Viel wurde in den letzten Jahren spekuliert über die Marktführerschaft bei Server-Virtualisierung. Allen war klar, dass VMware technologisch vorne lag, während auf der anderen Seite die Konkurrenten Citrix, Red Hat und Microsoft Schritt für Schritt aufholten. Aber eine Marktführerschaft kippt nicht allein wegen technischer Vor- oder Nachteile da und dort. Dazu gehören auch Faktoren wie bestehende Verträge, Preise, Service-Qualität, Bundle-Angebote und nicht zuletzt ein eindrucksvolles Branding oder das Image, auf Dauer der erfolgreichere zu sein.
Außerdem nicht zu vergessen: VMware beschäftigt etwa 4000 Software-Entwickler, die darum bemüht sind, Virtualisierung in alle Ecken des Rechenzentrums zu tragen. Der Vorsprung zu den anderen wird vielleicht kleiner, aber er ist noch immer da. Was sich offenbar geändert hat ist, dass VMware den engsten Verfolger Microsoft nicht einfach negiert – wie bisher üblich –, sondern ihn härter angeht als bisher. Marketing wird zum Schlachtfeldersatz.
Microsoft war schon in den vergangenen Jahren nicht zimperlich, wenn es um harte Marketingbandagen ging. So lancierte man 2008 exakt zur VMworld in Las Vegas eine PR-Kampagne mit dem Titel "VMware Costs Way Too Much“, so wie man es schon 2007 mit der gegen Linux gerichteten Website "Get The Facts“ versucht hatte. VMware reagierte damit, dass man Microsoft auf der VMworld 2009 lediglich einen Stand von etwa zehn Quadratmetern zugestand.
Eine Marketing-Schlacht
Zur VMworld 2010 in San Francisco gab es dann einen öffentlichen Brief von Microsoft an VMware-Kunden, der in mehreren Tageszeitungen ganzseitig als Anzeige veröffentlicht wurde. Microsoft warnt darin VMware- Kunden davor, neue Verträge mit langer Laufzeit zu schließen. O-Ton Microsoft: "VMware fordert viele von Ihnen auf, drei Jahre laufende Lizenzverträge für Virtualisierungsprojekte zu unterschreiben. Aber mit dem Wandel hin zu Cloud Computing könnte Sie eine dreijährige Bindung an einen Anbieter fesseln, der nicht die volle Palette an Techniken, Flexibilität und Skalierbarkeit bietet, die Sie für den Aufbau einer Cloud-Computing-Umgebung benötigen."
Paul Maritz, CEO von VMware (und Ex-Manager von Microsoft), reagierte damals noch gelassen: "Es schmeichelt uns natürlich, wenn Microsoft so viel Geld in die Hand nimmt, um sich direkt an unsere hier versammelten Kunden zu wenden. Was den Vorwurf des Lock-in betrifft, den Microsoft an uns richtet, kann ich nur sagen: Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“
Microsoft attackiert mit Video
Microsoft ließ auch danach nicht locker und startete eine witzig gemeinte Video-Kampagne über einen Hersteller "VM-Limited“ und einen chaotischen Top-Verkäufer namens "Tad“ (www.vm-limited.com). Die Kampagne soll zum Ausdruck bringen, dass VMware unfähig sei, sich aus seiner Vergangenheit der Server-Virtualisierung zu befreien ("being stuck in the IT past“) und an der IT-Zukunft von Cloud-Lösungen scheitert.
Ob die Kampagne wirklich so lustig ist und bei einem größeren Publikum ankommt, ist umstritten. Unstrittig ist dagegen, dass VMware nun ebenfalls seine Marketingkanonen in Stellung bringt. Einfach übersehen und von oben herab abtun, wird offenbar bei VMware nicht länger als geeignete Strategie angesehen. In einem Blog auf VMwares Website (http://blogs.vmware.com/virtualreality/2012/06/one-today-is-worth-two-tomorrows-benjamin-franklin.html) wird zum Beispiel ein Vergleich gezogen zwischen Microsofts ewiger Ankündigungspolitik und den eigenen konkreten Produkten, die auch erhältlich seien, wenn VMware darüber spricht.
Schon Benjamin Franklin habe gesagt: "Ein Heute ist mehr wert als zwei Morgen.“ Die Logik dahinter: Morgen = Microsoft, Heute = VMware. Die immer wieder verschobenen Ankündigungen oder Auslieferungsdaten von Windows Server 2012 oder das irgendwann kommende Release von Hyper-V geben VMware auf den ersten Blick recht. Doch wenn jeder aufgrund seiner Erfahrungen weiß, dass zwischen Ankündigung und Marktreife nun mal – "historisch bedingt“ – eine gewisse Zeit vergehen wird, kann man sich auch ohne weiteres darauf einstellen. Die Blog-Reaktion von VMware sieht denn auch eher etwas matt aus, selbst wenn Detail nach Detail und diverse "Success Stories“ aufgezählt werden.
VMware startete TCO-Vergleich
VMware hat außerdem eine Webseite mit einem TCO-Vergleich gestartet: "VMware vSphere vs. Microsoft Hyper-V Total Cost of Ownership“ (www.vmware.com/resources/enterprise_gl.html). Wer sich auf dieser Seite ziemlich umständlich mit allen möglichen Details (Anzahl der Mitarbeiter, geplantes Investitionsvolumen etc.pp.) einträgt, kommt schließlich weiter.
Dass man bei VMware nicht mehr ganz so cool drauf ist, kann man auch daran merken, dass man jetzt eine eigene Webseite "Get The Facts“ aufgelegt hat (www.vmware.com/getthefacts/microsoft). Dort sagt dann zum Beispiel Priya Sethuraman, Performance Engineering bei VMware, in einem netten Filmchen: "VMware is still far ahead of Microsoft."
VMware reagiert mittlerweile uncool
Aha, so einfach ist das also. Schade, dass nur Marketinghülsen gegen Marketinghülsen ausgetauscht werden. Dabei ginge es auch anders.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.