Emissionen reduzieren, energieeffizient wirtschaften, sich der Klimaneutralität annähern: Was so selbstverständlich klingt, bereitet vielen Managern - auch in Deutschland - Kopfzerbrechen, vor allem in energieintensiven Branchen.Vor allem größere Unternehmen sind inzwischen auf einem guten Weg, ihre direkten Emissionen (Scope 1) und ihre indirekten Emissionen aus der Strom- und Wärmeversorgung (Scope 2) auf Netto-Null zu drücken.
Schwerer tun sie sich damit, indirekte Emissionen durch Tätigkeiten von Kunden, Lieferanten oder Mitarbeitenden (Scope 3) in den Griff zu bekommen. Laut einer Studie der Boston Consulting Group sind diese aber für bis zu 80 Prozent des CO2-Fußabdrucks eines Produkts verantwortlich.
Wer seine Emissionen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg auf Null reduzieren will, kann sich je nach Geschäftsmodell unterschiedlichster Methoden bedienen. Die Möglichkeiten reichen von der Optimierung der Logistik über CO2-Tracking mithilfe von Business Intelligence bis hin zur Kreislaufwirtschaft. Was all diese Methoden gemeinsam haben: Sie setzen den Einsatz digitaler Technologie voraus. Und das bringt uns zu den IT-Verantwortlichen.
Nachhaltigkeitsthemen brauchen klare Verantwortlichkeiten
Die Funktion des CIO hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Ende der 2000er Jahre beugten sich manche IT-Chefs noch über Excel-Tapeten, kümmerten sich um den Rollout des neuen SAP-Systems oder organisierten die konzerninterne Verrechnung ihrer IT-Dienstleistungen.
Heute ist ein CIO viel stärker als Stratege gefordert. Er ist nicht mehr der Verwalter einer Kostenstelle, sondern treibt auf Geschäftsleitungsebene wichtige unternehmensweite Projekte voran. Der CIO inspiriert echten Wandel und führt das Unternehmen zu neuen Geschäftsmodellen. Technologie wird inzwischen in allen Betrieben als absolut wettbewerbskritisch gesehen.
Doch wenn es um Nachhaltigkeit oder Klimaschutz geht, lassen sich auf dem C-Level zwei Beobachtungen zu machen: Entweder übernimmt der CEO die Hauptverantwortung und macht Nachhaltigkeit zu einem integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie. Dann hat er als Geschäftsführer per definitionem den Hut auf. Oder der Klimaschutz wird auf der Chefetage wie eine heiße Kartoffel herumgereicht, weil niemand dieses komplexe Thema auf der eigenen Agenda haben möchte. Und das ist ein Problem.
Denn erstens wird Nachhaltigkeit von der Politik zunehmend vorgegeben. Unternehmen, die das frühzeitig erkennen und sich als First Mover positionieren, können sich im Wettbewerb Vorteile sichern. Zweitens suchen viele Betriebe gerade händeringend nach Talenten, doch gerade jüngere Menschen möchten nicht mehr für Firmen arbeiten, die Klimaschutz und Nachhaltigkeit nicht ganz oben auf ihre Agenda setzen. Und drittens achten die Kunden, egal ob im B2B- oder B2C-Segment, genau darauf, ob Marken oder Organisationen Umweltthemen ernst nehmen.
CIOs sollten daher den Klimaschutz ganz konkret auf ihre Agenda schreiben. Sie haben heute in der Regel dafür das Standing innerhalb ihrer Organisation und verfügen sowohl über den notwendigen digitalen Denkhorizont als auch über das Gespür für technologische Chancen. Ohnehin ist in Zukunft praktisch kein Klimaschutzprojekt mehr denkbar, das ohne den Einsatz einer geeigneten digitalen Technologie auskommt. Es liegt also nahe, dass CIOs die Treiber des Klimaschutzes in den Unternehmen sein müssen.
Nachhaltigkeitsabteilungen kämpfen auf verlorenem Posten
Heute leisten sich viele Unternehmen kostspielige Nachhaltigkeitsabteilungen, die aber oft auf verlorenem Posten kämpfen, um vorhandene Prozesse klimafreundlicher zu gestalten. Besser wäre es, wenn Nachhaltigkeit ein selbstverständlicher Teil der kompletten Wertschöpfungskette und sämtlicher Unternehmensprozesse wäre - von Beginn an, nicht erst nachträglich, in Echtzeit und voll integriert.
Die Vorstände müssen verstehen: Nachhaltigkeit ist kein Marketingthema, sondern ein zentraler Erfolgsfaktor. Höchste Zeit also, dass sich CIOs dessen annehmen und aktiv dazu beitragen, dem Klimaschutz den unternehmerischen Stellenwert zu geben, den er verdient hat - damit wir uns auch in einigen Jahrzehnten noch über Unternehmenserfolge freuen können. (hv)