"IT hat mit Commodity-Themen keine Überlebenschancen"

VW-CIO Mühleck:"Wir sind bei den Budgetkürzungen am Anschlag"

04.08.2005 von Thomas Zeller
Als Klaus-Hardy Mühleck seinen neuen Job als Konzern-CIO bei Volkswagen antrat, war klar, dass er die IT im Unternehmen verändern würde. Die Auswirkungen merken seit dem 1. Juli 2005 alle 2.500 IT-Mitarbeiter des Unternehmens: Ab diesem Zeitpunkt verfügt Volkswagen über eine komplett neue CIO-Organisation. CIO-Online sprach mit dem Manager über neue Strukturen und ehrgeizige Projekte.

CIO: Sie sind zum 1. Oktober 2004 als Konzern-CIO bei VW angetreten. Was haben Sie seitdem erreicht?

Mühleck: Mein erstes großes Projekt war die Weiterentwicklung der IT-Organisation im Rahmen des Prozess-Managements. Stellen Sie sich das als Transformationsprogramm für die gesamte VW-IT vor. Ich habe eine komplett neue Struktur mit zentralen und dezentralen, markenübergreifenden Querschnittsfunktionen aufgesetzt. Daneben haben wir vier CIOs installiert: für die Markengruppen Volkswagen, Audi, Financial Services und – seit 1. Juli 2005 – für den Raum Asia Pacific.

CIO: Warum ist diese Position markenübergreifend aufgestellt?

Mühleck: Die Joint Ventures in diesem Raum, vor allem in China, sind Mehrmarken-Partnerschaften. Sie enthalten beispielsweise Kooperationen mit Audi, VW und der Nutzfahrzeugsparte. Die Geschäftsmodelle in dieser Region unterscheiden sich damit deutlich von unserer bisherigen Standortpolitik.

CIO: Ist der markenübergreifende CIO auch in anderen Regionen denkbar?

Mühleck: Denkbar wäre so ein Modell auch für Nord- und Südamerika. Wir sind hier allerdings mit IT-Management-Funktionen und Gedas bereits stark vertreten. Durch diese IT-Präsenz ist der Handlungsdruck deshalb nicht so hoch wie in Asien.

CIO: Sie haben zum 1. Juli eine neue Matrix in Betrieb genommen. Matrizen haben normalerweise den Ruf sehr schwierig kontrollierbar zu sein. Welche Vorteile bringt Ihnen die neue IT-Organisation?

Mühleck: Ich weiß sehr wohl, dass wir mit reinen Commodity-Themen als IT bei VW nur geringe Überlebenschancen haben. Die neue CIO-Organisation muss deshalb einen Mehrwert schaffen. Das schaffen wir beispielsweise, indem wir künftig viel Beratungsarbeit inhouse leisten werden. Damit gehen wir in Aufgaben hinein, die in der Vergangenheit viele Externe geleistet haben. Wir müssen dieses Know-how im Unternehmen behalten. Potenzial besteht auch bei der Vernetzung der unterschiedlichen Bereiche oder bei den IT-gestützten Produktionsprozessen. Hier lässt sich viel Geld einsparen.

Strukturen und Kosten

CIO: Welche konkreten Kostenziele haben Sie für die neue Organisation bekommen?

Mühleck: Keine über die bereits definierten Programme hinaus. Wir müssen allerdings die Prozesse innerhalb der Organisation deutlich beschleunigen.

CIO: Der VW-Konzern legt zurzeit ein Sparprogramm nach dem nächsten auf. Welche Opfer muss dabei die IT bringen?

Mühleck: For Motion und das Nachfolgeprogramm For Motion Plus sind für die IT ein Nullsummenspiel. Wir haben bereits extrem niedrige IT-Kosten und sind Branchenbenchmark. Unser IT-Budget beträgt zurzeit etwa 1,2 Prozent des Gesamtumsatzes. Wir liegen damit weit vor der Konkurrenz.

CIO: Bei Audi lagen die IT-Kosten bei 0,8 Prozent des Gesamtumsatzes. Wollen Sie diesen Wert auch bei VW erreichen?

Mühleck: Sie dürfen Audi nicht mit einem Großkonzern wie VW vergleichen. In meinem Budget laufen beispielsweise die Kosten für alle internationalen Gesellschaften und den Bereich Financial Services mit ein.

Budget-Kontrolle

CIO: Was heißt das konkret für die Entwicklung Ihres IT-Budgets?

