Das Homeoffice wird weiter für Gesprächs- und Konfliktstoff sorgen. Denn während Beschäftigte sich über die Möglichkeit freuen, (vorzugsweise freitags) von zu Hause aus zu arbeiten, ist das Arbeiten aus den heimischen vier Wänden einigen Arbeitgebern ein Dorn im Auge. Mitarbeiter wollen aber die Flexibilität, die ihnen die Arbeit von zu Hause oder von einem anderen Ort der Welt aus bietet, nicht einfach aufgeben. Dies bedeutet auch, dass sich insbesondere Arbeitgeber, die langfristig am Markt bestehen wollen, mit der Möglichkeit des mobilen Arbeitens auseinandersetzen sollten, da dies unter anderem ein wichtiger Faktor für die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung ist.
Trend "Back to office" ist nicht zu leugnen
Vor allem in den USA ist zu beobachten, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter zurück ins Büro beordern - darunter ironischerweise auch einige Technologiefirmen wie der Videokonferenzanbieter Zoom, der seinen Mitarbeitern seit August vergangenen Jahres mindestens zwei Tage pro Woche Präsenz in den Firmenräumen vorschreibt, mit der Begründung: Dort könne man effektiver arbeiten.
Und auch in Deutschland scheint das Pendel wieder in die andere Richtung auszuschlagen. Die Deutsche Bank oder Porsche wenden sich vom Homeoffice ab und auch SAP plant Medienberichten zufolge, seine Mitarbeiter wieder für drei Tage pro Woche ins Büro zu holen.
Schwächt das Homeoffice die Produktivität?
Ein Argument taucht in der Diskussion immer wieder auf: Die sinkende Produktivität im Homeoffice. Und tatsächlich ist dies nicht ganz von der Hand zu weisen. Arbeitgeber, die befürchten, dass ihre Mitarbeiter zu Hause weniger produktiv arbeiten, können sich auf verschiedene Studien berufen.
Zuletzt auf eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Zusammenarbeit mit der University of California. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass sich die Arbeit im Homeoffice durchaus negativ auf die Produktivität auswirken kann, allerdings spiele der Zeitpunkt eine entscheidende Rolle: In der Studie wurden 235 mit Datenerfassung Beschäftigte in Chennai (Indien) während ihres Arbeitstages genauer beobachtet.
Das überraschende - oder vielleicht auch nicht überraschende - Ergebnis: Gerade diejenigen, die besonders viel Wert auf die Arbeit im Homeoffice legten, waren am unproduktivsten. Während sie anfangs noch bessere Ergebnisse erzielten als ihre Kollegen im Büro, litt ihre Produktivität im Laufe der Zeit. Schließlich waren diejenigen, die sich explizit für die Arbeit zu Hause entschieden hatten, in ihren vier eigenen Wänden 27 Prozent unproduktiver als an Tagen, an denen sie ihre Arbeit im Büro verrichteten.
Einer der Autoren der Studie, David Atkin, liefert eine Erklärung für dieses Phänomen: Beschäftigte, die sich bewusst dafür entscheiden, von zu Hause aus zu arbeiten, tun dies häufig auch, weil sie dort andere Verpflichtungen haben. Vielleicht müssen sie Kinder betreuen und brauchen deshalb die Möglichkeit, vor Ort zu arbeiten. Oder sie haben pflegebedürftige Angehörige oder andere häusliche Verpflichtungen, die sie zeitweise von der Arbeit abhalten. Der Grund für die geringe Produktivität ist also nicht unbedingt der Arbeitsort, sondern sind die familiären Verpflichtungen.
Das Homeoffice schwächt die Kommunikation im Team
Großes Problem neben der Produktivität: Die Gefahr, dass der soziale Austausch innerhalb der Belegschaft leidet. Dies wirkt sich nicht nur auf die Stimmung im Team aus (Isolation, geringerer Zusammenhalt und Teamgeist), sondern auch auf die Innovationsfähigkeit. Es wird schwieriger, sich spontan "zwischen Tür und Angel" mit einem bestimmten Kollegen auszutauschen, was Innovationsprozesse hemmt.
