid Cloud Services" eine ernsthafte Alternative zu Amazon auf die Beine zu stellen. Zumindest hat man schon einmal eine Kriegserklärung in die Welt gesetzt.