Schon immer standen IT-Verantwortliche vor der komplexen Aufgabe, die richtige Mischung aus Servern, Storage und Netzwerkausrüstung aus dem Angebot unterschiedlicher Hersteller zu finden. Im Cloud-Zeitalter könnten sich solche Überlegungen eigentlich erledigt haben. Gerade im Bereich Infrastructure as a Service (IaaS) liefert der Cloud-Provider die benötigten Ressourcen in Form von Services, der Nutzer muss sich um die Details der zugrundeliegenden Hardware keine Gedanken machen. In der Praxis ist die Sache nicht ganz so einfach. Jede Cloud-Plattform hat ihre Stärken und Schwächen, und ähnlich wie bei klassischen Investitionen in Hardware oder Software müssen CIOs strategisch entscheiden, ob sie auf einen einzigen oder doch lieber auf mehrere Anbieter setzen.
Geht es nach den Cloud-Providern, ist die Sache klar. Wer seine Workloads auf zwei Cloud-Anbieter aufteile, ernte eine Reihe von Nachteilen, argumentiert etwa Adrian Cockcroft, Vice President Cloud Architecture Strategy bei Amazon Web Services (AWS): "Sie werden langsamer, weil Sie ihre Mitarbeiter für zwei Plattformen schulen müssen. Und Sie halbieren Ihre Möglichkeiten, über Mengenrabatte bessere Preise zu bekommen." Unternehmen, die solche Potenziale ausschöpfen wollen, sollten sich auf einen Anbieter beschränken.
Multi-Cloud-Strategien: zu teuer und zu langsam?
Das Argument, CIOs könnten sich mithilfe von zwei Cloud-Providern besser gegen Ausfälle oder ein einseitiges Abschalten wichtiger Dienste wappnen, lässt der AWS-Manager nicht gelten. Verbindliche Enterprise Agreements würden derartige Fälle regeln und sicherstellen, dass ein Anbieter einen Dienst nicht einfach einstellt. Eine Multi-Cloud-Strategie dagegen sei für Unternehmen ressourcenintensiv und teuer.
Für diese Sicht spricht, dass IT-Verantwortliche in der Regel zusätzliche Management-Werkzeuge brauchen, um die Komplexität von Multi-Cloud-Szenarien im Griff zu behalten. Solche Tools können beispielsweise Auskunft darüber geben, für welche Cloud-Services ein Unternehmen bezahlt und wie effizient diese genutzt werden. Die passende Cloud-Management-Software zu finden, ist allerdings keine leichte Aufgabe. Zu unterschiedlich sind die diversen Systeme und Plattformen, der Markt ist durch etliche neue Player unübersichtlich geworden.
One size fits all funktioniert nicht in der Cloud
Dennoch raten Experten davon ab, auf einen einzigen Cloud-Provider zu setzen. Der wichtigste Grund: Eine Cloud-Plattform, die optimale Skalierbarkeit, Verfügbarkeit und Sicherheit für jede Anwendung bei niedrigen Kosten garantiert, gibt es in der Praxis nicht. Unternehmen würden sich deshalb fast zwangsläufig in Richtung einer Multi-Provider-Strategie bewegen, beobachtet die Gartner-Analystin Mindy Cancila.
Noch vor einigen Jahren stellte sich die Situation anders da. CIOs begannen, Anwendungen in der Public Cloud von Amazon zu testen. Fielen die Tests positiv aus, verlagerten sie einzelne Applikationen für den Produktivbetrieb in die Cloud. Mittlerweile ist nicht nur die Anzahl solcher Anwendungen samt unterschiedlichster Leistungsanforderungen dramatisch gestiegen. Auch die Optionen für Unternehmen im Public-Cloud-Markt haben sich vervielfacht. Vor allem Microsoft bietet heute mit seiner Azure-Plattform eine echte Alternative zum Platzhirsch AWS. Mit Office 365 und damit verbundenen attraktiven Mengenrabatten lockt der Softwaremulti immer mehr Unternehmen in die Azure-Welt. Andere finanzstarke Player wie Google mit seiner Cloud Platform, aber auch die Telekom, IBM oder Oracle, haben das Potenzial des IaaS-Markts ebenfalls erkannt und bauen ihre Angebote konsequent aus.
