Finanzdienstleister

Wachsen - on demand

04.07.2005 von Johannes Klostermeier
Durch das rasante Wachstum vieler Unternehmen und aufgrund der ständig neuen Produkte muss die IT bei Finanzdienstleistern flexibler reagieren denn je - quasi auf Zuruf die Wünsche der Geschäftsbereiche befriedigen. Innovative Technologien dürfen jedoch nicht viel kosten.

Die Bedeutung der IT für den Kundenservice wächst in den nächsten Jahren enorm - so die Ergebnisse der Studie "Business 2010" des Londoner Wirtschaftsforschungsinstituts Economist Intelligence Unit. Demnach werden immer mehr Daten benötigt, um Kundenbeziehungen zu verbessern, das Kundenverhalten vorherzusagen und neue Absatzchancen zu finden.

Deshalb haben die Konkurrenten im Geschäft der Finanz- und Vermögensplanung MLP und AWD das Ohr ständig am Kunden. Die Unterstützung der Vertriebsmitarbeiter durch die IT ist dabei enorm wichtig. Carsten Stockmann, CIO von MLP: "Das Notebook des MLP-Beraters ist wie das Dienstauto des Handelsvertreters." Auch beim IT-Verantwortlichen von AWD, COO Friedemann Derndinger, steht die Unterstützung des Beraterprozesses oben auf der Prioritätenliste.

Marke Eigenbau macht den Unterschied

Über 6000 Mitarbeiter arbeiten für die Hannoveraner im Vertrieb. Mit selbst geschriebenen Programmen wollen sich die Firmen voneinander unterscheiden und im Wettbewerb bestehen. "SitLap", "PFS" oder "Ikarus" heißen die selbst gebauten Anwendungen, mit denen AWD-Berater ihre 'Mandanten' betreuen. Derndinger: "Wir haben über Standardsoftware oder Outsourcing immer wieder diskutiert, sind aber zu dem Schluss gekommen, dass unsere Programme einen so starken Wettbewerbsvorteil darstellen, dass wir sie lieber selber entwickeln."

Auch Stockmann setzt bei Programmen, mit denen er sich vom Wettbewerb differenzieren muss, wie dem MLP Finanzmanagement (Beratung), dem MLP Brokerpilot (Maklersystem) und dem MLP Financepilot (Online-Portal), auf Selbst-Programmiertes - sonst aber konsequent auf Standards: "Für die Finanzbuchhaltung nutzen wir natürlich SAP." Auch bei AWD wird in Verwaltungs- und Back-Office-Bereichen Standardsoftware eingesetzt, so etwa Navision in der Finanzbuchhaltung.

"Die Software soll für interne und externe Anwender und Partner ein Hilfsmittel sein, damit das Unternehmen sein Kerngeschäft bestmöglich betreiben kann", sagt Tobias Boehncke vom Spezialisten für Immobi-lien, Investmentfonds und Schiffsbeteiligungen Münchmeyer Petersen Capital AG (MPC Capital). Die Wünsche der internen Kunden interessieren den IT-Verantwortlichen besonders: "Wer mit den Abteilungen über seine Wünsche und Anforderungen spricht, setzt die Lösung dann auch um. Darin unterscheiden wir uns von anderen." Es erfordere zwar viel Austausch zwischen IT und Fachabteilung, sorge jedoch für eine große Transparenz bei allen Beteiligten und verkürze die Reaktionszeit recht deutlich.

AWD setzt auf Benchmarking

Wegen der dezentralen Struktur vieler Unternehmen sei die Kommunikation sehr wichtig, so die beiden IT-Macher von MLP und AWD. Bei MLP ist es die Dezentralität der Geschäftsbereiche. "Sie finden kaum jemanden, der Experte in Banken- und Versicherungs-IT ist", sagt CIO Stockmann. Bei AWD hat die Eigenverantwortung der zehn Tochtergesellschaften in elf Ländern hohe Priorität. Grundsatzfragen und Neuentwicklungen stimmen Holding und Töchter gemeinsam ab. Parallel zur Eigenständigkeit der Tochtergesellschaften wolle AWD jedoch über Benchmarking effizienter werden und die Möglichkeiten gemeinsamer Entwicklungen prüfen, so Derndinger.

Beim Thema Outsourcing scheiden sich die Geister. Vorreiter ist die IVG Immobilien AG, die Immobilien-Investments in Büroimmobilien und Business-Parks betreut. Der DV-Verantwortliche Georg Reul ließ zu Jahresbeginn die IT ausräumen. Für die kommenden zehn Jahre hat der Dienstleister T-Systems den IT-Betrieb der europäischen Standorte übernommen. 25 Mitarbeiter wechselten zur bisherigen IT-Tochter IVG Infotech. Funktionale Service Level Agreements bilden den Rahmen. IT-Chef Reul: "Wir nehmen die Leistung ab Desktop ab, die sich an den Prozessen orientiert. Sie ist für uns dadurch immer an einzelnen Punkten messbar." Nur so könne man die Verträge handhaben, ohne dass man doch wieder eine eigene IT-Abteilung vorhalten müsse.

Jeder zweite Euro geht nach draußen

MLP-CIO Stockmann gibt fast jeden zweiten Euro des IT-Budgets für externe Dienstleister aus. HP betreibt deswegen einen Großteil der Rechenzentren, dazu das Desktop-Management und den Helpdesk. Die strategischen Banksysteme werden seit 2002 von der Fiducia sowie der dwpBank betrieben. Stockmann: "Wir haben Preismodelle, bei denen die Kosten nach Geschäftsprozessen berechnet werden, wie etwa der Zahl der Konten oder der E-Mail-Accounts."

Bei anderen Finanzdienstleistern ist Outsourcing kein großes Thema. Man habe zwar diverse Dienstleister, aber keinen Hauptdienstleister, so AWD-COO Derndinger. Und auch die Hamburger MPC Capital AG betreibt "eher wenig Outsourcing", wie IT-Geschäftsführer Boehncke sagt.

Nur die Deutsche Euroshop AG braucht sich über IT-Strategie, Outsourcing oder Dezentralität keine großen Gedanken zu machen. Denn in der Zentrale in Hamburg arbeiten nur drei Angestellte und zwei Vorstände. "Wir benutzen Standardsoftware von Microsoft", sagt der Leiter der Unternehmenskommunikation Patrick Kiss, der zugleich für die IT verantwortlich ist. Nur wenn IT-Probleme auftreten oder neue Software aufgespielt werden muss, hilft ein Hamburger Dienstleister.

Die Entwicklung hört nie auf

Effizienzgewinne durch Optimierung der Geschäftsprozesse stehen auch bei den Finanzdienstleistern im Vordergrund. " Für uns ist es nicht mit der Einführung getan, wir versuchen die IT-Lösungen ständig weiterzuentwickeln und zu verbessern, sagt IT-Manager Boehncke von MPC Capital: "Software muss mit dem Unternehmen wachsen.

Auch so Positives wie Wachstum macht IT-Leitern "zu schaffen". Die 1994 gegründete MPC Capital AG wuchs von 40 Mitarbeitern vor einigen Jahren auf 190. Es galt, ein Dokumenten-Management-System einzuführen, das CRM-System und die Fondsverwaltung auszubauen. Für AWD war das Jahr 2004 das erfolgreichste seit der Unternehmensgründung 1988. Eine neue einheitliche IT-Plattform, mehrsprachig und mandantenfähig, soll in Zukunft die schnelle Einführung in einem neuen Land ermöglichen - "bei minimalen Kosten", so COO Derndinger. Versteht sich.