Audi spart und baut um

Von der klassischen IT verabschieden

22.08.2005 von Ingo Butters
Eigentlich könnten sich die IT-Manager bei Audi entspannt zurücklehnen: Für die IT geben sie schon heute nur magere 0,8 Prozent vom Umsatz aus, gleichzeitig feiert die Marke neue Absatzrekorde. Trotzdem arbeiten die Ingolstädter mit Hochdruck an der Umstrukturierung und Konsolidierung ihrer IT. Audi-CIO Klaus Straub und Manfred Jung, Leiter IT-Services bei Audi sowie beim gesamten VW-Konzern, erklären im CIO-Interview, wie und warum sich die Audi-IT ändern muss.

CIO: Die Audi-IT durchläuft zurzeit einen tiefgehenden Veränderungsprozess. Zum einen wurde die gesamte CIO-Organisation neu geordnet. Zum anderen arbeiten sie an einem Konsolidierungsprogramm zur Kosteneinsparung. Wieso diese drastischen Restrukturierungen?

Klaus Straub: Wir stehen bei der Marke Audi vor einem anspruchsvollen Volumenwachstum: Für dieses Jahr streben wir erstmals die Auslieferung von mehr als 800.000 Audi Modellen an, 2008 sollen es rund eine Million sein. Produktionsnetzwerke werden komplexer, die Integration innerhalb des VW-Konzerns nimmt zu. Entwicklungszentren müssen prozessual und IT-technisch stärker aufeinander abgestimmt werden. Auf der Verkaufsseite wollen wir die Themen Marktausschöpfung und stärkere Internationalisierung ausbauen.



CIO: Ein Schritt in diese Richtung ist der Umbau der CIO-Organisation, die der VW-CIO Klaus-Hardy Mühleck auf den Weg gebracht hat. Wann haben Sie die neue Organisation umgesetzt?

Straub: Wir haben das Ganze ziemlich schnell vorangetrieben. Konzernweit wurde die neue Organisation im Oktober 2004 verabschiedet, innerhalb von zehn Wochen haben wir den Beschluss umgesetzt, sodass wir zum 1. Januar dieses Jahres live gehen konnten.



CIO: Ganz reibungslos dürfte so eine rasche und tief greifende Veränderung nicht über die Bühne gegangen sein. Schließlich haben viele neue Mitarbeiter nun neue Aufgabengebiete.

Straub: Bei so einem Veränderungsprozess müssen Sie die Mitarbeiter von Anfang an einbeziehen. Wir haben den Betriebsrat intensiv involviert und Mitarbeiterveranstaltungen organisiert, zu denen alle rund 600 Mitarbeiter der Audi-IT aus ganz Deutschland kamen. Wir haben unsere Mitarbeiter in Papierform und über das Intranet auf dem Laufenden gehalten. Und wir haben ein Team von 20 Leuten aus allen Hierarchieebenen in mehreren Workshops zusammengebracht, um dort die zukünftige Aufbauorganisation gemeinsam zu entwickeln und entsprechend umzusetzen. Dadurch haben wir frühzeitig Probleme erkannt und konnten entsprechend gegensteuern.

CIO: Was waren das für Probleme?

Straub: Bei dem einen oder anderen Mitarbeiter gab es sicherlich Klärungsbedarf, ob er auf der richtigen Stelle mit der richtigen Kompetenz ist. Auch müssen Fragen der Budgetierung, der Projektkoordination und der Abstimmung zwischen den Abteilungen neu geklärt werden. So ein tief gehender Wechsel läuft nie zu 100 Prozent perfekt.

Manfred Jung: In das Thema Kommunikation investieren wir noch jetzt sehr viel Energie. Das haben wir zugegebenermaßen anfangs etwas unterschätzt. Schließlich werden ganz neue Modelle der Zusammenarbeit in der Markengruppe und im Konzern etabliert, die erhöhte Abstimmung erforderlich machen. Das ist ein fortlaufender Prozess, deshalb dürfen wir hier nicht nachlassen.

CIO: Wie sieht für Sie eigentlich die Abstimmung mit Wolfsburg in der Praxis aus? Herr Jung - Sie sind ja nicht nur Leiter IT-Services bei Audi, sondern auch für den gesamten VW-Konzern.

Jung: Neben meiner operativen Verantwortung in der Markengruppe Audi habe ich auch die strategische Verantwortung für die IT-Services innerhalb des VW-Konzerns und berichte hier fachlich an Klaus-Hardy Mühleck. Deshalb muss ich an allen Standorten präsent sein. Das bedeutet, dass ich zwei Tage pro Woche in Wolfsburg und zwei Tage in Ingolstadt bin. In beiden Standorten haben wir zusätzlich die Funktion eines Sprechers etabliert, der für das Tagesgeschäft verantwortlich ist.

CIO: Neben der Reorganisation ist das zweite große Thema For Motion, das VW-weite Maßnahmenprogramm zur Steigerung der Effizienz. Dabei sind Sie bei Audi mit einem IT-Budget von 0,8 Prozent des Umsatzes doch ohnehin schon sehr genügsam.



Jung: Das stimmt. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass im IT-Service-Bereich durch den steigenden Bedarf an Endgeräten, Speicherplatz und die Zunahme im Serverbereich die Kosten um jährlich rund 20 Prozent steigen würden - wenn wir dem nicht entgegen wirken. Durch die eingeleiteten Maßnahmen sehen wir hier auch für die nächsten Jahre weiteres Potenzial, wie globale Synergien und Einsparmöglichkeiten genutzt werden können.

