Fünf Milliarden Euro will Johanna Wanka lockermachen, um in einem "DigitalPakt#D" mit den Ländern die deutschen Schulen über fünf Jahre computertechnisch aufzurüsten. Die Riesensumme aus dem Haus der für Schulpolitik eigentlich gar nicht zuständigen CDU-Bundesbildungsministerin hat viele überrascht. Denn in etwa genauso viel kostet - innerhalb von zehn Jahren - auch die prestigeträchtige "Exzellenzstrategie" für herausragende Hochschulen.
Warum handelt Wanka gerade jetzt?
Zu einen hat die Ministerin ihre Legislatur-Agenda in der Bildungs- und Forschungspolitik ein Jahr vor der Bundestagswahl 2017 weitgehend abgearbeitet. Da sieht es gut aus, schon mal mit einem Milliarden-Projekt für die nächste Wahlperiode zu winken, das nach Wankas Eindruck auch das Wohlwollen des mächtigen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) finden dürfte und sich schon in Kürze mit den Ländern vereinbaren ließe. Zum anderen sieht Wanka digitale Bildung sehr grundsätzlich als "entscheidende Zukunftsaufgabe, für die Bund und Länder gemeinsam Verantwortung tragen", wie sie am Mittwoch in einer Präsentation ihrer Pläne betonte.
Warum wären Computer und WLAN in den deutschen Schulen so wichtig?
Zwei Studien haben zuletzt zwar nicht gleich einen zweiten PISA-Schock ausgelöst - aber doch große Sorgen, dass Deutschland die digitale Zukunft verschläft. Erstens landeten deutsche Schüler beim internationalen ICILS-Vergleichstest 2014 mit ihren Computer-Kenntnissen nur im Mittelfeld - viel "Gedaddel" mit dem Handy, aber wenig echtes Knowhow, so die Bilanz.
Zweitens gibt es zwischen den 16 Ländern bei Computer-Ausstattung und IT-Unterricht an den 40 000 Schulen große Unterschiede, ergab die Ende 2015 vorgelegte Studie "Schule digital". Lehrer in Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz waren noch am zufriedensten. Dort halten jeweils rund zwei von drei Pädagogen die Ausrüstung für ausreichend. Nur rund 40 Prozent sind es in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Auch beim WLAN driften die Länder weit auseinander. So finden in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein nur zwei von fünf Lehrern, dass der Internetzugang an ihrer Schule schnell und stabil genug ist. Und lediglich ein gutes Drittel der Befragten (35,6 Prozent) hält die pädagogische Unterstützung für ausreichend.
Darf der Bund denn überhaupt mit Geld in die Schulpolitik eingreifen?
Durch das "Kooperationsverbot" ist grundgesetzlich geregelt, dass Schulbildung Ländersache ist - darauf legen die Kultusminister viel Wert. Doch Wanka hat einen Verfassungspassus gefunden, der ihr einen Hebel bieten könnte: "Bund und Länder können bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb der für ihre Aufgabenerfüllung benötigten informationstechnischen Systeme zusammenwirken", heißt es in Artikel 91c. Ob das ausreicht, wird derzeit bei der Kultusministerkonferenz (KMK) geprüft. Nicht zuletzt ist das viele Geld für ein dringliches Schul-IT-Projekt aber auch verlockend für die meist klammen Länder.
Was müssten die Länder selbst tun?
Die Bundesbildungsministerin will sie verpflichten, digitale Bildung in der Praxis zu realisieren - mit entsprechender Lehrerausbildung, Unterrichtskonzepten, gemeinsamen technischen Standards, Wartung und Betrieb der Technik. Die KMK hat vor wenigen Monaten eine eigene Strategie entwickelt. "Ein reflektierter und konstruktiver Umgang mit digitalen Medien ist für Kinder und Jugendliche heutzutage genauso bedeutsam wie Rechnen, Lesen und Schreiben. Es bedarf aber weiterer Impulse", sagt KMK-Präsidentin Claudia Bogedan (SPD). Beide Seiten scheinen also an einem Strang zu ziehen.
Wie fallen die ersten Reaktionen auf Wankas Pläne aus?
Die SPD ist grundsätzlich einverstanden, verweist aber zugleich auf ihre wesentlich umfangreichere "Bildungsallianz" zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Die umfasst neben Digitalisierung an den Schulen auch die Sanierung von Gebäuden und den Ausbau der Ganztagsschulen - Kostenpunkt: rund neun Milliarden Euro bis 2021. Auch der DGB meint, Wanka springe zu kurz mit ihrer Konzentration auf IT-Ausstattung. "Wo in Klassenzimmern der Schimmel die Wände hochkriecht und Schulklos verstopft sind, reicht es nicht, Tablets und WLAN bereitzustellen", sagt DGB-Vize Elke Hannack. Die Kommunen fordern eine höhere Investitionssumme. Für digitale Bildung müssten "mindestens 2,5 Milliarden Euro pro Jahr aufgewendet werden", sagte Gerd Landsberg vom Städte-und Gemeindebund der "Rheinischen Post".
Digitale Technik in allen Ehren, aber wie sieht es mit dem Knowhow der Lehrer aus?
Meist eher mau. Laut Studie "Schule digital" setzt kaum die Hälfte (47,6 Prozent) der befragten 1250 Lehrer mindestens einmal pro Woche im Unterricht Computer ein. Nur knapp jeder dritte Pädagoge (30,2 Prozent) entwickelt zusammen mit Kollegen computergestützte Unterrichtsstunden. Andererseits: Fast sechs von zehn Lehrern (57,9 Prozent) wünschen sich mehr Unterstützung für eine digitale Offensive im Klassenzimmer. Viele Pädagogen befürchten aber, dass der Einsatz von Computern die Schreibfähigkeiten ihrer Schüler verschlechtert, dass sich die Jugendlichen vom eigentlichen Lernen ablenken lassen - und dass sie selbst die Kontrolle über den Unterricht verlieren. (dpa/rs)