Klar, Sicherheit ist für CIO Michael Neff wichtig. „Aber wir haben auch Mut“, sagt er. Im Sommer wird sich zeigen, ob der Mut belohnt wird: Dann will der Heidelberger Druckmaschinenhersteller weltweit neue Rechner mit Microsoft Vista Enterprise und Office 2007 ausrollen. Dabei wäre ein routinemäßiger Release-Wechsel erst 2009 wieder an der Reihe.'
Dagegen laufen Mitte 2007 die Leasingverträge für die rund 12 000 PCs in Nordamerika und Europa aus. Die IT musste also entscheiden, ob sie nur die Hardware tauschen und bei Windows XP bleiben oder gleich das komplette System aufrüsten sollte. „Der Business-Case ergab, dass wir etwa 750 000 Euro sparen, wenn wir beim Hardwareaustausch gleichzeitig auf Vista wechseln“, sagt Neff. Wichtig ist für Neff, dass es nicht um die Einführung von Vista geht: „Man muss das gesamte Paket der neuen Arbeitsumgebung mit Rechner, Betriebssystem und Office/Exchange sowie Heidelberg-Anwendungen sehen.“
Bei der Hardware entschied sich die IT nach einer Ausschreibung im Januar für Rechner von Dell. Der texanische Anbieter lieferte schon zuvor die Rechner für Heidelberger Druckmaschinen. Umstritten bei der Hardwareausstattung ist vor allem, wie viel Arbeitsspeicher (RAM) Vista und Office 2007 brauchen. „Nach unserer Erfahrung könnte man Rechner mit einem Gigabyte RAM nutzen. Das hängt aber stark von den weiteren Anwendungen ab. Wir werden deshalb zwei Gigabyte einbauen“, sagt Axel Junghans, Leiter Global Distributed Environment und Leiter des Projekts „Heidelberg Client“. Alte Rechner, die nicht ausgetauscht werden, will die IT höchstens in Ausnahmen aufrüsten.
500 Anwendungen im Vista-Test
Wesentlich spannender stellt sich die Migration der Unternehmensanwendungen auf das neue Betriebssystem dar. Mehr als 500 Anwendungen müssen künftig auf der Vista-Plattform laufen. „Wir kommen auf eine solche Anzahl, weil wir Industrie-untypisch Embedded-Software in den Druckmaschinen und klassische IT als eine Welt betrachten“, erklärt Neff.
Zu den rund 500 Programmen gehören ein Kern von 20 Anwendungen sowie 200 globale Standardanwendungen und 300 landesspezifische Standardprogramme. Bei einem Teil der Anwendungen handelt es sich um wichtige Tools, mit denen Servicetechniker weltweit an den Druckmaschinen der Kunden arbeiten. „Seit Mitte 2006 evaluieren wir mit einem Tool von Microsoft die Programme und bringen sie, wo nötig, auf ein Release-fähiges Niveau“, berichtet Junghans.
Dabei stellte sich heraus: „70 Prozent der Anwendungen liefen ohne Anpassungen sofort auf Vista“, sagt Junghans. „Wir waren sehr überrascht. Wir hatten befürchtet, dass es viel schlimmer aussieht“, sagt Junghans. Die restlichen 30 Prozent teilten sich wiederum in zwei Gruppen auf. Bei 20 Prozent funktionierten beispielsweise die Benutzerrechte anders, oder Programmteile mussten für Vista an anderer Stelle installiert werden. „Mit kleinen Anpassungen konnten wir diese Anwendungen innerhalb von ein bis zwei Tagen Release-fähig machen“, sagt der Projektleiter.
Vorteile und Neuerungen
Schließlich erwiesen sich zehn Prozent als hartnäckige Fälle. Dabei handelte es sich teils um ältere Software, die sich nicht mehr anpassen ließ. „Um sie noch die letzten Jahre vor dem Abschalten laufen zu lassen, nutzen wir die Virtual-PC-Technologie von Microsoft“, erklärt Junghans. Mussten Anwender bislang Virtual- PC kaufen, so ist die Virtualisierungssoftware jetzt als Standard im Vista-Paket enthalten.
Zu einem weiteren wichtigen Vorteil zählt für CIO Neff, dass sich die Komplexität reduziert. Dazu gehört für ihn vor allem das erweiterte Multi-Language-User-Interface, das alle Sprachen unterstützt. Heidelberg setzt weltweit einen einheitlichen Client ein und ist beim Ausrollen neuer Anwendungen in China, Korea und Japan darauf angewiesen, dass auch immer die jeweilige Landessprache verfügbar ist.
Auch bei der Sicherheit sehen Junghans und Neff erhebliche Verbesserungen. So bietet Vista ein neues Konzept für Anwenderberechtigungen. Mitarbeiter müssen sich umgewöhnen, werden aber dafür viel stärker in Sicherheitsthemen eingebunden. Laut Neff erlauben es mitgelieferte Verschlüsselungsmöglichkeiten von Daten auf der Festplatte den Unternehmen, günstig in das Thema Sicherheit einzusteigen. Darüber hinaus soll das neue Mobile-Center die Anbindung der weltweit rund 2000 mit PDAs ausgestatteten Servicetechniker erleichtern. Die neuen grafischen Oberflächen der Office-Programme bedeuten zwar zunächst Schulungen für die Mitarbeiter, doch würden die vielen neuen Features wie Suche und übersichtliche Anordnung häufig benutzter Funktionen die Produktivität erhöhen.
Um einen reibungslosen Release-Wechsel hinzubekommen, arbeitet Neff sehr eng mit Anbietern und Dienstleistern zusammen. „Heidelberger Druckmaschinen hat mit 15 000 Systemen an sich keine herausgehobene Bedeutung für Anbieter wie Microsoft“, sagt Neff. Früher interessierte man sich dort erst für Unternehmen ab 60 000 Seats, weiß er aus Erfahrung.
„Das besondere Interesse von Microsoft liegt darin, dass wir Vista und Office 2007 mit Exchange weltweit ausrollen werden. „Wenn man erst einmal beim Top-Management eines großen Anbieters war, dann findet man plötzlich Zugang zu den Experten“, sagt Neff. Die Mitarbeiter dort interessiert dann nicht mehr nur die Größe des Anwenders, sondern auch der Erfahrungsaustausch. Über seine Erfahrungen des Big Bang will Neff im Herbst berichten – ganz mutig.