Noch kurz vor der Bundestagswahl ist, von der breiteren Öffentlichkeit kaum bemerkt, in der Region Nordrhein ein neuer Versuch zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte angekündigt worden. Bekanntlich hat es Noch-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und ihrer SPD nichts genutzt. Ob es auch den Versicherten nutzt, ist höchst umstritten.
Bereits 2008 ist die Einführung der Gesundheitskarte in dieser Region versucht worden, aber dann wieder im Sande verlaufen. Seit 1. Oktober beginnt man jetzt wieder mit der Einführung, und bis Ende 2010 soll die Karte bundesweit ausgerollt sein. Die Befürworter versprechen sich davon eine verbesserte Speicherung der Patientendaten, die schnell von Arzt zu Arzt weitergegeben werden können, wenn der Patient damit einverstanden ist. Wird so ein gleicher Wissensstand bei Hausarzt, in der Klinik oder in der Apotheke erreicht, kommt das – so BITKOM-Präsident August-Wilhelm Scheer – in erster Linie dem Patienten zugute.
Damit das neue System greift, müssen alle beteiligten Institutionen, vor allem aber die behandelnden Ärzte über ein Lese- und Eingabegerät für die elektronische Gesundheitskarte verfügen. Genau dies soll jetzt wieder in der Region Nordrhein versucht werden, allerdings geht es in dieser Ausbaustufe erst einmal um ein Lesegerät für die Karten, das in den Arztpraxen vorhanden sein muss. Eigentlich sollten die Karten schon 2006 an die Versicherten ausgegeben werden.
Gelobt wird vom BITKOM auch die verschlüsselte Speicherung der individuellen Daten auf der Karte. Scheer: "Die Patienten haben ein Anrecht auf einen vertrauensvollen Umgang mit ihren sensiblen Gesundheitsdaten. Mit der neuen Gesundheitskarte kommen wir diesem Ziel ein gutes Stück näher. Sie rückt den Patienten in den Mittelpunkt. Endlich erhalten die Versicherten die Hoheit über ihre Daten. Nur nach ihrer Freigabe können Mediziner die Akte einsehen."
Ganz anders sieht die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung die neue Aktion, die sie als "nutzlos" einstuft: "Dass Krankenkassen jetzt schon die ersten elektronischen Gesundheitskarten an Versicherte ausgeben wollen, bringt nichts. Da entstehen vielmehr zusätzliche Schwierigkeiten in den Praxen, denn die Karte gilt vorläufig noch gar nicht als Versicherungsausweis." Außerdem verfügten viele Arztpraxen in Nordrhein gar nicht über die neuen Kartenlesegeräte, die für das Auslesen der Versichertendaten notwendig sind.
Prämie für Ärzte und Krankenkassen
Unmut war auch darüber aufgekommen, dass offenbar einige Krankenkassen den Ärzten die Anschaffung der Lesegeräte dadurch schmackhaft machen wollten, indem man ihnen eine Art Prämie oder Geräte-Pauschale versprochen hat. Dagegen hatte sich schon im Dezember vergangenen Jahres die Bundesärztekammer (BÄK) ausgesprochen, die darin die "Freiwilligkeit der Mitarbeit ihrer Mitglieder" gefährdet sieht. Für die Ärzte, die bisher nicht per Gesetz zu den neuen Geräten verpflichtet sind, kommen auf jeden Fall zusätzliche Kosten zu. So sollen fast alle Software-Hersteller von Praxis-Software bereits damit begonnen haben, die monatlichen Wartungskosten um 40 Prozent zu erhöhen.
Die Arbeitsgemeinschaft "Ärzte für Datenschutz in Nordrhein-Westfalen" geht in ihrer Kritik noch weiter: Die Krankenkassen würden die Ärzte mit Prämien locken und sie so zu "korrumpieren" versuchen. Die Krankenkassen versprechen sich mit der ganzen Aktion nur "eine Verlagerung ihrer hausinternen Bürokratie in die Arztpraxen", argumentieren die Kritiker.
Ob die kritisierte "Salamitaktik" des Bundesgesundheitsministeriums und der Krankenkassen diesmal zum Erfolg führt, dürfte eine spannende Frage werden. Die Interessensgegensätze zwischen den beteiligten Gruppen und Verbänden könnten jedenfalls kaum größer sein. Und dann ist da ja auch noch eine neue Bundesregierung, die sich alle möglichen Reformvorhaben auf die Fahne schreiben wird. Vielleicht auch eine Reform der Reform der elektronischen Gesundheitskarte?