Fachkräftemangel

Warum Jobsuchende und Arbeitgeber nicht zusammenfinden

25.10.2023 von Silke Blumenröder
Einerseits klagen Firmen über fehlende Fachkräfte. Andererseits finden Jobsuchende trotz intensiver Bemühungen keine Stelle. Eine Suche nach Gründen und ein paar Lösungsvorschläge.
Es hilft nichts - Arbeitgeber müssen angesichts des Fachkräftemangels noch flexibler werden und Lösungen finden, um neue Mitarbeiter einzustellen.
Foto: Andrii Yalanskyi - shutterstock.com

Der Mangel an Fachkräften hat einen Höchststand erreicht: Mehr als 630.000 offene Stellen konnten vergangenes Jahr nicht besetzt werden, meldete das Institut der deutschen Wirtschaft. Dies sei die größte Fachkräftelücke seit Beginn des Beobachtungszeitraums im Jahr 2010. Laut Bundesagentur für Arbeit gab es Ende Juli 2,617 Millionen Arbeitslose und damit 147.000 mehr, als noch vor einem Jahr. Was wie ein Paradoxon scheint, lässt sich erklären.

Wenn die Nachfrage nicht zum Angebot passt

"Das Angebot und die Nachfrage stimmen nicht überein. Die Anforderungen, die Arbeitgeber stellen, passen oft nicht zu den Qualifikationen der Arbeitsuchenden" sagt Simone Stargardt, Inhaberin der privaten Weiterbildungsakademie carriere & more Südwest. "Vor allem gut ausgebildete Fachkräfte können sich einen Job aussuchen, während es Geringqualifizierte oder Bewerber mit einem ungeraden Lebenslauf immer noch schwer haben", fasst die Expertin für modernes Personalmanagement zusammen.

Simone Stargardt, carriere & more Südwest: "Die Anforderungen der Arbeitgeber passen oft nicht zu den Qualifikationen der Arbeitssuchenden."
Foto: carriere & more private Akademie Südwest GmbH

Hinzu kommen regionale Ungleichheiten: In bestimmten Regionen gibt es mehr offene Stellen als potenzielle Bewerber, während in anderen Teilen des Landes zwar viele Menschen einen Job suchen, es aber nur ein geringes Stellenangebot gibt. Die mangelnde Übereinstimmung zwischen Angebot und Nachfrage, man spricht hier von "Passungsproblemen", führt zu erfolglosen Teilnehmern auf beiden Seiten des Arbeitsmarktes und ist auch auf dem Auszubildendenmarkt seit Jahren eine Herausforderung.

Passungsproblemen mit Weiterbildung begegnen

Vor allem höher qualifizierte Mitarbeiter wie Akademiker oder auch Fortbildungsabsolventen wie Techniker, Meister, Fach- oder Betriebswirte, werden zukünftig für Unternehmen immer schwieriger zu finden sein. Im Zeitraum von 2013 bis 2022 stieg in dieser Gruppe die Fachkräftelücke um 405 Prozent, meldete das Institut der deutschen Wirtschaft. "Trotz dieses enormen Anstiegs haben viele Arbeitgeber ihre Eigenverantwortung noch nicht erkannt", findet Simone Stargardt.

Statt nur gut ausgebildete Fachkräfte zu suchen oder eine Stellenanzeige lediglich auf diese Zielgruppe auszurichten, sollten Personalverantwortliche den Blick öffnen. "Kandidaten, die zunächst ungeeignet für eine Stelle erscheinen, können sich mit passenden Fortbildungsmaßnahmen oft zu den dringend benötigten Fachkräften entwickeln."

Weiterbildung ist günstiger als Suche nach Wunschkandidat

Dass der Zeit- und Kostenaufwand dafür zu hoch sei, lässt die Trainerin als Argument nicht gelten: "Es gibt zum Beispiel Wochenend-Weiterbildungskurse, die neben einem Vollzeitjob absolviert werden können und in einem guten halben Jahr auf IHK-Prüfungen vorbereiten. Einen Bewerber einzustellen, ihn einzuarbeiten und zusätzlich eine solche Maßnahme zu ermöglichen, kommt Unternehmen günstiger, als monatelang weiter erfolglos nach dem Wunschkandidaten zu suchen", berichtet Stargardt aus ihrer Erfahrung als Unternehmensberaterin.

Ein Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung unterstützt diese Aussage. Demnach stiegen die Rekrutierungskosten in den befragten Unternehmen von Juni 2010 bis Juni 2022 um durchschnittlich 13,7 Prozent. Was unter anderem auf eine längere Dauer der Personalsuche sowie eine höhere Zahl an Suchkanälen zurückzuführen sei.

Jobsuche offensiver gestalten

Wer schon länger erfolglos eine neue Beschäftigung sucht, dem rät Simone Stargardt, in die Offensive zu gehen: "Wer in einem Unternehmen anruft, statt sich lediglich per E-Mail oder über ein Online-Portal zu bewerben, kann seine noch fehlenden Qualifikationen direkt ansprechen und seine Motivation zur Weiterentwicklung erklären."

Gerade bei Stellen in der IT sei häufig noch ein Studium gefordert, gibt die Beraterin ein Beispiel. Dabei ließe sich das benötigte Wissen oft auch "on the Job" oder mit einem Fortbildungskurs erlernen. Manche Nichtakademiker brächten die benötigten Kenntnisse bereits mit, fielen aber dennoch durchs Raster, weil sie die geforderten Abschlüsse nicht nachweisen können.

"Wer glaubt, das Stellenprofil erfüllen zu können, sollte anbieten, das unter Beweis stellen zu dürfen." Zum Beispiel mit einer Testaufgabe. Stargardt: "In Firmen, die Bewerbern Testaufgaben stellen, statt stur auf Zeugnissen und Abschlüssen zu bestehen, ist die Überraschung oft groß. Denn nicht selten stellt sich heraus, dass ein vermeintlich unzureichend qualifizierter Kandidat den Praxistest mit Bravour besteht."