Alles schien Routine zu sein. Die Projektleiterin einer renommierten Beratungsfirma steckte die Präsentation für den Kunden in einen Umschlag und ließ ihn verschicken. Dachte sie. Tatsächlich ging jedoch die interne Akte über den Kunden raus - voll mit handschriftlichen Notizen und vertraulichen Daten. Ihren Fehler bemerkte die Projektleiterin erst, als der Empfänger der Post anrief, über so viel Unprofessionalität schimpfte und den Auftrag stornieren wollte.
Ein kleiner Fehler, wie er jedem passieren kann. Der aber schnell das Geschäft, die Anerkennung in der Firma oder den nächsten Karriereschritt kostet.
Was der einen die falsche Postsendung, ist dem anderen der auf die Hose des Tischnachbarn verschüttete Rotwein. Mancher zeigt während seiner Präsentation die falschen Schaubilder, ein anderer verwechselt den chinesischen Geschäftspartner mit dem Kellner.
Er lauert überall im Geschäftsleben: der Fettnapf. Früher stand er am Ofen des Bauernhauses. Mit seinem Inhalt wurden Schuhe eingefettet, und der unaufmerksame Gast trat schlimmstenfalls hinein.
Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von Manager-Magazin.de.
Heute steht der Fettnapf in den Büros weltweit. Weil die Hierarchien in den Unternehmen abgebaut wurden und der einzelne Manager viel früher Verantwortung übernimmt und damit die Chance bekommt, sich zu blamieren. Und weil die Globalisierung für einen steten Zuwachs an interkulturellen Missverständnissen sorgt.
"Manager treten heute öfter in Fettnäpfe als noch vor zehn Jahren. Sie vergessen, dass mit steigender individueller Verantwortung auch das Risiko für Peinlichkeiten wächst", sagt Reiner Neumann, langjähriger Personaler und inzwischen als Trainer mit den alltäglichen Fehlern konfrontiert.
Projektleiter mit Parkettsicherheit
Wie aber lassen sich die schlimmsten Patzer vermeiden? Und wie bewahrt man Haltung, wenn doch einmal etwas schiefgegangen ist?
Sicher ist: Es bleibt Managern immer weniger Zeit, pannenfeste Souveränität zu erlernen. "Heute erwartet man von Projektleitern eine Parkettsicherheit, die früher noch nicht einmal Bereichsleiter hatten", sagt Alexander Ross, Kommunikationswissenschaftler und Co-Autor des demnächst erscheinenden Buchs "Fettnapf-Slalom für Manager".
Dem einzelnen Mitarbeiter wird immer mehr aufgebürdet, dadurch vergrößert sich auch die Fallhöhe: Toll, wenn ich meine Arbeitsergebnisse dem Vorstand präsentieren darf. Dumm, wenn ich jetzt etwas falsch mache.
Auch durch den Wandel der Wirtschaftseliten steigt das Risiko: Frauen in Führungspositionen und die Internationalisierung stellen ganz neue Anforderungen an die Political Correctness.
Die neue Arbeitswelt überfordert bisweilen auch Profis wie den neuen VW-Chef Martin Winterkorn: Bei der Vorstellung des neuen Audi R8 in den USA machte er eine Testfahrt mit einer Journalistin des Wirtschaftsmagazins "Fortune". Er fuhr, sie fragte, warum er das Auto so toll finde. "Weil alle es fahren können", sagte Winterkorn. "Sogar eine Frau." Die Dame kommentierte hinterher lakonisch: Wenn VW ernsthaft Geschäfte in den USA machen wolle, müsse sich noch einiges ändern. Zum Beispiel die Haltung Frauen gegenüber.
So fatal es sein kann, in Nordamerika Frauen zu diskriminieren, so fatal kann es für deutsche Frauen sein, in anderen Kulturkreisen allzu dominant aufzutreten. Wie eine weltweit bislang sehr erfolgreiche Vertriebsmanagerin, die in Asien fast verzweifelte: Ihre Verhandlungspartner sprachen nicht mit ihr, sondern lieber mit ihren untergeordneten männlichen Kollegen.
Fettnäpfchen im interkulturellen Bereich
Erst im Gespräch mit einem interkulturellen Coach erkannte die Frau die Ursache. Es war ihr Auftreten: Sehr modebewusst, harte Farben, rote Fingernägel und Schuhe, autoritäre Stimme. Für die Asiaten ist eine solche Frau äußerst peinlich. Um der Situation zu entkommen, umgingen sie den Gast.
