"Vom Hierarchiedenken müssen wir uns verabschieden"
09.11.2020 von Hans Königes
Auf die neue CRO der IT-Tochter der Bundeswehr, Katrin Hahn, warten herausfordernde Aufgaben. Die BWI setzt alles daran, um ein modernes IT-Systemhaus zu werden.
So hatte sich die engagierte Personalerin - 2009 die erste Preisträgerin des HR Next Generation Award - ihren Start beim neuen Arbeitgeber, der BWI GmbH, nicht vorgestellt. Als sie am 1. April ihren Job als Chief Resources Officer bei der Bundeswehr-Tochter antrat, musste sie gleich zu Hause bleiben - so, wie das jetzt in Corona-Zeiten eben üblich ist. Für einen kommunikativen HR-Profi wie Hahn die Höchststrafe - hatte sie sich doch fest vorgenommen, den direkten Kontakt zu den künftigen Mitarbeitern zu suchen.
"Die BWI muss agiler reagieren können"
Mit Katrin Hahn begannen noch rund 200 weitere neue Mitarbeiter bei BWI, so dass sie gleich zu Beginn gefordert war, gemeinsam mit ihren KollegInnen das Einstellen und Einarbeiten der Neuen zu organisieren. Wobei, das erwähnt sie dann noch in einem Nebensatz, für ihr Unternehmen besondere Sicherheitsvorkehrungen gelten, so dass in puncto Security der Start erst recht sehr sorgfältig ablaufen muss.
Nachdem die BWI gut zehn Jahre lang als Projektgesellschaft zur Umsetzung des Herkules-Projektes (Bundeswehr-Vorhaben zur IT-Modernisierung) diente, will es sich nun als modernes IT-Systemhaus etablieren und als Digitalisierungspartner der Bundeswehr agieren. "Die BWI muss agiler auf sich verändernde Anforderungen reagieren können", lautet Hahns Wunsch.
Um dieses Ziel zu erreichen, müsse sich das Unternehmen unter anderem verstärkt seinen Führungskräften widmen. Verständlicherweise habe eine Organisation wie die Bundeswehr oder die früheren Eigner der BWI, Siemens und IBM, sehr stark in Laufbahnmodellen gedacht, und hierarchisches Denken spielte eine viel stärkere Rolle als in heute modern organisierten Unternehmen. "Vom Hierarchiedenken müssen wir uns verabschieden", lautet die Forderung der neuen Arbeitsdirektorin.
Man sei dabei, die Firmenkultur in Richtung mehr Eigenverantwortung auszurichten, Fachkarrieren stärker zu fördern. Damit liege man auf der Linie der neuen Bewerbergeneration, die weniger an Hierarchiedünkel interessiert sei, sondern an fordernden Aufgaben und interessanten Projekten. In einem ersten Projekt werden Führungskräfte zu "Transformation Coaches" ausgebildet, um "das Netzwerk der Multiplikatoren und Unterstützer für den Wandel zu erweitern", so Hahn. Angesichts der ständigen und schnellen Veränderungen möchte Hahn das Thema Weiterbildung noch stärker als bisher als Teil der Unternehmenskultur etablieren. "Lernen muss Teil des Arbeitsalltages und selbstverständlicher werden", sagt die HR-Managerin.
Neue Führungspraxis für die digitale Welt
Der Sportdirektor eines Vereins Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle.
Führung in der Digitalisierung Die Studie "Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt" stammt von LEAD (Mercator Capacity Building Center for Leadership & Advocacy) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Company Companions sowie der School of Public Policy (Central European University, Budapest) und dem Center for Leadership and Values in Society (Universität St. Gallen). Die Autoren empfehlen acht Rollen als Orientierungshilfen.
Die Landschaftsgärtnerin Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf.
Die Seismologin Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle".
Der Zen-Schüler Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen.
Der DJ Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung.
Die Intendantin eines Theaters Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise.
Die Trainerin Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein.
Der Blogger Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.
BWI sucht IT-Experten
Trotz der besonderen Herausforderungen durch Corona ist die BWI nach wie vor fleißig dabei, neue Mitarbeiter einzustellen. Gesucht wird die ganze Bandbreite an IT-Fachleuten von Mitarbeitern in der Netzadministration über Berater bis hin zu IT-Architekten. In der Muttergesellschaft Bundeswehr wird die Arbeit so schnell nicht ausgehen, ist die Digitalisierung doch eines ihrer Megathemen.
Im Gegenteil, die Digitalisierung der Abläufe und Prozesse einer so großen Organisation erfordert noch auf Jahre hinaus viele Ressourcen jedweder Art. Und Katrin Hahn ist zuversichtlich, dass sich genug Kandidaten bei der BWI bewerben. "Unser Gesamtpaket stimmt", sagt sie, und beginnt mit dem ersten großen Plus, das in diesen Tagen besonderes Gewicht hat: "Wir bieten einen sicheren Arbeitsplatz, das Arbeiten in innovativen IT-Projekten, gute Entwicklungsperspektiven und eine preisgekrönte Altersvorsorge."
Stärker etabliert habe sich seit Corona auch flexibles Arbeiten. Homeoffice sei viel selbstverständlicher geworden als früher und sie geht davon aus, dass nach der Pandemie sogar etwa ein Drittel der Mitarbeiter dauerhaft im Homeoffice bleiben wird.