Wenn er Elektrizität wirklich verstanden hätte, soll Alexander Graham Bell einmal gesagt haben, hätte er sich wohl nie ans Tüfteln gesetzt. So aber machte sich der Erfinder, der am Dienstag (2. August) vor 100 Jahren starb, ans Werk - und reichte am 14. Februar 1876 in den USA den Antrag auf das Patent mit der Nummer 174 465 ein, für die "Methode und den Apparat für die telegrafische Übermittlung von gesprochenen und anderen Geräuschen, durch das Hervorrufen elektronischer Wellenbewegungen, ähnlich den Vibrationen geräuschbegleitender Luft", das Telefon.
Vorarbeit hatte unter anderem der hessische Tüftler Johann Philipp Reis geleistet, der schon 1861 der Physikalischen Gesellschaft in Frankfurt einen Fernsprecher präsentierte. Der spontan ausgedachte Fantasie-Satz "Das Pferd frisst keinen Gurkensalat" soll bei einer der ersten Vorstellungen durch den Apparat geschickt worden sein. Aber das Gerät funktionierte nur in eine Richtung - antworten ging nicht.
Bell und sein Mitarbeiter Thomas Watson versuchten einen anderen Weg: Mittels einer Membrane verwandelten sie Schallwellen in elektrische Spannungsschwankungen und schickten diese durch eine elektrische Leitung, an deren Ende sie wieder in Schall umgewandelt wurden. Am 2. Juni 1875 gelang es ihnen erstmals, einen Ton elektrisch zu übertragen. Fast ein Jahr später soll Watson dann in seinem Arbeitszimmer den ersten Satz gehört haben, der mittels eines Telefons übertragen wurde: "Watson, kommen Sie hierher, ich brauche Sie."
Mit Sprache und Kommunikation hatte sich der am 3. März 1847 im schottischen Edinburgh geborene Bell schon zuvor viel beschäftigt. Sein Vater war Spracherzieher und Lehrer für Gehörlose, und auch der Sohn nahm schon als 16-Jähriger eine Stelle als Sprachlehrer an einem Internat an. Einige Jahre zuvor war die Familie in die USA ausgewandert. Zwei Brüder von Bell waren an Tuberkulose gestorben, und die Familie hoffte, auf der anderen Seite des Atlantiks ein gesünderes Klima vorzufinden. Bell eröffnete bald eine eigene Sprachschule und wurde dann Professor für Sprachphysiologie und Sprachlehre an der Universität Boston.
Telefon fand anfangs wenig Beachtung
Die bahnbrechende Erfindung des Pioniers der modernen Kommunikation fand erstmal wenig Beachtung. Selbst auf der Weltausstellung im gleichen Jahr in Philadelphia blieb der Apparat, den man abwechselnd an Mund und Ohr halten musste, weitgehend unbemerkt. Aber Bell arbeitete immer weiter an der Verbesserung seines Telefons. Mit Hilfe gemieteter Telegrafenleitungen konnte er Ende 1876 schon über eine Entfernung von mehr als 200 Kilometer mit seinem Assistenten Watson sprechen.
Das Interesse folgte. Im April 1877 ließ sich ein Geschäftsmann in der US-Ostküstenmetropole Boston eine ständige Telefonverbindung zwischen seinem Haus und seinem Geschäft einrichten. Im Juli 1877 gründete Bell gemeinsam mit Unterstützern eine nach ihm benannte Telefongesellschaft - die "Bell Telephone Company", die in veränderter Form noch heute als Telekommunikationskonzern "American Telephone and Telegraph Company" (AT&T) existiert. Nach nur drei Wochen vermietete das Unternehmen bereits 25 neue Telefone pro Tag.
Eines der ersten öffentlichen Fernsprechnetze entstand 1881 in Berlin mit 48 Teilnehmern. Mittels Kurbel wurde die Verbindung zur Vermittlungsstelle hergestellt. Das Telefon ließ Raum und Zeit vermeintlich zusammenschmelzen, brachte Stimmen der Menschen zusammen, die weit voneinander getrennt waren, hielt Einzug in Film, Theater und Musik und wurde immer mehr zu einem kulturhistorischen Gut.
Es blieb aber zunächst auch ein Luxusgut - und stieß auf Skepsis. Das "Buch der Narren" wurde das ganz frühe Telefonverzeichnis genannt, das 1881 in Berlin erschien. "Jetzt versuchen wir seit Ewigkeiten, unsere Nachbarn zum Schweigen zu bringen, und jetzt kommt ihr und macht alles noch viel schwieriger", soll der US-Schriftsteller Mark Twain, einer der ersten Telefonbesitzer der Stadt Hartford, kommentiert haben.
Bell forschte, finanziert von den Erlösen seiner Telefon-Firma, unterdessen weiter - unter anderem an Flugzeugen. Er heiratete eine ehemalige Schülerin und zog mit ihr in die kanadische Atlantikprovinz Nova Scotia, wo er am 1. August 1922 im Alter von 75 Jahren starb. Ihm zu Ehren wurde in den USA damals eine Minute lang jeglicher Telefonbetrieb unterbrochen. (dpa/ad)