1876 ließ Alexander Graham Bell das Telefon patentieren. Bereits 50 Jahre später war das Telefon als Massenkommunikationsmittel mit über drei Millionen Anschlüssen etabliert. Im Februar 2004 ging Facebook online - nur sieben Jahre später verzeichnete da digitale Netzwerk bereits über 600 Millionen Nutzer und wird zum schlagkräftigen Koordinationsmittel für Privates, Wirtschaft und Politik.
Der Vergleich wurde zu Recht bereits häufig verwendet, zeigt er doch anschaulich mit welcher Beschleunigung die Innovations- und Verbreitungsrate neuer technologiegestützter Kommunikationsformen agiert. Unsere Gesellschaft ist in ein digitales Zeitalter eingetreten - online, realtime, mobile. Für Unternehmen bedeutet dies, sich auf strategischer Ebene mit digitalen Lebenswelten, digitalen Märkten und digitalen Arbeitswelten auseinander zu setzen - und eine Digital Transformation anzustreben. Aber wann sind Unternehmen bereit für das digitale Zeitalter?
Die Digitalisierung unserer Lebens- und Arbeitsbereiche schafft neue Chancen für geschäftliche Aktivitäten. Damit einhergehende Geschäftsprozesse verändern die Art und Weise, wie wir mit unseren Kunden, Lieferanten, Geschäftspartnern und Mitarbeitern vernetzt sind, arbeiten und Werte generieren. IT wird dabei immer mehr zum Teil des gesamten Geschäftsmodells und nicht nur Teil eines den Geschäftsprozess unterstützenden Elements. Daraus resultiert die Frage welches Geschäftspotenzial im Einsatz der IT liegt.
IT soll Geschäftsmodelle fundamental verändern
Digitale Transformation ist der Ansatz, den nachhaltigen Veränderungsprozess von bestehenden Geschäftsmodellen zu digitalen Geschäftsmodellen zu begleiten. Sie setzt auf die Nutzung digitaler Technologie, um das bestehende Geschäftsmodell des Unternehmens fundamental zu verändern. Grundsätzlich neu ist, dass sowohl die Geschäfts- als auch die IT-Seite zu Beginn eines Transformationsprozesses gemeinsam die Strategie auswählen und gemeinsam operationalisieren.
Das entspricht zwar schon seit langer Zeit der Wunschvorstellung vieler CIOs, war aber bis auf Einzelfälle bislang keine Realität in Unternehmen. Erst seitdem technische Innovationen, darunter besonders auch die Social Media, einen immer größeren direkten Einfluss auf Geschäftsinnovationen bekommen, wird ein solcher Ansatz für den künftigen Erfolg eines Unternehmens immer wichtiger.
CIOs stecken im Komplexitäts-Dilemma
Doch CIOs stecken häufig in einem Dilemma: Einerseits müssen sie die Komplexität der IT beherrschbar halten und andererseits zusätzliche Geschäftsanforderungen integrieren, welche die Komplexität wiederum erhöhen. Gemäß unserer Projekterfahrungen zielen mehr als zwei Drittel der Investitionsmittel von großen IT-Optimierungsmaßnahmen auf die Reduktion der IT-Architekturkomplexität ab.
Der Nutzen dieser Effizienzmaßnahmen lässt sich auf Managementebene aber häufig nur schwer vermitteln. CIOs haben somit ein Begründungsproblem, um ihre eigentlich notwendigen IT-Investitionen zu behaupten. Nicht selten werden solche Investitionsentscheide daher schlicht abgelehnt oder in die Zukunft verschoben, was zur weiteren Komplexitätserhöhung führt.
Oft fehlt es im Dialog an den richtigen Schlüsselpersonen mit IT-Verständnis auf der Managementebene. Als Analogie mag der Automobilbau dienen. Dort verfügen acht von zehn CEOs über Ingenieurwissen. Sie erfüllen damit eine grundsätzliche Voraussetzung, um das Geschäftsmodell verändernde Konzepte der Vergangenheit wie beispielweise Automobil-Plattformstrategien zu beurteilen und darüber entscheiden zu können.
Kaum IT-Kompetenz im Vorstand
Wendet man diesen Grundgedanken auf IT-affine Branchen wie beispielsweise Banken an, so fällt die Bilanz nüchtern aus: Hier kennen sich gerade mal zwei von 30 Banken-CEOs auf Basis ihres beruflichen Hintergrundes mit IT aus. Einen Informatiker oder Wirtschaftinformatiker sucht man in ihren Reihen vergeblich. Die babylonische Sprachbarriere zwischen IT und sonstigem Management ist damit programmiert.
Sich als CIO auf das gut funktionierende "Business/IT Alignment" zu berufen greift zu kurz. Es werden Mediatoren und Methoden benötigt, die den Dialog zwischen Geschäfts- und IT-Seite nicht nur moderieren, sondern befruchten und voranbringen können. Sie müssen den Mehrwert neuer Technologien von der Geschäftsseite her argumentieren können.
3 Hebel für die Digitale Transformation
Hier setzt Digital Transformation an:
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bei den Potenzialen, die sich aus der Nutzung neuer Technologien für Endprodukte/-Services und Primärprozesse ergeben
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bei der geschäftsseitigen Ambition nach profitablem Wachstum
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sowie bei der Wahrnehmung auf Seiten des Managements, wie Technologie zur Umsetzung der Unternehmensstrategie und damit zur Differenzierung im Wettbewerb beitragen kann.
Der Veränderungsprozess geht also weit über den bloßen Einsatz neuer Technologie hinaus. Es geht um die Transformation von Unternehmensstrategien und Geschäftsmodellen unter Nutzung von IT-Innovationen. Diese umfassende Veränderung beginnt bei der Interaktion mit dem Kunden, sie schließt die Mitarbeiter eines Unternehmens ein und endet bei den operativen Geschäftsprozessen.
Ein wichtiger Teilaspekt ist die intelligente Nutzung von Informationen - Stichworte hierzu sind Business Analytics oder Business Insights. Dabei geht es darum, gemeinsam mit dem Kunden eine moderne Transformationsagenda für das Unternehmen zu erstellen.
Dass im Rahmen einer digitalen Transformation auch der strategische IT-Wertbeitrag transparent gemacht wird, stellt für das gesamte Managementteam sicherlich einen nicht zu verachtenden Nebeneffekt dar.
Michel Krauch ist Principal im Bereich Technology Transformation bei Capgemini Consulting.