IT-Manager wetten

Volkswagen-CIO: Design Thinking kommt

22.10.2012 von Martin Hofmann
CIO Martin Hofmann wettet, dass es 2023 keine Systemschulungen, Helpdesks und Software-Manuals mehr geben wird. User Centered Design eröffnet völlig neue Wege.
Martin Hofmann ist CIO der Volkswagen AG.
Foto: Volkswagen AG

"Ich wette, dass es in zehn Jahren in Unternehmen keine Systemschulungen, keine User-Manuals und keinen IT-Helpdesk mehr gibt."

Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie schon in die Bedienungsanleitung Ihres iPads geschaut? Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es überhaupt eine gibt. Jedenfalls habe ich sie bislang nicht gebraucht. Denn: Wenn es um die Bedienbarkeit ihrer Produkte geht, sind unsere Kollegen bei Apple Weltspitze. Nie zuvor waren Oberflächen mobiler Endgeräte so intuitiv bedienbar; nie zuvor war es so einfach, im Grunde ganz banale Dinge zu tun, etwa ein Foto zu vergrößern: Man klickt nicht auf ein Lupen-Symbol, sondern zieht das Foto mit gespreizten Fingern in die gewünschte Größe. Was wir hier erleben, ist nicht weniger als das perfekte Zusammenspiel aus Hardware, Software und Nutzerkontext.

Letzterem kommt dabei besondere Bedeutung zu. Ziel moderner IT-Entwicklung ist nicht, alles auszureizen, was die Technik hergibt. Ziel ist, jede einzelne Entwicklungsentscheidung konsequent am Nutzer auszurichten. Es genügt nicht mehr, Hardware und Software zu designen. Die große Herausforderung ist es, die User Experience dabei zu perfektionieren, also all die Erfahrungen, die die Nutzer mit einem Produkt über dessen Lebenszyklus hinweg sammeln. An jedem Kontaktpunkt müssen zeitgemäße Anwendungen die Erwartungen des Anwenders zumindest erfüllen - möglichst sogar übertreffen. Bei Consumer-Produkten ist das schon lange so. In der Business-IT setzt sich der Gedanke der kompromisslosen Nutzerorientierung erst nach und nach durch.

Hardware und Software müssen vor allem zum Nutzer passen

Als IT-Verantwortliche stehen wir vor einem großen Paradigmenwechsel. Wir stimmen eine Software nicht mehr nur auf einen Prozess ab, sondern vor allem auf ihre Nutzer. Wir entscheiden uns nicht für die Hardware, die am besten in unsere Infrastruktur passt, sondern zum Anwender. Die Methode, die uns dabei unterstützt, nennt sich "User Centered Design" beziehungsweise "Design Thinking". Sie zielt nicht nur auf Optimierung der Usability - schon gar nicht ist sie Oberflächenkosmetik. Sie verändert die Art und Weise, wie wir intern und mit unseren Kunden und Partnern zusammenarbeiten. Sie unterstützt uns, Innovationen zügig zu erschließen. Sie ist ein Kulturwandel, der sich auszahlt.

Gerade in schnell wachsenden, global aufgestellten Unternehmen explodieren die Kosten für Rollout, Schulungen und Support. Das alles kostet nicht nur die IT eine Menge Geld, sondern auch ihre Anwender in den Fachbereichen: Sie verlieren wertvolle Arbeitszeit durch Schulungen, durch Ausprobieren und in den Warteschleifen der Support-Hotlines.

Weitere Wetten finden Sie im CIO-Jahrbuch 2013. Die CIO-Redaktion stellt das Buch am 22. November anlässlich der Gala zum CIO des Jahres 2012 vor.
Foto: cio.de

Systemschulungen, Helpdesks und Software-Manuals wird es in zehn Jahren in Unternehmen nicht mehr geben. Niemand wird sie vermissen. Denn in Unternehmen, die User Centered Design konsequent umgesetzt haben, muss niemand mehr den Helpdesk anrufen, um dann als Ticket vom First Level in den Third Level durchgereicht zu werden. Stattdessen gibt es eine offene Kultur des Fragens und Helfens in internen Sozialen Netzwerken und über Instant Messaging. Digital Natives und Digital Immigrants lernen voneinander und miteinander.

Anwender brauchen weder Handbücher noch Seminare

Unsere Anwender in den Fachbereichen brauchen künftig weder Handbücher noch Seminare, um mit einem neuen System arbeiten zu können. Es funktioniert out of the box, weil es sich geradezu natürlich an den Benutzer und sein Verhalten anfügt: etwa an den Personaler, der einen neuen Mitarbeiter einstellt, oder an den Qualitätssicherer, der Bauteile prüft, oder den Mitarbeiter in der Logistik, der intuitiv wie nie zuvor Teilesendungen verfolgt.

Ich nenne die Beispiele bewusst im Singular, denn User Centered Design geht auf die Belange jedes einzelnen Anwenders ein. Wir bauen Oberflächen daher nicht nach den Standards des klassischen Software-Engineerings auf, sondern suchen nach geeigneten Analogien im Lebensumfeld unserer Anwender und lassen sie nicht klicken, sondern wischen und blättern.

Produktivität schaffen wir aber nicht nur durch die Software, die wir entwickeln, sondern auch durch die Hardware, die wir einkaufen. Statt zwischen einem Notebook, einem Netbook und einem Desktop-PC zu wählen, gehen die Mitarbeiter in Zukunft in den unternehmenseigenen IT-Shop. Dort breitet sich vor ihnen ein breite Palette an Geräten aus: Smartphones, Tablet-PCs, Ultrabooks - und zwar nicht von einem Hersteller, sondern von einer Vielzahl. Womit der Einzelne arbeitet, entscheidet nicht der Vorgesetzte, sondern die jeweilige Arbeitsweise: mobil oder stationär, lokal oder international, als Controller oder Designer.

Volkswagen hat ein User-Experience-Team aufgestellt

Ich bin mir sicher: An User Centered Design führt kein Weg vorbei. Es ist nicht Kür, es ist Pflichtprogramm. Es macht die IT-Welt nicht nur schöner und einfacher, sondern auch effizienter. Bei Volkswagen haben wir Anfang 2012 ein konzernweites User-Experience-Team aufgestellt. Kollegen von Audi, Skoda, Volkswagen und Financial Services arbeiten an einem neuen Konzept zur Nutzung neuer GUI-Konzepte, Apps statt schwerer Applikationen und dem Einsatz von Social-Media-Technologien.

Sukzessive fügen sich viele Einzelinitiativen zum Gesamtbild der User Experience. Was sie eint, ist das gemeinsame Ziel, IT für Kunden und Anwender zum positiven Erlebnis zu machen. Und zwar ohne Bedienungsanleitung.

Ich freue mich auf Ihre Gegenwette!

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