Der "Everything-2.0-Hype" der letzten Jahre hat auch das Web maßgeblich beeinflusst und insbesondere die Entwicklung von Portalen bestimmt. Die gegenwärtige Konsolidierung bietet Gelegenheit für eine Bestandsaufnahme. Was bleibt von den "klassischen" Portalen mit ihrem Angebot an Content und Services bestehen? Sind ihre Tage gezählt, wie viele Blogger schreiben? Oder ist umgekehrt das Web 2.0 mangels erfolgreicher Geschäftsmodelle bereits tot, wie genauso oft zu lesen ist? Die Antwort liegt dazwischen. Portale bestehen weiter, aber sie ändern sich. Wo früher redaktioneller Content in vorgegebener Struktur ein Portal dominiert hat, findet sich heute ein Neben- und Miteinander von redaktionellem und benutzererzeugtem (User-generated) Inhalt.
Dabei stehen die Portalbetreiber vor der Aufgabe, Web-2.0-Features im Portal einzusetzen. Doch wie funktioniert das, welche neuen Anwendungsfälle sind dafür relevant, und wie lassen sich die neuen Features so zusammenführen, dass ein echter Nutzen entsteht und die Portalarchitektur nachhaltig bleibt?
Vom Ready-only- zum Read-write-Netz
Ob Wikis, Blogs oder Chats, Web-2.0-Anwendungen haben zum Ziel, die Kommunikation und Kollaboration der Menschen im Netz einfacher und effizienter zu gestalten. In der Vergangenheit waren diese Anwendungen entweder technikaffinen Benutzern vorbehalten, die sich mit den zugrunde liegenden Protokollen, Werkzeugen und Technologien auskannten, oder sie waren einfach nicht anwenderfreundlich. Erst das Web 2.0 hat die Einstiegsbarrieren für das breite Publikum gesenkt und damit die Anwendungen für den Massenmarkt geöffnet. Rich Internet Applications (RIAs) auf Basis der Ajax-Technik, Adobe Flex oder Microsoft Silverlight sorgen dafür, dass die neuen Anwendungen so bequem bedient werden können, wie man es vom Desktop gewohnt ist. Mit Mashups steht ein Konzept zur Verfügung, um Informationen aus unterschiedlichen Quellen individuell zusammenzustellen und nahtlos auf die persönlichen Bedürfnisse der Nutzer zuzuschneiden.
Das Portal 2.0
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In Zukunft werden in allen Portalen - unabhängig davon, ob es sich um Informations-, Unternehmens- oder Intranet-Portale handelt - die klassischen redaktionellen Inhalte mit den neuen interaktiven Kollaborationsanwendungen des Web 2.0 zum "Portal 2.0" zusammenwachsen.
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Die künftigen Anforderungen hinsichtlich der fachlichen und technischen Integration werden dabei weit über das hinausgehen, was bislang in Portalen praktiziert wird. Anbieter haben dadurch schwierige Aufgaben zu lösen.
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Portale, die Dienste stark integrieren, werden einen zentralen Wettbewerbsvorteil haben, aber nur dann, wenn die eingesetzten Produkte offene Standards unterstützen und Schnittstellen für die fachlichen Dienste anbieten.
Portale konkurrieren mit Diensten
Was bedeutet diese Entwicklung für die Portale? Die klassischen Informationsportale von Spiegel, Bild und T-Online müssen sich heute nicht mehr nur gegen die direkten Mitbewerber positionieren. Vielmehr konkurrieren sie mit einer Vielzahl unterschiedlicher Anwendungen - angefangen von Twitter als blitzschneller Nachrichtenquelle über News-Aggregatoren wie Google News, die individuell auf den Benutzer zugeschnittene Informationen zentral bündeln und bereitstellen, bis hin zur intelligenten semantischen Suche, etwa beim Nachrichtendienst releVANTS auf Computerwoche.de. Aus diesem Grund haben die Portalbetreiber früh damit begonnen, dynamische Features in ihr Angebot aufzunehmen, um die Portalnutzung zu erhöhen und die Kundenbindung zu festigen. Bewertungsfunktionen, interaktive Umfragen, Personalisierung von Anwendungen sowie Foren gehören heute praktisch zum Standardportfolio jedes größeren Informationsportals. Viele Nutzer wollen sich aktiv am Geschehen beteiligen und ergänzen die redaktionell gepflegten Inhalte, die dadurch sogar aufgewertet werden können.
