Sind Sie in einem oder zwei sozialen Netzwerken aktiv? Gut. Weniger gut wäre, wenn Sie sich bei vier oder mehr registriert hätten. Dann bekämen Sie den Job nicht - jedenfalls nicht bei Xerox. Der Druckerhersteller nutzt eine neue Methode, um Bewerber für seine Call-Center auszuwählen. Sie wurde streng logisch entwickelt: Personaler sahen zunächst in den Akten nach, welche Mitarbeiter die längste Unternehmenszugehörigkeit aufwiesen.
Mittels Statistikprogrammen ermittelten sie dann, was die treuen Mitarbeiter gemeinsam haben: Die meisten wohnten beispielsweise in der Nähe ihrer Arbeitsstelle, brachten wenig Berufserfahrung mit - und nutzten soziale Netzwerke nur in Maßen. Zwei Accounts sind gut, mehr deuten auf einen Job-Hopper hin. Genau nach solchen Kriterien entscheidet Xerox nun: Die Bewerber müssen einen Online-Test absolvieren, in dem die gewünschten Eigenschaften abgefragt werden. Am Schluss entscheidet ein Analyseprogramm, ob der Kandidat eingestellt werden soll. Der Personaler muss nur noch auf Okay klicken.
So wie Xerox gehen immer mehr Firmen vor: Sie vertrauen bei der Rekrutierung nicht mehr ihrem Bauchgefühl, sondern dem Rechner. Big Data ist das Zauberwort: Man gräbt in den wachsenden Datenbergen nach Erfolgsmustern - und wendet sie einfach immer wieder an. In der Personalbeschaffung kann das funktionieren: Was zeichnet die besten Mitarbeiter aus? Wo haben sie studiert? Wie sieht ihr Werdegang aus? Daraus lässt sich das Profil des optimalen Mitarbeiters ableiten.
Mit einem Online-Test kann nun ermittelt werden, wie nahe Bewerber dem Wunschprofil kommen. "So steigen die Qualität der Neueinstellungen und die durchschnittliche Beschäftigungsdauer kräftig", freut sich Stefan Berger, Experte bei der IBM-Tochterfirma Kenexa, die auf die Bewerberauswahl via Datenanalyse spezialisiert ist. "Von 1000 Kandidaten bleiben 50 übrig, die alle eingestellt werden können", sagt Berger. Früher, als Personaler noch per Hand aussiebten, sei die Trefferquote viel niedriger gewesen.
Computer gerechter als Menschen
Willkommen in der Welt der Roboter-Rekrutierung! So nennen Spötter die neue Art der Personalgewinnung schon. Den neuen Job vergibt nicht der Personaler, sondern ein Algorithmus. Das klingt nach kalter Maschinenmacht, doch Tatsache ist, dass Computer oft gerechter urteilen als Menschen. In vielen Firmen werden Kandidaten zum Beispiel sofort abgelehnt, wenn sie eine kriminelle Vergangenheit haben. Entscheidet dagegen die Software, bekommen auch die schwarzen Schafe eine Chance. Statistiken aus der Call-Center-Branche zeigen, dass solche Mitarbeiter im Schnitt sogar etwas bessere Leistung bringen als Kollegen mit makellosem Lebenslauf. Das Gleiche gilt für Menschen, die in der Vergangenheit oft die Arbeitsstelle gewechselt haben. Personaler sortieren solche Job-Hopper gerne aus - der Rechner nicht unbedingt. Per Datenanalyse lässt sich die Kündigungswahrscheinlichkeit errechnen.
Auch hierzulande erste Versuche
Der Roboter beurteilt Bewerber nicht nur gerechter, er ist auch schneller und effizienter. Zum Beispiel, wenn es darum geht, Lebensläufe zu durchkämmen. Deshalb lassen 95 Prozent aller US-Konzerne Unterlagen per Computerprogramm aussieben. Darauf haben sich die Jobsuchenden in den Staaten bereits eingestellt: Im Internet kursieren Anleitungen mit der Überschrift "So machen Sie Ihren Lebenslauf roboterfreundlich". Kandidaten erfahren hier, dass sie auf kreatives Layout und phantasievolle Formulierungen pfeifen können, da der Roboter diese ohnehin ignoriert. Stattdessen wird Telegrammstil empfohlen - Zahlen, Daten, Fakten, alles sauber aufgelistet. So sieht eine Bewerbung aus, die der Maschine gefällt (siehe unten "So machen Sie Ihren Lebenslauf maschinenlesbar").
In Deutschland gehört Bosch zu den ersten Firmen, die Lebensläufe mit Rechnerhilfe sichten. Der Konzern bekommt jedes Jahr 200.000 Bewerbungen und setzt eine Software des niederländischen Herstellers Textkernel zum Sortieren ein. "Wir wollen die Bewerbung einfacher und intuitiver machen", sagt Melanie Ebelle, Projektleiterin Selection bei Robert Bosch in Gerlingen. Tatsächlich erleichtert der Lebenslauf-Filter nicht nur den Mitarbeitern in den Personalabteilungen, sondern auch den Kandidaten die Arbeit: Sie müssen nur noch ihren Lebenslauf hochladen, die Software kümmert sich um den Rest. Sie findet die passenden Angaben zu Ausbildung und beruflichen Stationen und trägt sie in ein Online-Profil ein. "Das erspart es, Daten noch einmal eingeben zu müssen", lobt Ebelle auf der Website von Textkernel.