Mühleck: Unser Budget-Bedarf wird insgesamt nicht weiter sinken. Wir sind hier am Anschlag. Allerdings gibt es durchaus noch Optimierungspotenzial bei der IT. So beschaffen wir unsere Hardware künftig nur noch über On-demand-Modelle, die bisherigen Investmodelle laufen aus. Die Einsparungen, die wir dadurch realisieren, verschwinden jedoch nicht aus dem Budget, sondern werden wieder investiert. Weiteres Potenzial sehe ich beispielsweise in Application-Service-Providing-Angeboten für den Raum Asia Pacific.

CIO: Für Ihre Reinvest-Strategie benötigen Sie mindestens einen Sponsoren im Vorstand. Wer übernimmt bei VW diesen Part?

Mühleck: Ich sehe nicht ein einzelnes Vorstandsmitglied als den Sponsoren der IT, sondern den gesamten Vorstand. Bei VW wird die IT voll mit einem wettbewerbsdifferenzierten Ansatz anerkannt. Die Bedeutung dieses Bereiches erkennen Sie zudem daran, dass ich seit dem 1. Juli 2005 Mitglied der Konzernleitung bin. Eine solche Positionierung der CIO-Rolle gibt es bisher in noch keinem Autokonzern.

CIO: Sie haben vor gut einem Jahr angekündigt die Individualisierung im Client-Bereich zurückfahren zu wollen. Wie weit sind dabei gekommen?

Mühleck: Wir sind bei unserem Client-Projekt in der Ausplanungsphase. Wir haben mit externen Partnern die Software der Clients im Office-Bereich vereinheitlicht. Das rollen wir jetzt aus. Was wir bei aller Standardisierung jedoch nicht tun werden: Bei VW werden wir keinen Einheitsbrei über alle ausschütten. Stattdessen muss die IT auf die Bedürfnisse der regionalen Gesellschaften eingehen. Wir haben uns bei diesem Projekt bereits für einen Hardware-Partner entschieden, der muss aber nicht gleichzeitig auch unser weltweiter Service-Partner werden. Bei den Services müssen wir regional spezifisch agieren.

Projekt-Planung

CIO: Welche weiteren Projekte wollen Sie in nächster Zeit vorantreiben?

Mühleck: Unter anderem wollen wir unsere Webportal-Welten harmonisieren und die Treasury-Plattformen für SAP weltweit konsolidieren. Zusätzlich setzen wir auf ein Programm mit dem Namen "IT-Strategie 2015". Darunter verstehen die Standardisierung und Harmonisierung der kompletten IT-Landschaften im Konzern. Ein weiteres Großprojekt ist die Einführung der nächsten Generation der Fertigungs- und Steuerungs-Plattformen (FIS). Hier denken wir beispielsweise darüber nach, die Systeme mit anderen Autokonzernen gemeinsam zu entwickeln.

CIO: Wie könnte eine solche Zusammenarbeit aussehen?

Mühleck: Bei unseren Host- und Gewerke-Systemen kaufen wir die Produkte direkt am Markt ein. Das geht auch bei den FIS-Systemen. Wir reden bereits mit anderen Unternehmen über gemeinsame Moduldefinitionen. Der Einsatz erfolgt dann natürlich customized. Bisher liegen die Entwicklungskosten für diese Landschaften zwischen 20 und 40 Millionen Euro. Hinzu kommen noch die Roll-out-Kosten. Durch Kooperationen erwarte ich Einsparungen zwischen 30 und 40 Prozent. Anbieter wie HP und IBM sind bereits mit entsprechenden Angeboten auf uns zugekommen.

Gedas als verlängerte Werkbank

CIO: Über Ihre IT-Tochter Gedas gibt es immer wieder Verkaufsgerüchte. Was ist an diesen Aussagen dran?

Mühleck: Unsere IT-Strategie beinhaltet eine neue CIO-Organisation. Gedas ist in dieser Strategie ein wichtiger Bestandteil. Wir brauchen den Dienstleister als verlängerte Werkbank.

CIO: Die verschiedenen Anbieter im IT-Services-Markt agieren immer aggressiver. Gewinne werden hauptsächlich über Skaleneffekte generiert. Ist Gedas da nicht zu klein?

Mühleck: Wenn wir den gesamten IT-Services-Markt betrachten, stimmt diese Aussage. Allerdings ist Gedas sehr stark in den Bereichen Automobil- und Fertigungsindustrie - obwohl sie durch unsere Kostensparprogramme an internen Umsatz eingebüßt hat.

CIO: BMW setzt bei seiner IT-Tochter Softlab auf Akquisitionen. Wie sieht bei Gedas die Wachstumsstrategie aus?

Mühleck: Gedas soll vor allem organisch wachsen. Deshalb sind zurzeit keine Zukäufe geplant. Allerdings stehen bei uns im Konzern alle Strategien ständig auf dem Prüfstand. Bisher ist hier noch keine Entscheidung in die eine oder andere Richtung getroffen worden.