Integreat (früherer Projektname: Refguide+) ist eine Open-Source-App, die nach Deutschland Geflüchteten in ihrer Sprache Zugang zu Informationen und Angeboten gibt, die Kommunen auf sie zugeschnitten haben. Die Idee dazu entstand 2014 im Umfeld des Vereins "Tür an Tür", der sich seit 1992 für Flüchtlinge im Augsburger Raum einsetzt. Umgesetzt wurde die App von Studierenden und Wissenschaftlern der Wirtschaftsinformatik der TU München (darunter Daniel Kehne als Initiator) zusammen mit dem Verein und dem Sozialreferat der Stadt Augsburg innerhalb von acht Monaten.
Die Jury sagt: "Ein ganz besonderer Wettbewerbsteilnehmer fällt in diesem Jahr positiv aus dem Rahmen – nicht nur als Startup, sondern auch aufgrund seines hohen sozialen Anspruchs. Das belohnen wir mit dem 'Startup Award'." |
Angefangen als ehrenamtliche Initiative im Jahr 2015 ist das Projekt zu einem Sozialunternehmen mit einem jährlichen Umsatz von 150.000 Euro (2017: 60.000 Euro, 2018: 100.000 Euro) herangewachsen. Ohne dass ein Vertriebs- und Marketing-Team tätig geworden wäre, setzen bereits über 50 Städte und Landkreise auf die digitale Integrationsplattform.
Dies mache Integreat nicht nur zum Marktführer im Bereich der digitalen Informationsplattformen für Migrantinnen und Migranten, sondern entspreche auch einer Marktabdeckung von etwa 15 Prozent, wie der junge Geschäftsführer der Tür an Tür - Digitalfabrik gGmbH berichtet. In Zukunft soll Integreat auch in anderen Ländern zum Einsatz kommen. Gespräche laufen mit Interessenten in Österreich, Frankreich, Thailand, Neuseeland, Australien, Brasilien und Argentinien.
Technisch besteht Integreat aus drei Komponenten, die Kehnes Team zentral betreibt und hostet: einem CMSBackend (PHP), einer Web-Applikation (React) und einer mobil und o?ine nutzbaren App (Xamarin). Wollen Landkreise oder Städte Integreat bereitstellen, müssen sie die vorgegebene Grundstruktur mit ihren Daten füllen, gegebenenfalls in mehreren Sprachen.
Sie dürfen Daten, Inhalte und Übersetzungen von anderen Kommunen ohne Rücksprache nutzen, was Arbeitsaufwand und Übersetzungskosten deutlich senkt. Für viele Akteure war diese freie Lizenz Neuland, berichtet Kehne. Die befürchteten Probleme seien aber nicht eingetroffen, auch die durch die DSGVO aufgekommenen Datenschutzbedenken hätten sich nicht bewahrheitet. Je mehr Kommunen Integreat eingeführt hätten, umso weniger beängstigend sei das Thema für sie auf strategischer Ebene geworden.
Generell sei die fehlende Erfahrung in den kommunalen Integrationsabteilungen mit digitalen Lösungen eine große Herausforderung, bekundet der 28-jährige Wirtschaftsinformatiker. Während der Altersdurchschnitt in seinem Startup bei Mitte 20 liege und fast alle Mitarbeiter Informatiker und Digital Natives seien, habe die Digitalisierung noch nicht alle Akteure in der kommunalen Verwaltung erreicht.
Dabei gelte es, niederschwellig anzufangen und ausreichend Zeit einzuplanen, um Prozesse und Technologien, möglichst ohne Buzzwords, zu erklären. Aber auch Kehnes Team arbeitet an mehr Offenheit und ist einen Tag pro Woche direkt bei den Kunden vor Ort: "Auch wenn es für unsere Entwickler gewöhnungsbedürftig war, hat das Team nun einen besseren Einblick in die Bedürfnisse der Nutzer erhalten."