Internet-Telefonie ist auf dem Vormarsch

VoIP wird Umsätze der Telekom-Anbieter schmälern

16.07.2004 von Detlef Scholz
Die Internet-Telefonie hat das Potenzial zur Eroberung des Massenmarktes. Das ist das Ergebnis einer Studie von Mercer Management Consulting zu der "Voice over Internet Protocol" (VoIP) genannten Technik. Wichtigste Voraussetzung für den Erfolg von VoIP sind gute Sprachqualität und hohe Verfügbarkeit.

Im Geschäftskundenbereich setzt sich VoIP bereits stark durch. Allein im vergangenen Jahr wuchs der Markt für Telefonanlagen, die zur Internet-Telefonie fähig sind, um 55 Prozent. Die Unternehmen haben erkannt, dass sie auf diese Weise ihre Telekommunikations-Investitionen zukunftsfähig machen können. Mercer erwartet durch VoIP ein Einsparpotenzial von etwa 30 Prozent. Dies wird zwar zunächst nicht durch geringere Zugangs- und Gesprächskosten erreicht, dafür halbieren sich aber die Kosten für Telefonanlagen, Software und Service.

Jeder fünfte Festnetzanschluss könnte ersetzt werden, wenn sich die VoIP-Angebote deutlich verbessern. Die derzeitige Qualität der Internet-Telefonie spricht aber bisher ausschließlich sehr preissensible Verbraucher und Technologie-Freaks an. Die meisten anderen Kunden stoßen sich an der mangelnden Sprachqualität und der geringen Verfügbarkeit. Zudem möchten sie ihre Telefonate nur ungern den neuen, unbekannten Gesellschaften anvertrauen, die heute VoIP anbieten. Darin sieht Mercer eine Chance für die etablierten Anbieter, die sich mit verbesserten Angeboten Marktanteile sichern könnten.

Über Größe und Dynamik des Markts für internetgestützte Sprachtelefonie orakeln die großen Marktforschungsinstitute seit langem. Gartner Dataquest etwa schätzt den westeuropäischen VoIP-Umsatz im Jahr 2002 auf 965 Millionen Euro. Bis 2007 soll er auf 3,6 Milliarden Euro steigen und 2010 mehr als die Hälfte des europäischen Gesamtumsatzes von derzeit etwa einer Billion Euro ausmachen.

Auf die Sprachqualität kommt es an

Die Befragung hat gezeigt, dass eine Low-Quality-Telefonie nur sehr wenige Kunden anspricht. VoIP wird andererseits auch nicht als mit vielen Features ausgestatteter High-End-Ersatz für Festnetztelefonie angesehen. Gemäß der Untersuchung sind Kunden nicht bereit, viel Geld für solche Zusatzfunktionen auszugeben. Vielmehr kommt es auf die "Basics" an: Beim derzeitigen Qualitätsniveau würden lediglich zwei Prozent der Verbraucher VoIP-Angebote nutzen. "Die Mehrheit der Befragten akzeptiert keine abgebrochenen Telefonate, schlechte Sprachqualität und Verzögerungen bei der Übertragung, wie sie heute bei VoIP-Angeboten noch an der Tagesordnung sind", sagt Klaus von den Hoff, Telekommunikationsexperte bei Mercer.

Sobald die VoIP-Qualität aber dem Niveau der heutigen Telefonie entspricht, bricht der Damm. Fast 30 Prozent der Kunden würden dann ein VoIP-Angebot annehmen, 20 Prozent sogar ihren Festnetzanschluss kündigen. Damit steht die Internet-Telefonie fraglos vor dem Durchbruch zum Massengeschäft, da Qualitätseinschränkungen nach Ansicht der Mercer-Analysten in kürzester Zeit überwunden sein werden.

Der Markt für preisgünstige Internet-Telefonie wird von den klassischen Playern dominiert werden und nicht von Neueinsteigern wie Skype oder Vonage, die heute noch vorne liegen. Für Neueinsteiger ohne Kundenbasis wird es schwer, so die Studie. Zu wichtig sind Faktoren wie Vertrauen und Zuverlässigkeit.

Trotz Kostenreduktion durch Umstellung auf VoIP-Technik wird die Internet-Telefonie tiefe Spuren in den Bilanzen der Festnetzbetreiber hinterlassen. Die drei großen europäischen Anbieter British Telecom, Deutsche Telekom und France Telecom erwarten Umsatzausfälle von jeweils 1,5 bis zwei Milliarden Euro im Jahr 2008 und sechs bis sieben Milliarden Euro im Jahr 2010. Der Umsatzrückgang entsteht vor allem durch wesentlich geringere Gesprächsgebühren. Die Telekom-Konzerne sind gegenüber dieser Entwicklung so gut wie machtlos. Sie können die IP-Telefonie nur verzögern, aber nicht aufhalten, so die Studie. "Unsere Modellrechnungen zeigen, dass jede Gegenmaßnahme auf breiter Front mehr Umsätze kannibalisiert, als sie Kunden von einer Abwanderung abhalten würde", sagt von den Hoff.

Die Studie basiert auf einer Befragung von 1.000 Verbrauchern in den USA und Großbritannien.

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