Um ganz korrekt zu sein: In der Langform lautet der Projektname: "IT-Qualitätsoffensive - Turnaround vom Outsourcing-Desaster zurück zur Normalität (und darüber hinaus)". Vom Herbst 2010 bis zum Sommer 2012 waren IT-Chef Andreas König und etwa ein Viertel des knapp 500-köpfigen IT-Teams von ProSieben Sat.1 darauf konzentriert, die Sourcing-Strategie neu zu überdenken. Am Ende holten sie etwa 30 Prozent der zuvor ausgelagerten IT-Services zurück ins Unternehmen oder verlagerten sie zu einem anderen Provider.
Die Ausgangssituation
Auf den wachsenden Kostendruck hatte der Medienriese 2008 mit einem Komplett-Outsourcing seiner IT reagiert. Den Zuschlag erhielt die IBM als Generalunternehmerin. Deren Verantwortung reichte von den Netzen über die Infrastruktur und das Software-Engineering bis zum Projekt-Management und zur IT-Governance. Die damit erhofften Einsparungen wurden jedoch teuer bezahlt: 2010 traten Probleme in durchaus geschäftskritischen Bereichen auf. Die Systemverfügbarkeit ließ zu wünschen übrig, und die Lieferfähigkeit für neue Geschäftsbereiche war eingeschränkt. Das Grundübel war in der mangelnden Flexibilität des Outsourcing-Verhältnisses zu suchen. Zusätzliche Anforderungen, die im Ursprungsvertrag nicht aufgeführt waren, ließen sich nur auf Kosten der Servicequalität erfüllen.
Die Qualitätsoffensive
Bei Abschluss des Vertrags hatte ProSieben Sat.1 noch keinen dedizierten CIO. Als der ehemalige Accenture-Manager König Anfang 2010 beim Medienkonzern anheuerte, erkannte er schnell, dass hier akuter Handlungsbedarf bestand. Mit der "IT-Qualitätsoffensive" adressierten er und seine Mitarbeiter die den Schwierigkeiten im Outsourcing-Verhältnis zugrunde liegenden Probleme:
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Rollen und Verantwortungen waren unklar.
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Unerledigt waren auch die Hausaufgaben im Config- und Change-Management.
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Es gab keine Übereinstimmung zwischen Geschäfts- und Outsourcing-Zielen.
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Governance- und Management-Prozesse funktionierten nicht.
Diese Lücken galt es zu schließen. Schließlich sollte die IT wieder zu einem geschätzten Business-Partner werden, wie König es formuliert. Dazu musste sie aber in der Lage sein, Innovationen und neue Geschäftsmodelle anzubieten. Und ohne ausreichende Verfügbarkeit nutzen auch die besten Ideen nichts.
Dem Reflex, nur an Symptomen herumzudoktern, ist König nicht erlegen. Vielmehr fasste er das Übel bei der Wurzel und stellte die gesamte Sourcing-Strategie auf den Prüfstand. Nach intensiven und fruchtbaren Gesprächen mit dem Outsourcing-Provider gelang es ihm, einen Teil der Services wider ins Haus zu holen - und damit die Servicequalität anzuheben.
Die Meilensteine
Als eine der größten Herausforderungen bezeichnet König den Spagat zwischen der Arbeit am Re- beziehungsweise Insourcing und dem Aufrechterhalten des Tagesgeschäfts. Um die Teilprojekte zu koordinieren und eventuelle Probleme vom laufenden Betrieb fernzuhalten, baute er eine interne Projekt-Management-Abteilung auf, die Schwierigkeiten schon im Entstehen erkennen und in Kooperation mit dem Dienstleister rasch beheben konnte.
Trotzdem ging es nicht ganz ohne Reibung ab. Wie König ausführt, muss sich bei einem so aufwendigen Vorhaben wie der Reparatur der IT-Servicequalität "selbst der beste strategische Projektplan immer der Realität des Tagesgeschäftes unterwerfen". So kam es schon einmal vor, dass E-Mails und andere wichtige Business-Lösungen für ein paar Tage nicht verfügbar waren. Auf der anderen Seite stehen aber auch Highlights wie die schnelle Wiederherstellung des Betriebs nach einem Großbrand 2011 zu Buche.
Die wichtigsten Erkenntnisse
Unter dem Strich kann der ProSieben-Sat.1-CIO mit dem Projekt zufrieden sein. Zudem hat er eine wichtiges Erkenntnis gewonnen: "Auch wenn ein auf zehn Jahre geschlossener Outsourcing-Vertrag eine Veränderung der Welt nicht voraussehen kann, so gibt es immer Möglichkeiten, die nötigen Adaptierungen herbeizuführen", fasst er zusammen. Allerdings sei es dazu notwendig, die jeweilige Motivation beider Partner im Verhältnis zueinander zu klären. Schlichtung und Disruption gingen dabei stets Hand in Hand.
Platz 2: Was die Jury überzeugte
Vor allem wegen seiner Durchsetzungsstärke im Umgang mit Dienstleistern erreichte König beim Wettbewerb "CIO des Jahres 2012" den zweiten Platz. Wie die Jury befand, hat der ProSieben-Sat.1-CIO "konsequent die Umstrukturierung eines bestehenden IT- Auslagerungsabkommens umgesetzt, das die operativen und strategischen Anforderungen nicht erfüllte". Damit habe er die Servicequalität erheblich verbessert sowie eine enge Verknüpfung der IT-Services mit den Geschäftszielen erreicht. Eindrucksvoll seien die entschlossene Umsetzung dieses Projekts, die starke Governance und die klare Zukunftsorientierung. (Computerwoche)