Konflikte treten in Unternehmen vermehrt auf, wenn sich in ihnen Dinge verändern - sei es im zwischenmenschlichen oder strukturellen Bereich. Dass sie auftreten, ist normal. Dessen ungeachtet schmälern sie in der Regel jedoch die Leistung. Deshalb sollten in jedem Unternehmen Personen existieren, die über die Kompetenz verfügen, Konflikte früh zu erkennen und aufzugreifen sowie den Mitarbeitern ein wirksames Instrumentarium zu deren Bearbeitung an die Hand zu geben.
Zuweilen können diese sogenannten Konfliktberater oder -lotsen Führungskräfte sein. Häufig können sie vorhandene Konflikte aber nicht moderieren - zum Beispiel, wenn sie selbst (emotional) in den Konflikt involviert sind. Dann sollte eine neutrale Person die Konfliktparteien bezüglich geeigneter Lösungsstrategien beraten und/oder mit ihnen eine Lösung aushandeln - sofern gewünscht.
Warum Konfliktberater?
Diese Konfliktberater sollten mit den Methoden zur Deeskalation von Konflikten und zur Konfliktintervention vertraut sein. Zudem sind zwei Grundhaltungen wichtig:
Allparteilichkeit. Eine Konfliktmoderation kann nur erfolgreich sein, wenn der Konfliktberater (emotional) nicht Partei für eine Konfliktpartei und eine mögliche Lösung ergreift.
Vertraulichkeit. Die Konfliktparteien sprechen nur offen über ihre Gefühle, Verletzungen und Bedürfnisse, wenn sie sicher sind, dass die Gesprächsinhalte im Raum bleiben.
Konfiktberater oder Führungskraft?
Wie sieht die praktische Arbeit eines Konfliktberaters aus? Hierfür ein Beispiel. Angenommen eine Führungskraft registriert, dass es zwischen zwei Mitarbeitern ihres Bereichs regelmäßig zu Reibereien kommt. Sie ist jedoch unsicher, ob nur ein Interessengegensatz oder ein Konflikt vorliegt; außerdem, ob sie und, wenn ja, wie sie hierauf reagieren soll.
Dann kann sie mit einem Konfliktberater hierüber sprechen. Angenommen die Führungskraft und der Konfliktberater kommen überein: Es existiert ein leistungsmindernder Konflikt, also sollte man intervenieren. Dann können sie folgendes Vorgehen vereinbaren.
Schritt 1: Die Führungskraft klärt mit den Konfliktparteien das Problembewusstsein. Das ist wichtig. Denn zuweilen erwidern Mitarbeiter, wenn man sie auf Konflikte anspricht: "Wie kommen Sie darauf?" Sie negieren also den Konflikt. Deshalb sollte die Führungskraft zunächst klären, ob den Beteiligten der Konflikt bewusst ist und sie bereit sind, Zeit und Energie in seine Lösung zu investieren.
Schritt 2: Die Führungskraft holt die Zustimmung für eine Konfliktmoderation ein. Angenommen die Konfliktparteien bejahen die Existenz eines Konflikts, dann kann die Führungskraft diese fragen, ob die aktuelle Situation für sie zufriedenstellend ist. Antworten sie "Nein", kann die Führungskraft eine Konfliktmoderation durch einen neutralen Konfliktberater oder -lotsen vorschlagen - zum Beispiel mit der Begründung: "Ich möchte, dass Sie wieder in einer positiveren Atmosphäre und somit effektiver arbeiten."
Gespräch mit den "Streithähnen"
Angenommen die Konfliktbeteiligten entscheiden sich für eine Konfliktmoderation. Dann sollte sich der Konfliktberater in einem ersten Treffen den Konfliktverlauf schildern lassen - ohne ihn zu bewerten. Anschließend sollte er den Konfliktparteien den möglichen Ablauf der Moderation erläutern. Danach kann er die "Streithähne" bitten, sich bis zum nächsten Treffen zu überlegen, welche Verhaltensweisen sie sich vom jeweils anderen wünschen, um besser arbeiten zu können - jedoch keine Charakter-, sondern nur Verhaltensänderungen.
Die 8 Schritte einer Konfliktmoderation
Die eigentliche Konfliktmoderation kann wie folgt ablaufen:
1. Schritt: Einsteigen. Meist kommen die Mitarbeiter voller Emotionen zur Konfliktmoderation. Deshalb sollte der Konfliktberater zu Beginn einige Worte zum Thema Konflikte sagen. Zum Beispiel, Konflikte gibt es überall - nicht nur im Betrieb. Außerdem entstehen Konflikte stets aufs Neue. Zum Beispiel, weil sich die Anforderungen ändern. Also müssen immer wieder neue Lösungen gefunden werden.