Vom Web-2.0-Trend können auch Unternehmen profitieren, die ihre Portale zur Kundenkommunikation einsetzen - ob im B-to-C- oder B-to-B-Umfeld. Ziel ist es, die Kommunikation mit den Kunden beziehungsweise Geschäftspartnern benutzerfreundlicher und kundenorientierter zu gestalten. Heutzutage reicht es nicht aus, Kunden mit dürftigen Informationen und einfachen Kontaktformularen anzusprechen. Durch Web-2.0-Features können Unternehmen ihre Portale so gestalten, dass ein echter Dialog stattfinden kann, beispielsweise in Form von Support-Foren und Ticketing-Systemen. Dabei profitieren Unternehmen, wenn sie ihr Portal als Kommunikationsplattform öffnen, denn in den neu geschaffenen Communities tragen nicht nur die eigenen Mitarbeiter zur Informationsgewinnung bei, auch Kunden bringen ihr Know-how ein und schaffen damit einen Mehrwert für das Unternehmen und andere Kunden.
Vom Intranet zur Kollaborationsplattform
Der Wandel hin zu mehr "Social Web" macht auch vor internen Unternehmensportalen nicht Halt. Viele Unternehmen setzen zur stärkeren Vernetzung der Mitarbeiter und zum Wissensaustausch Web-2.0-Anwendungen wie Wikis, Foren oder Instant Messaging in ihren Intranets ein. Im "Enterprise 2.0" tauschen sich die Mitarbeiter in projekt- oder themenbezogenen Gruppen aus und können ad hoc gemeinsam an Ideen arbeiten. Dabei orientieren sich Unternehmen mehr und mehr am Erfolg der öffentlichen sozialen Netze wie zum Beispiel Facebook oder MySpace. Als Folge entstehen unternehmensinterne Mitarbeiternetze mit Profilen, Beziehungen und Wikis, die die Innovationskraft der Unternehmen fördern sollen.
Blickt man zurück, so lag der Fokus der Portale in der Vergangenheit auf Inhalten, die entweder aufwändig in Eigenregie produziert oder eingekauft wurden. Auch in Zukunft werden redaktionelle Inhalte ein wichtiges Standbein der Portale bleiben. Durch das Web 2.0 neu hinzugekommen ist, dass die Benutzer nicht mehr nur mit den einzelnen Diensten interagieren können. Vielmehr haben sie jetzt die Möglichkeit, sich miteinander zu vernetzen und Verbindungen einzugehen. So knüpfen sie über die eigene Identität zu anderen Benutzern Kontakte, die beispielsweise in Form von Profilen verwaltet werden und zugänglich sind. Durch die Entkopplung einzelner Dienste können die Verknüpfungen mit anderen Diensten ausgewertet und wiederverwendet werden. Die gegenseitige Vernetzung der Benutzer ist allerdings nur der erste Schritt. Konsequenterweise hat dies zur Folge, dass sich auch die Dienste miteinander vernetzen müssen.
Integration heißt die Devise
Die Integration der neuen Features stellt Portalbetreiber vor neue Herausforderungen. Betrachtet man heute Angebote im Internet, erscheinen die einzelnen Web-2.0-Anwendungen oft wie eine eigene Säule im Angebot. Der Benutzer merkt das spätestens dann, wenn er beim Wechsel in einen anderen Bereich mit einem abweichenden Bedienkonzept (Look and Feel, Usability) konfrontiert wird oder sich im schlimmsten Fall beim neuen Dienst neu einloggen oder registrieren muss. In diesen Fällen sind die Dienste untereinander nur unzureichend oder gar nicht vernetzt.