Künftig werden nicht nur aktive Jobsucher in Kontakt mit den Rekrutierungs-Robotern kommen, sondern auch ganz normale, womöglich zufriedene Angestellte. Immer mehr Unternehmen gehen von sich aus auf Talentsuche: Weil Fachleute knapp sind und die Postkörbe leer, betreiben sie aktiv Rekrutierung. Dafür werden spezielle Programme genutzt: Sie scannen soziale Netzwerke wie Xing oder LinkedIn nach Menschen mit passenden Werdegängen oder stöbern in Fachforen Menschen auf, die sich zu bestimmten Themen äußern. Findet die Software einen aussichtsreichen Kandidaten, nimmt ein Personaler persönlich Kontakt auf. Was früher Aufgabe des Headhunters war, erledigt jetzt also der Algorithmus. Die IBM-Software Kenexa kann schon an über 2000 sogenannten Kommunikationsorten online nach Talenten suchen. "Die Herausforderung besteht darin, dass der Algorithmus erkennt, worum es in der Konversation geht", erklärt Kenexa-Mann Berger. Ein Beispiel: Wer einen Profi für Hosting sucht, stößt nicht nur auf Spezialisten für IT, sondern auch für Bewirtung - denn auch diese Bedeutung hat das Wort im Englischen. Nur der gute Roboter kennt den Unterschied und findet die Rechenzentrums-Profis.
Little statt Big Data ist die Regel
Wird der Recruiter also bald durch einen Rechner ersetzt? So schnell nicht, sagen Experten. Bis zur vollautomatischen Nachwuchsbeschaffung sei es noch ein weiter Weg. Ein Grund: Statt Big Data gibt es in vielen Unternehmen nur Little Data - es fehlt schlichtweg an digitalen Informationen. "Nur gut jedes dritte Unternehmen weiß im Detail, über welche Kanäle Bewerber auf eine ausgeschriebene Stelle aufmerksam geworden sind", gibt Tim Weitzel, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Bamberg, als Beispiel. Mit anderen Worten: Die meisten Unternehmen wissen heute nicht, was in der Rekrutierung funktioniert hat und was nicht. Und wer die Erfolgsmuster nicht kennt, kann sie auch nicht rechnerunterstützt wiederholen.
Nur für Konzerne interessant
Praktiker glauben ohnehin, dass Roboter-Rekrutierung nur begrenzt einsetzbar ist. Ausschließlich für Konzerne, die Tausende von Stellen zu besetzen haben, lohne es sich, schweres statistisches Geschütz aufzufahren. Hinzu kommt, dass datenbasierte Methoden umstritten sind. Angestellte nach Leistung sortieren, statistisch auswerten, Bewerber psychologisch durchleuchten - all das klingt nicht unbedingt nach einem sympathischen Arbeitgeber. Deshalb werden viele Unternehmen die Finger davon lassen.
"Unternehmen könnten bewusst darauf verzichten und damit auch nach außen werben", spekuliert Joël Luc Cachelin, Unternehmensberater aus St. Gallen und Autor einer Studie zu Big Data und Personal-Management. Also "Big-Data-frei" in der Stellenanzeige quasi als Qualitätssiegel wie "Aus Bio-Anbau"? "Warum nicht?", lacht Cachelin, "nicht alle Mitarbeiter werden die pausenlose Überwachung hinnehmen - und nicht alle Führungskräfte wollen sich durch Algorithmen ersetzen lassen." Und am Ende könne selbst die beste Software eines nicht: gute Fragen stellen.
So machen Sie Ihren Lebenslauf maschinenlesbar
Wer sich in Zukunft bei einem Konzern bewirbt, sollte darauf achten, dass sein Lebenslauf leicht von automatischen Sortierprogrammen zu verarbeiten ist. Einige Regeln:
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Greifen Sie wichtige Stichworte aus der Jobofferte in Ihrer Bewerbung auf (etwa die Stellenbezeichnung).
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Bereiten Sie alle Informationen zum Werdegang in einer Liste auf (Reihenfolge: Name des ehemaligen Arbeitgebers, Position, Zeitraum).
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Schreiben Sie alle Titel und Bezeichnungen aus; verwenden Sie keine Abkürzungen. Achten Sie auf korrekte Zeichensetzung.
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Verwenden Sie verbreitete Schriftarten wie Arial, Verdana oder Tahoma.
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Verzichten Sie auf Grafiken, Bilder und außergewöhnliche Formatierungen.
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Reichen Sie Ihren Lebenslauf als Textverarbeitungs-Dokument ein (doc), nicht als PDF. Manche Lebenslauf-Filterprogramme können PDFs nicht verarbeiten.
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Informieren Sie ruhig ausführlich. Bei Lebensläufen auf Papier galt früher oft das Eine-Seite-Limit. Diese Regel ist passé, dem Computer ist es egal, wie lang Ihre Bewerbung ist.
Quelle: Hireright