Immer mehr Unternehmen setzen Balanced-Scorecard (BSC)-Lösungen ein. In den letzten zehn Jahren hat sich das strategieorientierte Zielsystem weltweit etabliert. Über ein Viertel der DAX-100-Unternehmen nutzen die Ba-lanced Scorecard. Nicht ohne Grund: Unternehmen, die mit der BSC arbeiten, sind nach eigenen Angaben erfolgreicher als ihre Wettbewerber, so das Ergebnis der dritten Studie der Stuttgarter BSC-Spezialisten Horváth & Partners. Für die Befragung wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres 120 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz interviewt, die die Managementmethode nutzen.
Viele Unternehmen setzen die BSC in einem ersten Schritt meistens schnell und unkompliziert mit Excel um. Laut der aktuellen Studie nutzen über 70 Prozent der Teilnehmer das Tabellenkalkulationsprogramm Excel für die technische Umsetzung der Balanced Scorecard. "Meistens keine ideale Ausgangsbasis für eine professionelle Anwendung des Konzepts, selten eine langfristig geeignete Lösung", lautet der Kommentar von Gordon Poppe, leitender Berater bei Horváth & Partners.
"Es ist zwar das am meisten eingesetzte Tool, hat aber gleichzeitig die unzufriedensten Anwender. Das heißt, die Anwender sind sich über die Grenzen im Klaren", sagt auch Carsten Bange, Geschäftsführer des Würzburger BARC-Instituts und Autor der Studie "Software im Vergleich: BSC. 20 Werkzeuge für das Performance Management". Der Grund: "Excel ist schon da und wird in den Controlling- und Finanzabteilungen sowieso genutzt - die Mitarbeiter können damit umgehen. Deshalb ist es das Werkzeug des geringsten Widerstandes", sagt Bange. Der Einsatz von Excel könne jedoch nur der Anfang sein.
Nicht jedem jedoch will der BARC-Geschäftsführer den Gebrauch von Excel-Sheets ausreden: "Wenn sich fünf Vorstände treffen, um ihre Vision und Strategie auf einige konkret messbare Kennzahlen herunterzubrechen, können sie das auch mit einem Excel-basierten Werkzeug realisieren." Je größer und komplexer eine Lösung jedoch werde, desto größer auch die Nachteile und desto höher die Kosten im Betrieb. BSC-Experte Poppe stimmt zu: "Die Abbildung von Scorecards mit Excel kann für kleinere Unternehmen oder Anwendungen wie Pilotbereiche durchaus Sinn machen, stößt darüber hinaus jedoch schnell an seine Grenzen."
Eingeschränkte Funktionen mit Excel
Beim Excel-Einsatz im BSC-Alltag zeigen sich die Defizite: "Wichtige Funktionen zur Integration und Konsistenzsicherung der Kennzahlen sowie Dokumentation und Darstellungsmöglichkeiten von Maßnahmen und Strategiekarten fehlen", so Bange. Jede Tabelle fungiert gleichsam als eine eigene Datenbank, jeder Wert ist in einer Zelle fest verankert, Verweise sind kompliziert. Weil einzelne Daten mehrfach auftauchen, kommt es leicht zu Inkonsistenzen, so BARC. Auch die Möglichkeiten der Zusammenarbeit verschiedener Mitarbeiter sind eingeschränkt.
Von Excels Beschränkungen weiß auch Markus Huber, Leiter Strategisches Controlling bei T-Online, zu berichten: "Wir haben Ende 2001 mit Excel begonnen und dann gemerkt, dass es für unsere Belange nicht ausreicht." Es folgte eine individuelle Lösung. "Doch das war uns nicht flexibel genug und bei Änderungen mit zu viel Programmieraufwand verbunden, so Huber. Seit 2004 arbeitet er nun mit einem Standard-Tool.
