Der gesellschaftlich-politische Rahmen dürfte sich durch die Krise in wesentlichen Punkten verändern. Es sind Fakten entstanden, die mit Sicherheit in die Zukunft hineinwirken. Die enorm angewachsene Verschuldung der Staaten, die Ausweitung der Geldmenge, zunehmende Arbeitslosigkeit und drohender Protektionismus dürften nicht ohne Folgen bleiben.
Die Krise trifft einzelne Gesellschaftsgruppen, Länder und Regionen unterschiedlich hart. So sagt Christoph Schmidt, Mitglied des Sachverständigenrates: "Hauptsächlich wird es die niedrig Qualifizierten und Geringverdiener treffen. In guten wie in schlechten Zeiten verliert diese Gruppe häufiger die Beschäftigung als die Gruppe der besser Qualifizierten. In der Krise nimmt dieses Ungleichgewicht zum Ungunsten der niedrig Qualifizierten noch zu."
Die Diskrepanzen im Wohlstandsniveau verschärfen sich. Soziale Spannungen sind eine zwangsläufige Folge dieser Entwicklungen. Bereits heute hat man den Eindruck, dass das gesellschaftliche Klima rauer geworden ist. Mit ansteigender Arbeitslosigkeit wird sich diese Tendenz verstärken. In einer aktuellen Studie gaben 77 Prozent der 5000 Befragten an, dass es einen starken Konflikt zwischen Arm und Reich in Deutschland gebe, vor zehn Jahren meinten dies erst 55 Prozent. Mit einer Zunahme der Kriminalität ist zu rechnen. Die Welt wird durch die Krise unsicherer. Ob die Wähler bei anhaltender Rezession stärker zu radikalen Parteien neigen, bleibt abzuwarten. Diesbezüglich ist die aktuelle Krise allerdings nicht mit der Depression der dreißiger Jahre vergleichbar - zumindest bisher nicht.
Auch Regionen werden von der Krise sehr unterschiedlich betroffen. Innerhalb der Europäischen Union nehmen die Spannungen zwischen Ost und West zu. In Schwellen- und in Entwicklungsländern gibt es Befürchtungen vor Massenunruhen. So sagte der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao, dass China "rund 8 Prozent" Wachstum brauche, um solche Unruhen zu verhindern. Dominique Strauss-Kahn, Direktor des internationalen Währungsfonds, spricht von einer "dritten Welle", in der aufkeimende Volkswirtschaften zerstört und Fortschritte bei der Armutsbekämpfung zunichte gemacht werden.
Aus stärkeren sozialen Spannungen erwachsen Konsequenzen für die Unternehmensführung. So können sich in den Unternehmen störende Auswirkungen auf Betriebsklima und Leistungsfähigkeit ergeben. Der Schweizer Unternehmer Michael Pieper, Vorsitzender des Verwaltungsrates der Franke-Gruppe, berichtet: "Wird in guten Zeiten vielleicht einmal im Monat ein Diebstahl in einer Fabrik oder einem Lager gemeldet, so passiert das jetzt oft." Marktseitig nimmt die Nachfrage nach Sicherheitsprodukten und -dienstleistungen zu.
Umgekehrt dürften Produkte des demonstrativ-öffentlichen Konsums leiden. Luxusautos verkaufen sich in Ländern mit starken sozialen Spannungen vergleichsweise schlecht. Auch Immobilien erfahren durch die Zunahme sozialer Diskrepanzen eine stärkere Preis- und Strukturspreizung - von Elendsvierteln bis zu bewachten Wohnquartieren, sogenannten "Gated Communities", zu denen nur Berechtigte Zutritt haben. Es ist unwahrscheinlich, dass es in Deutschland in Folge der Krise zu solchen Extremerscheinungen kommt, aber Teilentwicklungen in diese Richtung sind nicht auszuschließen. Sorgfältige Beobachtung und passende Vorsichtsmaßnahmen erscheinen angezeigt.
Von der Deflation zur Inflation
Kurzfristig werden die unausgelasteten Angebotskapazitäten weiter auf die Preise drücken. Zudem reagierten die Verbraucher bisher auf die Krise mit einer Erhöhung der Sparquote.
"Momentan halten Banken, Unternehmen und Haushalte die zusätzliche Liquidität. Damit wirkt sie sich weder auf die Vermögens- noch die Verbraucherpreise aus", sagt die Sachverständige Beatrice Weder di Mauro. Ein amerikanischer Bekannter schrieb dem Verfasser: "Eine angenehme Folge der Krise ist, dass man in New York problemlos an preisgünstige Theaterkarten kommt. Zudem kosten 3-Gang-Menüs in den besten Restaurants nur noch 35 bis 40 Dollar." Langfristig steht jedoch außer Frage, dass wir eine starke Inflation erleben werden.
Das ist eine der wenigen Prognosen, die wir in diesem Buch machen und der wir uns sicher sind. Die ungeheure Geldvermehrung im Zuge der explodierenden Staatsverschuldung wird unweigerlich zu starker Geldentwertung führen. In den nächsten Jahren dürfte der Goldpreis ansteigen. Gold und reale Werte wie Immobilien könnten zu bevorzugten Anlageklassen werden, da sie einen Schutz gegen die Inflation bieten.
Es ist schwer vorstellbar, dass der Staat die Inflation nicht nutzen wird, um sich zu entschulden. Ob wir langfristig eine Währungsreform oder gar eine Rückkehr zum Goldstandard erleben werden, sei offen gelassen.
Mehr in Werbung investieren
Es ist jedenfalls aufschlussreich, das solche Begriffe vermehrt in der öffentlichen Diskussion auftauchen. Henry Kissinger hielt in einem Vortrag ein neues Bretton Woods System für notwendig. Bisher ist dem Verfasser noch niemand begegnet, der eine überzeugende Lösung für die ausufernde öffentliche Verschuldung kannte. Das bedeutet nichts Gutes.
Diese möglichen bzw. wahrscheinlichen Folgen der Krise stellen die Unternehmen vor neue Herausforderungen. In der Deflation ist es besser, geringe Schulden zu haben, in der Inflation gilt das Umgekehrte. Die Preispolitik erweist sich unter deflationären Bedingungen als schwierig. Die Balance zwischen dem Druck, Preissenkungen mitzumachen, sie aber gleichzeitig möglichst lange hinaus zu zögern, ist schwer zu finden. In der Inflation sollte man unseren Erfahrungen zu Folge als Unternehmen die Preise häufiger und eher über- als unterproportional erhöhen. Aus Projekten in Brasilien wissen wir, dass Verbraucher die Bezugssysteme für die Einordnung von Preisen in Zeiten hoher Inflation teilweise verlieren. Es bringt dann wenig, besonders günstige Angebote zu machen. Besser ist es, die Preise stärker als die Inflationsrate zu erhöhen und mehr Geld in die Werbung zu stecken.
Mehr Informationen über das Buch "33 Sofortmaßnahmen gegen die Krise. Wege für Ihr Unternehmen" erhalten Sie auf der Website von Hermann Simon.
Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de