Remote Work als Argument im War for Talents
Während der Corona-Pandemie stellten so viele Unternehmen wie möglich auf Arbeit aus dem Homeoffice um. Doch jetzt sollen die Mitarbeiter möglichst wieder zurück ins Office, weil dort nach Ansicht der Arbeitgeber effizienter gearbeitet wird. Das stößt nicht bei allen Beschäftigten auf Gegenliebe und kann ein ungutes Gefühl hinterlassen.
Dennoch gibt es laut einer Umfrage des ifo-Instituts in fast jedem dritten Unternehmen in Deutschland eine Homeoffice-Regelung. Das heißt, es hat sich durchgesetzt. Die Betriebe wollen offenbar nur nicht mehr, dass ihre Mitarbeiter ausschließlich von zu Hause aus arbeiten. Daten des ifo-Instituts bestätigen das: Einer Erhebung zufolge arbeiteten im August 2023 ein Viertel aller deutschen Beschäftigten mindestens teilweise von zu Hause. Dieser Wert sei, so das ifo-Institut, seit April 2022 - kurz nach der Aufhebung der Corona-Homeoffice-Pflicht - nahezu konstant.
So praktizieren wir es auch bei TÜV Rheinland Consulting (TRC). Dazu wurde mit dem Betriebsrat eine betriebliche Regelung vereinbart: Die Beschäftigten werden je nach Tätigkeit in Intervalle eingeteilt. Die Intervalle beschreiben die Anzahl der möglichen Homeoffice-Tage pro Woche für die jeweilige Tätigkeit. So können beispielsweise Consultants bis zu vier Tage pro Woche mobil arbeiten. In ausgewählten Fällen ermöglichen wir auch Telearbeit, das heißt, diese Beschäftigten arbeiten ausschließlich von zu Hause aus.
Remote Work: Leitfragen und Lösungsansätze
In der täglichen Arbeit beschäftigen uns einige der Fragen, die auch im Mittelpunkt mancher Studien stehen:
Wie müssen Büros aussehen, damit sie Mitarbeiter ansprechen und zur Arbeit im Unternehmen animieren?
Was müssen wir als Arbeitgeber bieten, damit das Arbeiten im Office wieder attraktiv wird?
Wie kann Zusammenarbeit effizient gestaltet werden, wenn die Mehrheit der Beschäftigten im Homeoffice ist und wie in diesem Zusammenhang deren Führung auf Distanz funktioniert?
Die Antworten auf diese Fragen sehen bei TÜV Rheinland Consulting (derzeit) so aus:
1. Wie sollten moderne Büros aufgebaut sein?
Für den neuen Standort in Berlin wird ein neues Konzept ausprobiert: Anstelle von Standardarbeitsplätzen wurde die Fläche so umgestaltet, dass das Büro eher wie ein Co-Working-Space wirkt. Konkret heißt das: Es gibt keine festen Arbeitsplätze mehr. Stattdessen können sich die Beschäftigten über ein Buchungstool einen Arbeitsplatz für den Tag reservieren. Das führt zu einer Durchmischung der Teams und ist nicht nur gut für die Mitarbeiter, sondern auch für die Arbeitsergebnisse. Denn so ist es wahrscheinlicher, dass Beschäftigte aus verschiedenen Abteilungen zusammenkommen. Das wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein völlig neues Ergebnis erzielt wird.
Unter dem Strich ist unsere Erfahrung, dass sich die Menschen dort bewusster treffen, um zusammenzuarbeiten oder beispielsweise ein Meeting mit dem gesamten Team abzuhalten.