Viele BSC-Tools, wenige Anwender
T-Online ist damit unter den deutschen Firmen eher die Ausnahme: Zwar haben die großen Anbieter kommerzieller Business-Intelligence-Software in den letzten Jahren Millionen in die Entwicklung von Tools zur Unterstützung der BSC investiert, und der Markt für BSC-Software-Produkte wächst stetig. Aber es gibt kaum Anwender dafür. Bange: "Die Durchdringung mit Standardwerkzeugen im BSC-Umfeld ist erstaunlich gering. Selbst große Anbieter mit mehreren hundert Installationen haben in Deutschland nur fünf bis zehn ernst zu nehmende Kunden." Ein spezialisiertes Tool sei jedoch sinnvoll, wenn es zahlreiche Kennzahlen oder viele Beteiligte gebe und Spezialfunktionen gebraucht würden. Etwa für die Visualisierung von Ursache-Wirkungs-Ketten oder die Kennzahlen-Analyse.
50 verschiedene Anbieter nennt die BARC-Studie, 20 davon listet sie nach einem umfangreichen Kriterienkatalog vergleichend auf. Die BI-Werkzeuge verfügen über zahlreiche Funktionen, die Excel nicht kennt, etwa zur Validierung und Datenqualität, für die Erfassung und automatisierte Fortschreibung von Planzahlen oder die Darstellung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. Jedoch setzen die Unternehmen sie kaum ein, sondern bleiben stattdessen nach den ersten Gehversuchen mit Excel als Provisorium bei Microsofts Tabellenkalkulationssoftware hängen.
IT-Unterstützung für BSC: mangelhaft
Die "Balanced-Scorecard-Studie 2005" von Horváth & Partners kommt deswegen zu dem Schluss: "Zu den größten Schwächen der praktischen BSC-Anwendung gehört weiterhin die mangelnde IT-technische Unterstützung des Konzepts." Berater Poppe warnt: "Wenn keine Software den unternehmensspezifischen BSC-Berichtsprozess unterstützt, verwässert die strukturierte Umsetzung der Unternehmensstrategie."
Die mangelnde Akzeptanz, BSC-spezialisierte Software einzusetzen, hat einen Grund: Die richtige Auswahl ist nicht einfach. "Die unterschiedlichen Leistungsmerkmale der Produkte sind sehr undurchsichtig", warnt BARC in seiner Studie. Das heterogene Angebot erklärt sich auch durch die Herkunft der Hersteller. "Einige sind Spezialisten, die nichts anderes machen. Für andere ist das nur eine Form der Visualisierung von Daten", sagt Bange. "Zwischen diesen Polen positionieren sich die Anbieter."
Individueller Anforderungskatalog nötig
Auch ohne den Einsatz teurer Software setzt die Einführung einer Balanced Scorecard eine gewisse Anfangsfinanzierung voraus. Die Wahl einer falschen Anwendung könne unnötig zusätzliches Geld kosten und dazu führen, dass das System nicht genutzt werde oder dass die gewünschten Veränderungen nicht einträten. "Ein untaugliches Tool wird nicht akzeptiert. Wichtig ist deswegen eine strukturierte Auswahl nach einem individuellen Anforderungskatalog. Der BSC-Berichtsprozess bildet dafür die Basis", sagt Poppe.
Unternehmen haben nicht nur unterschiedliche fachliche Anforderungen, sondern auch verschiedene IT-Infrastrukturen, die es bei der Einführung eines IT-Tools für BSC zu berücksichtigen gilt. Bange: "Meistens gibt es Restriktionen durch die Fachanwender und die IT-Landschaft. Welche Datenbanken und Schnittstellen sind vorhanden, welche Standards schon etabliert?"
Natürlich darf über allen Softwarefragen nicht vergessen werden, dass bei der Einführung einer Balanced Scorecard die Hauptaufgabe in der inhaltlichen Arbeit besteht. Wenn ein Unternehmen noch keine Scorecard habe, sei es der falsche Weg, mit dem IT-Tool zu beginnen, so Poppe. Viel wichtiger sei es zu überlegen, wie die strategischen Ziele, Kennzahlen und Berichtsprozesse lauten. "Die Entscheidung, eine BSC als Stand-alone-Tool oder als integrierte Corporate-Performance-Management-Lösung aufzusetzen, hat großen Einfluss auf die Softwareauswahl."
Bei der Umsetzung mit IT-Werkzeugen kommt es darauf an, wie umfassend ein Unternehmen BSC lebt. "Viele Firmen wollen nur eine Darstellung von bestimmten Kernkennzahlen, ein Cockpit oder Dashboard. Das ist nur eine andere Form des Reportings. Dafür braucht man keine speziellen BSC-Werkzeuge", sagt Bange.