Straub: Wir werden ganz sicher kein steigendes IT-Budget bekommen. Deshalb müssen wir beispielsweise auf der IT-Service-Seite durch Harmonisierung und Standardisierung Produktivität und Ressourcen frei machen, die wir dann in Innovationen stecken können. Wir müssen uns auf die zentralen Technologien konzentrieren und diese dann vorantreiben.

CIO: Was haben Sie unternommen?

Jung: Wir haben hier bei Audi schon im vergangenen Jahr das Programm Plan IT aufgelegt: Ein 15-Punkte Programm für die gesamte Audi-Markengruppe, durch das bis Ende 2005 14 Millionen Euro im IT-Service Bereich eingespart werden. Auf der Agenda stehen dabei Themen wie die Rechenzentren-, Telekommunikations- und Mainframe-Konsolidierung, Storage-on-Demand und Print-Output-Management.

CIO: Wie gehen Sie bei der Umsetzung vor?

Straub: Wir führen für den gesamten Bereich IT-Services eine Kompetenzfeld-Analyse durch. Wir schauen uns jeden IT-Service genau an, führen Benchmarkings durch und gleichen ihn mit unserer Business-Strategie ab.

Jung: Jeder IT-Service muss sich heute und in Zukunft gegenüber dem externen Markt messen lassen. Wo wir die Kostenführerschaft intern nicht übernehmen können, konzentrieren wir uns auf die Governance. Die eigentlichen Services werden dann von externen Dienstleistern erbracht. Im Telekommunikationsbereich setzen wir das gerade um: Künftig wird der komplette Telekommunikationsservice für die Standorte Ingolstadt, Neckarsulm und Györ in Ungarn von Siemens erbracht. Die Planung und Steuerung verbleiben bei der Audi IT.

CIO: Wo setzen Sie noch an?

Straub: Wir arbeiten auch daran, die Zahl der Applikationen und Lieferanten bei Audi in den nächsten zwei Jahren signifikant zu reduzieren. Wir wollen hier weg von best of breed-Ansätzen. Beispiel Exchange 2003: Im Rahmen eines Rollout werden wir hier bei Audi die gesamte Landschaft harmonisieren. Es wird einheitliche Active Directory- und Filestrukturen geben. Im Applikationsbereich arbeiten wir weiter an einer konsequenten Ausrichtung hin zu SAP.

Jung: Im SAP–Bereich werden wir zunächst die Hardware und danach die Services standardisieren und konsolidieren. Zurzeit verlagern wir alle SAP-Systeme nach Ingolstadt. Die eigentliche SAP-Basis-Betreuung für die Markengruppe AUDI werden wir aber nach Ungarn verlagern und von dort aus als Shared Service betreiben. Ende des Jahres soll das Projekt abgeschlossen sein.

CIO: Wie sieht es mit Synergiepotenzialen zwischen Ingolstadt und Wolfsburg aus?

Jung: Das ist ein ganz wichtiges Thema. Wir setzen auf intensive Zusammenarbeit zwischen den Standorten und haben Competence Center gebildet, um Doppelarbeit im Konzern weitestgehend zu vermeiden. Zurzeit arbeiten wir etwa mit VW an der Definition eines Global Clients, also der Standardisierung der Desktops und Notebooks. Da liegen wir momentan noch weit auseinander. Wir arbeiten uns Stufe für Stufe hoch und bauen einen gemeinsamen Service auf. Wie kann ein gemeinsames Office-Paket aussehen? Wie erreichen wir ein gemeinsames Lizenz-Management? Erst einmal testen wir das zwischen Audi und VW aus. Wenn das Modell belastbar ist, weiten wir es auf andere Standorte und Marken aus.

Straub: Wir müssen unsere Mitarbeiter dort fokussieren, wo wir echte Wettbewerbsvorteile für die Markengruppe Audi erzielen und Innovationen schaffen können.

CIO: Welche Bereiche sind das?

Straub: Das kann das Thema ITIL sein. Vor zwei Jahren haben wir damit punktuell begonnen, seit zwei Monaten läuft nun ein großes ITIL-Projekt. Das Ziel: die Definition konzernweit einheitlicher IT-Services. Mitte nächsten Jahres wollen wir das Projekt zum Großteil abgeschlossen haben. Andere Themen, auf die wir uns als IT konzentrieren, sind Architektur, Standardisierung und Projektmanagement. Dafür brauchen Sie intern eine starke Mannschaft.

Jung: Durch die Globalisierung entstehen innerhalb der Serviceorganisation ganz neue Anforderungen, was notwendige Kernkompetenzen betrifft. Den Bedarf decken wir zum Großteil durch eine Requalifizierung jener Mitarbeiter, die bisher auf IT-Service Commodity-Themen gearbeitet haben. Solche Commodities kaufen wir in Zukunft konsequent am externen Markt ein.

Straub: Wir gehen weg vom technisch orientierten Ansatz, hin zu einer Perspektive, die Prozesse, Organisation und Applikationen in den Mittelpunkt der CIO Aktivitäten rückt. Die klassische IT, die IT-Services, sind ein Teil dieser neuen IT-Rolle, aber nicht mehr der Schwerpunkt. In der IT ist eine neue Epoche angebrochen. Und die wollen wir gemeinsam proaktiv gestalten.