Das Konzept kommt so gut an, dass das Management von TÜV Rheinland Consulting beschlossen hat, ein bestehendes Büro, das noch nach dem alten Konzept der Festplatz-Büros funktioniert, gegen eine neue Bürofläche nach dem Co-Working-Space-Konzept auszutauschen, damit alle Mitarbeiter in Berlin die Möglichkeit haben, so zu arbeiten.
2. Wie lässt sich remote Zusammenarbeit am besten strukturieren?
In Bezug auf Videokonferenzen ist es mittlerweile üblich, die Anzahl der Online-Meetings zu reduzieren, um die Flut an Meetings einzudämmen. Gleichzeitig werden Meetings besser vorbereitet, mit einer klaren Agenda strukturiert und der Teilnehmerkreis gezielter ausgewählt. Darüber hinaus organisieren die Teams selbst virtuelle Teambuilding-Aktivitäten wie Team-Lunches, Social Events oder informelle Plaudereien beim virtuellen Kaffee, um den Zusammenhalt zu fördern und zu stärken.
3. Wie kann remote Leadership funktionieren?
Die Frage nach erfolgreicher Führung auf Distanz ist für mich als Geschäftsführer von besonderer Bedeutung. Der wichtigste Aspekt ist dabei die Kommunikation. Wir haben unsere Kommunikationsstrategie erweitert und interagieren viel stärker mit unseren Mitarbeitenden, als dies bei einer reinen Präsenzarbeit der Fall wäre. Da persönliche Begegnungen auf dem Flur nicht mehr möglich sind, setzen wir verstärkt auf alternative Kommunikationsformate.
Konkret heißt das:
Transparente Kommunikation: TÜV Rheinland Consulting legtWert auf eine offene und transparente Kommunikation. Regelmäßige Updates zu Unternehmensnachrichten, Fortschritten und Herausforderungen fördern das Vertrauen und die Abstimmung im Team. Dabei werden verschiedene Kommunikationskanäle vom klassischen Newsletter und Intranet über Microsoft Teams als Kommunikations- und Kollaborationsplattform bis hin zu verschiedenen digitalen Austauschformaten genutzt. Darüber werden Entscheidungen transparent kommuniziert, um Vertrauen und Verständnis zu schaffen.
Aufbau von Beziehungen: Der Aufbau von Beziehungen hat im Unternehmen oberste Priorität, auch im virtuellen Raum. Wir führen regelmäßige Einzelgespräche, um individuelle Ziele, Wohlbefinden und Anliegen zu besprechen. Anerkennung und Wertschätzung spielen dabei eine entscheidende Rolle, weshalb individuelle und kollektive Leistungen öffentlich gewürdigt werden, um die Moral und Motivation im Team zu steigern. Hier wird deutlich, dass die Qualität und Quantität dieses Austausches zwischen Führungskraft und Mitarbeiter von der jeweiligen Führungskraft abhängt.
Förderung von Autonomie und Vertrauen: Vertrauen und Autonomie sind für uns entscheidend, um ein produktives Remote-Arbeitsumfeld zu schaffen. Durch klare Erwartungen und Ziele stellen wir sicher, dass jeder im Team seine Rolle und Verantwortung versteht. Gleichzeitig wird den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, Entscheidungen selbstständig zu treffen, indem Aufgaben delegiert und Eigenverantwortung gefördert wird. Flexible Arbeitszeitmodelle ermöglichen unseren Mitarbeitern ein effektiveres Zeitmanagement und genügend Spielraum, persönliche Bedürfnisse zu berücksichtigen.
TÜV Rheinland Consulting ist sich durchaus bewusst, dass bei vielen der hier genannten Themen noch nicht die gesamte Zielsetzung erreicht wurde. Das heißt aber nicht, dass sich das Unternehmen damit zufrieden gibt, sondern realistisch einschätzen kann, wo es aktuell in Sachen Arbeitsplatzstrategie steht und was weiter verbessert werden soll. (pg)