Deutschland ändert sich. Zumindest was große Markennamen angeht, von denen jeder dachte, sie sind unsterblich. Erst "Quelle", dann "Schlecker", vielleicht "IhrPlatz" und nun Neckermann.
Der amerikanische Besitzer Sun Capital will kein Kapital mehr zuschießen und hat jetzt auch den von Neckermann-Vorstand, Gewerkschaft Verdi und Betriebsräten gemeinsam ausgehandelten Vertrag für einen radikalen Stellenabbau plus Sozialplan abgelehnt. Von insgesamt 2500 Beschäftigten am Standort Frankfurt sollten 1500 sozialverträglich den Hut nehmen. Sun Capital selbst wollte vor allem Kataloggeschäft, Logistik und eigene Textilproduktion beenden, der Online-Handel sollte fortgeführt werden.
Von Arbeitnehmerseite war zuvor vorgeschlagen worden, die Logistikabteilung in Frankfurt mit etwa 870 Angestellten nicht zu schließen, sondern ähnlich wie bei Amazon anderen Herstellern oder Retailern zu öffnen. Auftragsabwicklung bei Online-Bestellungen, Lager, Versand und Rücksendungen sollten als Dienstleistung angeboten werden. In der Tat lagern immer mehr Online-Shops solche Aufgaben an Service-Gesellschaften aus und konzentrieren sich auf Marketing und Verkauf. Da wäre durchaus ein Bedarf für externe Hilfestellungen vorhanden.
Mit Online-Shop seit 1995
Der Fall Neckermann ist insofern etwas Besonderes, weil man nicht so ohne weiteres sagen kann, das Versandhaus von einst habe – wie so viele andere Retailer in Deutschland – das Internet komplett verschlafen oder zu spät entdeckt. Schon 1995 war man mit einem eigenen Online-Shop dabei.
Und der soll mit der Zeit durchaus gut gelaufen sein. Am Ende waren es laut Firmenaussage schon 80 Prozent des Umsatzes, die auf diese Weise erwirtschaftet wurden. Und Neckermann hatte ja durchaus eine breite Kundenbasis, über Jahrzehnte aufgebaut, auch wenn diese Basis langsam dahin schmolz. Sich um die adäquat zu kümmern, ist offenbar versäumt worden.
Falscher Umgang mit dem Neckermann-Erbe
In dem berühmten Neckermann-Katalog zu blättern, Ratenzahlung und Lieferung bis an die Haustür – Umtausch eingeschlossen –, all das hatte ja durchaus einmal funktioniert. Zumal der große Konkurrent Quelle mit seinem alternativen Katalog-Programm (und stationären Verkaufsstellen) bereits 2009 aus dem Spiel war. Außer Otto war da nicht mehr viel.
Allerdings hat das Kataloggeschäft gravierende Nachteile im Vergleich mit dem reinen Online-Versand: Umfangreiche Kataloge pro Jahr verschlingen hohe Druck- und Versandkosten. Außerdem sind für längere Zeiträume festgelegte Preise nicht für alle Produkte marktüblich und durchsetzbar. Gerade online wird viel mit direkten und indirekten Rabatten und permanenten Produkt- und Preiswechseln gearbeitet. In Nischenbereichen und bei zahlungskräftiger Klientel sind Kataloge aber weiterhin ein Mittel zur Verkaufsförderung und Kundenbindung – siehe zum Beispiel Manufactum (dicke Kataloge pro Jahr, vierteljährliche Hefte mit vielen Sonderangeboten, Online-Präsenz plus eigene Läden).
In den letzten fünf Jahren hat sich der Umsatz im Kataloggeschäft laut Neckermann bereits halbiert. Wiederholt war daraufhin in der Logistikabteilung Personal abgebaut wurden, ähnlich wie beim Versandhaus Otto, der mit dem gleichen Problem kämpft. Offenbar hatte man es in Frankfurt versäumt, vor allem der durchaus breiten Palette von eigenen Bekleidungsartikeln attraktive Markennamen zu verpassen. Auch preislich gibt es durch Angebote wie zum Beispiel von H&M oder Zara jede Menge Konkurrenz. "Neckermann" hat im Unterschied zu "Audi", einer anderen deutschen Traditionsmarke, als Brand nie den Geruch von "Spießigkeit" und "kleine Leute" ablegen können.
"New Neckermann" oder so ähnlich hätte durchaus Chancen (gehabt) im Online-Geschäft. Andererseits: Die Konkurrenz durch Amazon oder Zalando ist knallhart. Für die Kunden ist es auf Dauer jedenfalls alles andere als gut, wenn ein Anbieter nach dem anderen vom Markt verschwindet.