Danach sollte er den "Streithähnen" nochmals erläutern, worum es bei der Konfliktmoderation geht: um ein Lösen des Konflikts. Jedoch nicht in der Form, dass alle Emotionen und Erfahrungen der Vergangenheit bearbeitet werden. Vielmehr soll die Arbeitsbeziehung neu ausgehandelt und das Verhalten an den Schnittstellen der Tätigkeitsfelder der beiden Mitarbeiter so geregelt werden, dass beide damit leben und ihren Job besser machen können.
Geben und Nehmen fair aushandeln
2. Schritt: Regeln definieren. Danach sollte der Konfliktberater mit den Konfliktpartnern Regeln für die Moderation definieren. Zum Beispiel:
Beide stellen Forderungen an das Verhalten des jeweils anderen.
Diese werden nach dem Prinzip "Geben und Nehmen" ausgehandelt.
Die Absprachen werden schriftlich fixiert.
Vereinbart werden sollte auch, was im Raum bleibt und worüber mit Dritten gesprochen werden darf.
3. Schritt: Die Aufgaben des Konfliktberaters klären. Der Konfliktberater sollte mit den Konfliktpartnern auch seine Aufgaben und seine Rolle klären - zum Beispiel:
Ich verhalte mich als Konfliktberater neutral und achte auf das Einhalten der Regeln.
Ich verhindere, dass über Undiskutierbares, also zum Beispiel die Ziele des Unternehmens, verhandelt wird.
Ich achte darauf, dass keine Vereinbarungen zu Lasten Dritter getroffen werden.
Klare Absprachen treffen
4. Schritt: Themen/Forderungen sammeln. Nach dem Klären der Formalien kann der Konfliktberater die Beteiligten bitten, auf einem Formblatt folgende Aussagen zu ergänzen:
"Es würde mir helfen, effektiver zu arbeiten, wenn Sie folgendes mehr/anders tun würden: ..."
"Es würde mir helfen, effektiver zu arbeiten, wenn Sie folgendes weniger/nicht mehr tun würden: ..."
"Bitte behalten Sie folgende Aktivitäten bei, die mir helfen, effektiv zu arbeiten: ..."
5. Schritt: Verständnis klären. Die ausgefüllten Formblätter sollten kopiert oder so aufhängt werden, dass jeder sie lesen kann. Danach bittet der Konfliktberater die Konfliktpartner, die Forderungen/Wünsche des jeweils anderen mit eigenen Worten laut zu formulieren. "Sie wollen, dass ich ..." Der andere soll die Aussage entweder bestätigen oder korrigieren. Sofern für das Verständnis nötig, bittet der Konfliktberater um Beispiele für das gewünschte Verhalten.
Wechselseitige Angebote machen
6. Schritt: Forderungen priorisieren und aushandeln. Danach können beide Konfliktparteien die Forderungen markieren, die ihnen besonders wichtig sind; außerdem die Forderungen, die verhandelbar sind. Anschließend unterbreiten sie sich wechselseitig Angebote. Zum Beispiel: "Wenn Sie mich zeitnah informieren, würde ich ...". Der Konfliktberater achtet darauf, dass das Aushandeln ein Geben und Nehmen ist.
7. Schritt: Absprachen treffen und protokollieren. Der Konfliktberater notiert die Absprachen. Dass beim Aushandeln der künftigen Arbeitsbeziehung auch mal die Emotionen hochkochen, ist normal. Das sollte der Konfliktberater zulassen, damit der Druck aus dem Kessel weicht. Dabei muss er jedoch Fingerspitzengefühl zeigen, um zu verhindern, dass sich beim Gegenüber Druck aufbaut. Nach einiger Zeit kann er zum Beispiel ruhig sagen, dass der Gefühlsausbruch zeigt, wie viel Emotionen im Spiel sind und dass solche Verletzungen sicher auf beiden Seiten existieren. Danach sollte er vorschlagen: "Lassen Sie uns wieder zu den Verhaltensweisen zurückkehren, die Sie sich wünschen."
Werden Absprachen eingehalten?
8. Schritt: Abschließen und Folgetermin vereinbaren. Die bei Konfliktmoderationen getroffenen Vereinbarungen erscheinen Außenstehenden oft als Kleinigkeiten oder Selbstverständlichkeiten. Für die Beteiligten sind sie jedoch wichtig, weil daran Emotionen hängen. Vereinbart werden sollte auch, was geschieht, wenn Absprachen nicht eingehalten werden.
Das müssen keine Sanktionen sein. Die Vereinbarung kann auch lauten: "Dann sprechen wir uns künftig darauf an." Vereinbaren sollte der Konfliktberater mit den Konfliktparteien auch einen Folgetermin, um zu überprüfen, ob die Absprachen eingehalten wurden und eventuell neue Konfliktpunkte entstanden sind.
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