"Interkulturelle Fettnäpfchen bemerkt man oft gar nicht, sondern wundert sich nur, warum ein internationales Geschäft einfach nicht läuft." Das sagt Béatrice Hecht-El Minshawi, Chefin des Beratungsunternehmens Interkultur. "Meist erkennt man erst hinterher mit einer Fachperson, wo der Fehler lag. "
Nicht alle Fehler lassen sich mithilfe von Coachs korrigieren. Doch selbst wenn ein Fauxpas passiert, ist nicht alles verloren. Dann heißt es vor allem: cool bleiben. Wer selbst in der unmöglichsten Situation halbwegs souverän ist, kann die Lage retten. Und im Idealfall bleibt am Ende die gekonnte Reaktion in Erinnerung und nicht die vorangegangene Panne.
Einfaches Beispiel: Ein Manager kippt während eines Geschäftsessens seinem Tischnachbarn Rotwein über die Hose. Unangenehm, aber wenn er jetzt aufschreit, hochspringt und zehnmal betont, wie leid ihm das tut, dem anderen den Schoß abtupft und die Umsitzenden auch noch um deren Servietten bittet, dann ist das absolut unangemessen und peinlich - für alle.
In diesem Fall wäre passend gewesen: Akzeptieren, dass es geschehen ist, sich diskret entschuldigen, Hilfe anbieten, Reinigung und ein Taxi zahlen. Falls der andere sehr leidet, am Tag darauf Blumen schicken (keinen Wein). Basta. "Angemessen heißt, das Gesicht zu wahren: sowohl das des anderen als auch das eigene. Bewahren Sie Haltung, es war ein Versehen", sagt Inken Risse, Führungskräfte- und Benimm-Coach.
Die Projektleiterin, die die falsche Mappe versendet hatte, machte den Schaden wieder gut mit einer gewagten Finte: Sie erklärte dem Kunden, dass das Versenden der internen Files Teil ihrer Qualitätskontrolle sei. Ihre Arbeit solle transparent sein für den Kunden, deshalb bekomme er auch Einblick in Telefonnotizen. Die Präsentation schicke sie selbstverständlich hinterher. Geschäft und Ruf: noch einmal gerettet.
Mit Schlagfertigkeit und Selbstironie punkten
Und Glück gehabt, dass der Kunde keine allzu detaillierten Nachfragen gestellt hat. Denn Notlügen und Witze werden schnell zu verhängnisvollen Helfern. "In einer peinlichen Situation sind die Leute doppelt sensibel. Schlagfertigkeit ist gut, Selbstironie auch, aber nie sarkastisch werden", sagt Heidemarie Müller, langjährige Protokollchefin der Saarländischen Landesregierung.
Wie man es richtig macht, zeigte Bayer-Chef Werner Wenning. Während eines Treffens mit anderen Dax-CEOs und mit McKinsey-Chef Frank Mattern an einem Samstagnachmittag klingelte sein Handy. Schweigen. Alle schauten irritiert. Wenning holte sein Telefon aus der Tasche, blickte kurz drauf und sagte nur: "Bayern München gegen Wolfsburg 2:1." Und erntete schallendes Gelächter.
Heikel wird es, wenn jemand seinen Fauxpas gar nicht bemerkt. Darauf hinweisen sollte man den anderen nur, wenn der an seinem Ungeschick etwas ändern kann. Sprich: Mohn zwischen den Zähnen oder eine offene Hose darf man diskret erwähnen. Kann der Unglückliche aber selbst gar nichts mehr an seinem Versehen ändern, hilft nur eines: Komplett ignorieren. "Auf keinen Fall thematisieren oder, noch schlimmer, pädagogisch wirken wollen", so Managementcoach Risse. Selbst wenn der Gast soeben das Wasser aus der Handschale trinkt.
So reagierte eine Unternehmensberaterin in Hamburg auch völlig richtig, als sie zufällig ein pikantes Detail aus dem Liebesleben ihres Vorgesetzten mitbekam: Für eine Präsentation hatte der Chef seinen Laptop an ihren Bildschirm angeschlossen, das aber anschließend vergessen und seelenruhig seine E-Mails gelesen. Die Beraterin am Bildschirm gegenüber allerdings unfreiwillig auch und so in recht expliziten Worten erfahren, dass der Chef mit einer anderen Führungskraft ein Verhältnis hatte - beide waren übrigens verheiratet.
Die Mitarbeiterin blieb still. Nach etwa 30 Sekunden riss der Chef das Kabel aus dem Rechner. Beide arbeiteten schweigend weiter.