Welcher Cloud-Service passt zu meiner Anwendung?
CIOs müssen bei der Entscheidung für einen Cloud-Provider einen ganzen Strauß an Parametern berücksichtigen. Dazu gehören etwa Skalierbarkeit, Sicherheit und regulatorische Rahmenbedingungen. Analysten raten, dabei stets von einer zentralen Frage auszugehen: Welches ist der richtige Cloud-Service für eine bestimmte Anwendung? Azure beispielsweise eignet sich nach Einschätzung von Gartner dann besonders gut, wenn Applikationen zu großen Teilen auf Microsoft .NET basieren. Geht es um Linux-Installationen für den Enterprise-Einsatz ist womöglich AWS die Plattform der Wahl (siehe auch: AWS, Azure, Google: Public-Cloud-Plattformen im Vergleich).
Ein Einzelhandelsunternehmen könnte etwa durchaus vor einer Zusammenarbeit mit Amazons Cloud-Sparte zurückschrecken und stattdessen Azure oder die Google-Cloud bevorzugen. Ein Finanzinstitut oder eine Organisation aus der Gesundheitsbranche würde wohl eher auf die Kompetenzen des Cloud-Providers in Sachen Datenschutz und Compliance achten.
"Vendor Lock-in auch in der Cloud unvermeidbar"
Von dem berüchtigten Lock-in-Effekt sollten sich CIOs bei ihren Cloud-Entscheidungen jedenfalls nicht leiten lassen, empfiehlt Forrester-Analyst Dave Bartoletti. Aus unterschiedlichen Gründen hätten sich Unternehmen über Jahrzehnte schon mit ERP-Software, Datenbanken oder E-Mail-Systemen von Anbietern wie Oracle, SAP oder Microsoft abhängig gemacht. Ähnliches sei für Cloud-Services zu erwarten, ein Lock-in deshalb mehr oder weniger unvermeidbar.
Der Grad der Abhängigkeit hänge indes mit der Art und Weise zusammen, wie Unternehmen Cloud-Dienste nutzen, erläutert Bartoletti. Grundsätzlich sei es gar nicht schwierig, auf einen Cloud-Service eines anderen Anbieters zu wechseln, sofern es keine Abhängigkeiten zu anderen Cloud-Diensten der Plattform gebe. Eine Anwendung beispielsweise von AWS in die Azure-Cloud zu verschieben, könne durchaus einfach sein. Nutze die Applikation aber auch andere AWS-Dienste wie Load Balancing, Domain Name Services oder Datenbankdienste, könne das Vorhaben schnell komplex werden. Bartoletti: "Je mehr Sie von spezialisierten Services in der Cloud profitieren, desto abhängiger werden Sie von dieser Cloud." Aufgabe des CIOs sei es deshalb, Kosten- und Effizienzvorteile gegen innovative Features für besonders flexible und leistungshungrige Applikationen abzuwägen.
Gartner-Expertin Cancila rät Unternehmen, mit kleinen Testinstallationen zu starten, bevor sie ein Enterprise Agreement unterzeichnen. Die für einen Cloud-Betrieb vorgesehenen Applikationen sollten zu den Stärken des jeweiligen Cloud-Providers passen. Nicht jede Anwendung etwa benötige eine Verfügbarkeit von 99,999 Prozent und müsse simultan auf zwei Rechnerknoten laufen. Angesichts der Vielzahl potenzieller Anwendungen und SaaS-Angebote sei es für CIOs alles andere als einfach, eine passende Architektur zu finden. Die Kunst bestehe darin, Policies und Frameworks aufzusetzen, die den richtigen Mix aus unterschiedlichen Cloud-Services sicherstellten.
Mit Material von IDG News Service