In welchen Bereichen lässt sich im Zuge der Digitalisierungsbemühungen der Wandel der Unternehmenskultur jetzt schon erkennen?
Sven Mulder: In erster Linie in der IT-Abteilung und dort vor allem bei den Entwicklern. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Nicht nur die Kontaktpunkte zum Kunden sind heute überwiegend digital, auch die gesamten Prozesse dahinter sind es und müssen entsprechend den Kundenwünschen flexibel sein. Das zwingt Entwickler in kleineren Schritten zu arbeiten und näher an den Anwender heranzurücken. Da das alles auch laufen muss, muss auch IT-Operations mitmachen.
Hinter der Nutzung von Web-Anwendungen und mobilen Apps, die inzwischen zum Unternehmensalltag gehören, stehen Anwendungsschnittstellen, die Daten und Informationen zwischen verschiedenen Anwendungen übermitteln. Heißt: Daten müssen für verschiedene Abteilungen wie Service oder Vertrieb beständig verfügbar sein. Und das abgesichert, was wiederum ein beständiges Monitoring und ausgeklügelter Authentifizierungsprozesse bedarf. Ohne einen agilen Arbeitsansatz werden Entwickler den heutigen Anforderungen am Markt nicht mehr gerecht.
Wieso nehmen Entwickler hierbei eine Vorreiterrolle ein? Was zeichnet ihre Arbeitsweise aus beziehungsweise unterschiedet diese von anderen?
Sven Mulder: Wenn Software immer mehr zum Schlüsselfaktor für Unternehmenserfolg wird, muss diese zuverlässig funktionieren und Bugs sind schnell zu beheben. Zugleich muss das Management für eine schnelle Umsetzung von Veränderungen sorgen, und der Aspekt der Sicherheit rückt in den Vordergrund. Das bedeutet höchsten Druck für Entwickler. Eigentlich war es auch genau dieser Druck, der die Welle der Agilität erst zum Laufen gebracht hat. Denn mit einer agilen Arbeitsmethode sind Unternehmen in der Lage, die Kriterien Schnelligkeit, Leistungsfähigkeit und Qualität unter einen Hut zu bringen.
Warum fällt es anderen Unternehmensbereichen schwerer, diese Arbeitsweisen zu adaptieren? Wo liegen die Herausforderungen?
Sven Mulder: Agiles Arbeiten erfordert eine ganz neue Art von Teamarbeit. Einerseits werden die Teams kleiner, um kürzere Abstimmungswege zu haben. Doch gleichzeitig wird die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen deutlich enger, sodass Netzwerke der Zusammenarbeit entstehen. Und so etwas müssen Teams erst lernen.
"Rücksicht zu nehmen ist absolut notwendig"
Was ist Ihr Vorschlag?
Sven Mulder: Innerhalb eines Unternehmens gibt es unterschiedliche Arbeitsweisen und Know-how-Levels. Darauf Rücksicht zu nehmen ist absolut notwendig. Hier die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, ist eindeutig Aufgabe des Top-Managements. Nur mit einer Schulung und einem Schubs in das kalte Wasser geht es definitiv nicht. Und nicht zu vergessen: Nicht für jede Abteilung ist eine agile Arbeitsweise sinnvoll. Ein kritisches Hinterfragen ist unabdingbar.
Entwickler und deren Abteilungen gelten meist nicht als diejenigen, mit denen andere Abteilungen im regen Austausch stehen. Wie lässt sich deren Arbeitsweise für andere zugänglich machen?
Sven Mulder: Durch die agile Arbeitsweise wird genau dieses Klischee aufgebrochen! Will man agil arbeiten, sollte Unternehmen Teams mit Kollegen aus verschiedenen Bereichen bilden. Durch einen regen Kontakt untereinander wird Wissen ausgetauscht. Gerade Entwickler sind die ersten, die sich mit Kollegen aus anderen Abteilungen treffen. Das ist der Kerngedanke hinter der agilen Unternehmenskultur.
Sollte die Entwicklung eines Unternehmens hin zur Agilität bei den Entwicklern beginnt?
Sven Mulder: Es ist auf jeden Fall das Naheliegendste. Besonders wichtig ist die zügige Zusammensetzung von gemischten Teams. Und diesen Wandel muss das Top-Management anstoßen. Ansonsten hat der Wandel nur wenig Chancen auf einen ganzheitlichen Erfolg. Es verlangt nämlich Offenheit und auch Mut, das ganze Unternehmen auf agil umzukrempeln.
Kommunhikationsverhalten des Managements
Wie würden Sie den idealen Weg zu einer agilen Unternehmenskultur skizzieren unter Einbeziehung der verschiedensten Abteilungen?
Sven Mulder: Den einen perfekten, für alle Unternehmen gültigen Weg gibt es nicht. Es gibt aber ein paar Maßnahmen, die Unternehmen auf dem Weg zu Agilität begleiten können. Besonders wichtig ist das Kommunikationsverhalten des Managements. Gemischte Teams und Botschafter können für den nötigen Wissenstransfer innerhalb der Abteilungen sorgen. Auch das Formulieren von Meilensteinen und ein permanentes Monitoring der Fortschritte sind wichtig, um den Weg zielstrebig weiter zu gehen. Viel Coaching muss eine agile Unternehmenskultur begleiten und kann nur Schritt für Schritt vorangehen.
Und was hat sich in Ihrer Arbeitsweise geändert?
Sven Mulder: In der täglichen Arbeit lösen wir Aufgaben so, dass alle betroffenen Bereiche von Anfang an mit einbezogen sind. Es besteht ein permanenter Austausch zwischen den Abteilungen während des kompletten Prozesses und wir leben eine offene Fehlerkultur. Aber auch wir sind noch auf dem Weg.