Licht aus. Systeme abschalten. Fertig. Ganz so einfach kann es sich die ehemalige Drogeriekette Schlecker nicht machen. Die Geschichte der Insolvenz im Juni 2012 ist vielen aus den Medien bekannt. Überraschen dürfte indes, dass heute noch mehr als 30 Mitarbeiter aus den Bereichen Finanzbuchhaltung, Personalwesen, Nebenkostenabrechnungen, Facility-Management und Forderungs-Management in der Firmenzentrale in Ehingen aktiv sind. Ihnen geht es darum, gemeinsam mit der Insolvenzverwaltung das Unternehmen sauber abzuwickeln.
Pflichten erfüllen und Kosten senken
Die Arbeit für die ehemaligen Drogeriemärkte, die Schlecker-XL-Filialen und die Internet-Plattform Schlecker-Home-Shopping ist noch lange nicht erledigt. Den Insolvenzverwaltern Werner Schneider, Arndt Geiwitz und Patrick Wahren ist daran gelegen, alle benötigten Daten sauber, also auch konform zu Compliance-Vorschriften wie GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen) verfügbar zu halten.
Im Rahmen des Insolvenzverfahrens, für das Finanzamt und für die Rentenkasse dürften wohl noch einige Jahre zahlreiche Informationen vorzulegen sein. Besonders im Personalwesen kommen viele Anfragen. Aktuell sind immer wieder neue Arbeitslosigkeits- und Verdienstbescheinigungen für ausgeschiedene Mitarbeiter auszustellen. Diese Informationen sollen auch dann noch zuverlässig auffindbar sein, wenn von den ursprünglichen Schlecker-Mitarbeitern niemand mehr greifbar ist, aber Daten beispielsweise für das Geltendmachen von Rentenansprüchen gebraucht werden.
Der Softwareanbieter CSP IT-Business GmbH unterstützt das Restabwicklungsteam als IT-Partner. Seine Aufgaben erstrecken sich auf drei Bereiche: Zum einen sorgt die Datenbankarchivierung dafür, dass die Altsysteme abgeschaltet werden können; unter einer einheitlichen Oberfläche sind trotzdem noch alle Informationen aus den bisherigen Systemen dauerhaft abrufbar. Zum anderen werden alle E-Mails der mehr als 1000 ehemaligen Mitarbeiter aus der Zentrale archiviert. Und zum Dritten werden Dateien und Dokumente auf einem separat gehosteten System vorgehalten.
Über ein virtuelles privates Netz (VPN) können die Insolvenzverwalter sowie ihr Team auf die Daten zugreifen. Ihr erstes Ziel ist es, den gesetzlichen Dokumentationspflichten genau nachzukommen. Außerdem wollen sie aber auch schnellstmöglich die anfallenden Kosten reduzieren, indem sie die Abschaltung von produktiven Systemen ermöglichen. Im laufenden Betrieb hatte Schlecker alle Daten in den produktiven Systemen, vor allem im ERP-System Navision, aufbewahrt; ein elektronisches Archiv für die Datenbanken gab es nicht.
Informationen auf sieben Systemen
CSP übernahm deshalb die Aufgabe, gleich sieben verschiedene Systeme auf ihre Abschaltung vorzubereiten. Neben Navision gehören dazu ein stark individualisiertes AS/400-System, ein Intranet und ein Data Warehouse von Teradata. Dazu Markus Bartsch, Leiter des Restabwicklungsteams: "Andere Anbieter haben uns versichert, dass es nicht gelingen könne, die Daten aus unterschiedlichen Systemen für spätere Recherchen in eine einheitliche Oberfläche zu bringen." CSP habe diese Herausforderung angenommen und mit Hilfe ihrer Standardsoftware "Chronos" gemeistert.
Für die Recherche stellt die Software eine Benutzeroberfläche zur Verfügung, den "Chronos Archive Explorer". Die Daten lassen sich auch im XLS- und IDEA-Format herunterladen, was vor allem den Fachbereichen gefällt.
Nachdem CSP im Herbst 2013 den Zuschlag erhalten hatte, wurde zunächst die Ist-Situation aufgenommen und anschließend für jedes System ein eigenes Datenbankarchiv entwickelt. Für die Recherche galt es, Formulare, Abfragen und Berichte zu entwerfen. Die Suchmasken wurden mit den Mitarbeitern der Fachabteilungen getestet und schließlich vom Insolvenzverwalter freigegeben. Von Anfang an lief das Projekt parallel zum Betrieb.
Data Warehouse schon abgeschaltet
Nach wenigen Monaten konnte der Dienstleister seine Maßnahmen abschließen. Die Systeme werden sukzessive abgeschaltet, sobald die Fachabteilungen keine Buchungen mehr vornehmen müssen. Gerade wurde als erstes System das bisherige Data Warehouse stillgelegt, in dem Milliarden von Warenbewegungen aus den Drogeriemärkten gespeichert sind. Im Vergleich zum Weiterbetrieb des Altsystems kann Schlecker jetzt viel Geld sparen.
Ergänzend zu den durch Chronos bereitgestellten Recherchemöglichkeiten wird für jeden der mehr als 150 elektronischen Shares eine ausführliche Dokumentation erstellt. Bei späteren Rückfragen ist auf diese Weise schneller ermittelbar, welche Inhalte sich im jeweiligen Ordner befinden.
Teamleiter Bartsch resümiert: "Im Zuge des Projekts wurde nicht nur eine Langzeitarchivierung, sondern gleichzeitig ein funktionstüchtiges Berichtswesen eingeführt, das dem Insolvenzverwalter bei der Stilllegung des Unternehmens die Arbeit erleichtert. Dass das Datenbankarchiv als einheitliches System alle bisherigen Systeme bündelt und eine zentrale Informationsplattform bietet, ist dabei besonders wertvoll."
Vorteile durch Application Retirement
Die von Schlecker erzielten Vorteile wie Kostensenkung sowie Arbeitserleichterungen bei der Recherche und der Compliance lassen sich auch von marktfähigen und wachstumsstarken Unternehmen nutzen. Häufig werden ja auch deren Altsysteme nur noch wegen der darin gespeicherten Daten am Leben gehalten. Ein Application Retirement (Abschalten von obsoleten Systemen) wäre beispielweise auch bei vielen Unternehmenszusammenschlüssen eine wirtschaftliche Lösung. (qua)
Das Wichtigste in Kürze
Im Falle einer Unternehmensinsolvenz bleiben die gesetzlichen Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen bestehen.
Im Insolvenzverfahren der Schlecker e.K.i.I. werden deshalb mehrere Altsysteme, beispielsweise aus der Finanz- und Anlagenbuchhaltung, langfristig archiviert.
Die Daten aus den Altsystemen sowie auch die E-Mails des Unternehmens sollen nach der Abwicklung noch für Recherchen zur Verfügung stehen. So kann zum Beispiel auf Sozialversicherungsdaten zugegriffen werden, die ehemalige Mitarbeiter für die Geltendmachung ihrer Rentenansprüche benötigen.
Auf Basis einer Datenbankarchivierung werden Daten aus unterschiedlichen Systemen in einer einheitlichen Suchoberfläche zusammengeführt.