Dass das noch oft vorkommt, hat mehrere Gründe: Zum einen wurde in vielen Portalen das Me-too-Syndrom im Web-2.0-Boom ausgelebt. In kurzer Zeit wurden neue Dienste aufgebaut, um einem Trend zu folgen. Im Vordergrund stand die schnelle Markteinführung und nicht die Nachhaltigkeit der Investitionen. Dabei wurden die Lösungen oft auf schlecht integrierbaren Produkten aufgebaut mit dem Resultat, dass sie nicht sauber in die Portalarchitektur passen und sich nur eingeschränkt erweitern lassen. Neue Anforderungen sind dann in der Regel teuer.
Vor der Produktauswahl
Auch die IT-Industrie ist auf den Web-2.0-Zug aufgesprungen. Produkte werden mit Kollaborations-Features angereichert, und mit Social Software entsteht sogar eine eigene Klasse von Produkten. Viele Hersteller haben sich auf einzelne Anwendungen aus dem Web 2.0 spezialisiert. Diese Einzelprodukte bieten in ihrer Domäne meist sehr umfangreiche Features mit großer fachlicher Tiefe an. Auch die Anbieter von Portalsoftware, wie zum Beispiel Content-Management-Systemen oder Portal-Servern, machen ihre Produkte für das Web 2.0 fit und erweitern ihre Lösungen um Community-Features. Einen Schritt weiter gehen die Anbieter von Social-Software-Suiten wie zum Beispiel Jive Software, Socialtext oder Telligent. Sie bieten Plattformen an, in denen die verschiedenen Kollaborations-, Community- und Social-Networking-Dienste bereits integriert und sofort einsatzbereit sind.
Darauf sollten Sie achten
Bevor man auf ein Produkt setzt, sollte man anhand dreier Kriterien überprüfen, ob die Lösung integrierbar ist.
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Zum einen muss das Produkt auf der Präsentationsebene integrierbar sein, damit eine nahtlose visuelle Einbettung in das Portal gewährleistet ist. Dazu gehört die Anpassbarkeit der Oberfläche durch Themes, in denen sich Farben, Schriften und Hintergründe konfigurieren lassen. Werden darüber hinaus Templates unterstützt, können ausgewählte Bereiche, wie zum Beispiel der Seitenrahmen, individuell gestaltet werden.
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Das zweite Kriterium zur Beurteilung der Produkte ist die Integrationsfähigkeit der Benutzerdaten und des Logins. Die Benutzerdaten und -berechtigungen sind in der Regel in zentralen Benutzerverzeichnissen abgelegt und über standardisierte Schnittstellen wie zum Beispiel das Lightweight Directory Access Protocol (LDAP) abfragbar. Damit wird eine Redundanz der Daten vermieden. Um ein einheitliches Login zu realisieren, muss das Produkt darüber hinaus Single-Sign-on-fähig sein, damit sich der Benutzer nur einmal im Portal anmelden muss und anschließend in allen Diensten authentifiziert ist. Dies wird vereinfacht, wenn das Produkt offene Authentifizierungsstandards wie Open ID unterstützt.
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Zur Sicherstellung der Flexibilität und Zukunftssicherheit der Lösung müssen die Produkte zusätzlich auf der Serviceebene integrierbar sein. Dazu gehört die Möglichkeit, über Schnittstellen auf die fachlichen Dienste und Anwendungsfälle zuzugreifen, beispielsweise über Web-Services, Representational State Transfer (REST) oder RSS-Feeds (Really Simple Syndication). Damit können bei Bedarf einzelne Funktionsbausteine in anderen Anwendungskontexten wiederverwendet werden. Zusätzlich von Vorteil ist es, wenn die Funktionalität im Anwendungskern von außen erweitert werden kann, zum Beispiel in Form eines Plug-in-Mechanismus. Erst dann lassen sich unterschiedliche Dienste beliebig miteinander verknüpfen und neue Nutzungsmöglichkeiten kostengünstig einführen.
Voll integrierbare Produkte sind Mangelware
Doch wie ist es um die Integrierbarkeit der Produkte am Markt bestellt? Bei nahezu allen lässt sich das Design anpassen, ebenso lassen sich fast alle auf der Präsentationsebene problemlos einbinden. Der Aufwand für die technische Integration als Inline-Frame (IFrame) oder über Ajax-Technik ist überschaubar. Beschränkt man sich auf solche Lösungen, kann man recht schnell Community-Features in ein Portal integrieren.
Hinsichtlich der Benutzerverwaltung bieten noch immer viele Produkte die Anbindung externer Benutzerverzeichnisse über LDAP oder andere Standards. Schlechter ist es noch um den Single-Sign-on bestellt. Hier haben die fertigen Portallösungen und die Social-Software-Suiten meistens einen Vorteil, da die entsprechende Funktion dort als Basisdienst enthalten ist und offene Standards unterstützt werden.
Die Produkte enttäuschen jedoch oft, wenn man die Möglichkeiten zur Integration auf der Serviceebene betrachtet. In einigen Produkten sind Ansätze einer Datenintegration über verschiedene Dienste zu finden und auch über die mitgelieferten Module nutzbar. Sobald man aber von den vorgegebenen Szenarien abweicht, gerät man bei den meisten Produkten an ihre Grenzen. Die Ursache dafür sind fehlende Schnittstellen, die den direkten Zugriff auf fachliche Services erlauben. So ist es beispielsweise nicht möglich, über Web-Services oder REST neue Foreneinträge zu erstellen, die Anzahl der aktiven Forumsbenutzer abzurufen oder neue Foren anzulegen. Meistens steht auch kein öffentliches API zum Anwendungskern zur Verfügung, um selbst eigene neue Services zu erstellen. Zum jetzigen Zeitpunkt unterstützen nur sehr wenige Produkte die volle Integrierbarkeit auf der Serviceebene.
Mehrwert durch Serviceintegration
Doch erst die starke Integration der fachlichen Dienste bringt einen echten Mehrwert für das Portal. Eine reine Integration auf der Präsentationsebene genügt dafür nicht. Denn in Zukunft wird die Fachlichkeit über verschiedene Anwendungen und verschiedene Ausspielkanäle erreichbar sein.
Wie sehen solche Szenarien aus? Während sich der Benutzer beispielsweise von Dienst zu Dienst bewegt, "begleiten" ihn seine Beziehungen (Freunde, Kollegen) und werden kontextabhängig in die jeweilige Anwendung einbezogen. Liest man zum Beispiel den Forumsbeitrag eines Freundes, der gerade online ist, kann man direkt per Chat mit ihm in eine persönliche Diskussion einsteigen. Oder liest der Benutzer einen Artikel zu einem Thema, kann er sich von dort mit anderen Interessenten darüber unterhalten. Der Mobilisierungstrend hat zur Folge, dass alle Features auch auf den modernen Handys wie dem Apple iPhone verfügbar sind. Dort geht der Trend zu speziell zugeschnittenen Diensten, die wiederum mit mobilen Diensten, zum Beispiel ortsbasierenden Services, verknüpft werden. (ue)
Integrationsfähigkeiten
Anwender, die sich zwischen mehreren Produkten entscheiden müssen, können deren Integrationsfähigkeiten anhand folgender Kriterien bewerten:
1. Integration auf Präsentationsebene:
Anpassbarkeit des Produkts hinsichtlich des Layouts und der Oberflächenintegration.
2. Integration von Benutzerdaten und Login:
Anbindung einer zentralen Benutzerverwaltung und Single-Sign-on.
3. Integration auf der Serviceebene:
Zugriff auf die fachlichen Funktionen über Schnittstellen wie zum Beispiel Web-Services.