Der Verkauf der traditionsreichen "Washington Post" an Multimilliardär Jeff Bezos wirft ein Schlaglicht auf den massiven Umbruch bei den US-Zeitungen. Die Entwicklungen bei Amerikas Verlegern sind aber nur bedingt auf Deutschland übertragbar.
Künftig gibt es mit der "New York Times" nur noch ein großes US-Blatt in der Hand einer Verlegerfamilie. Wie sieht es bei kleineren Titeln aus?
Die Zahl der verlegergeführten Blätter schrumpft in Amerika auch bei den Lokalzeitungen. Viele gehörten ohnehin schon zu größeren Verlagen wie der Washington Post Company oder der New York Times Company, die sie nun weiterverkauft haben. Die Tribune Company mit dem Flaggschiff "Chicago Tribune" spaltet ihre Zeitungstitel ab und konzentriert sich auf Lokalfernsehen. Es gab auch Pleiten kleinerer Blätter.
Beginnt eine neue Ära der Mäzene?
Zumindest in den USA haben Milliardäre zuletzt zugeschlagen. Den Anfang machte vor knapp zwei Jahren Starinvestor Warren Buffett. Er kaufte nach und nach rund 70 Lokalzeitungen auf, darunter den "Omaha World-Herald" seines Heimatortes. Erst am vergangenen Wochenende schnappte sich Sportclub-Besitzer John W. Henry den "Boston Globe". Auch der schwerreiche Industriemagnat Charles Koch äußerte Interesse am Gedruckten. Alle drei sind aber in erster Linie Geschäftsmänner und erst dann Wohltäter. Buffett und Koch sagten explizit, sie wollten mit den Zeitungen Geld verdienen - was angesichts der momentan günstigen Kaufpreise durchaus möglich erscheint.
Ist Bezos' Versicherung glaubwürdig, dass es ihm nicht ums Geld geht?
Jeff Bezos ist üblicherweise nicht auf den schnellen Dollar aus. Bestes Beispiel ist sein Versandhaus Amazon: Die Gewinne sind seit Jahren eher mickrig für ein solch großes Unternehmen. Zuletzt lief sogar ein Verlust auf, weil Bezos kräftig in neue Versandzentren oder Produkte wie seine Kindle-Tablets investierte. Er will so den Marktanteil des Online-Händlers steigern - und am Ende abkassieren. Möglich, dass Bezos auch bei der "Washington Post" einen langen Atem besitzt. "Das ist unbekanntes Gebiet und es wird Experimentieren erfordern", kündigte er nach dem Kauf an.
Besitzen auch in Deutschland reiche Investoren ganze Zeitungen?
Nein. Die Zeitungslandschaft in Deutschland ist weiter von Verlegern und ihren Familien statt Investoren geprägt. "Man muss sehr weit zurückgehen, wenn man außerhalb der Branche solche Investoren suchen will", sagt der Zeitungsforscher Horst Röper. "In frühen Zeiten der Republik war da mal kurzzeitig die Firma Bosch." Das Industrieunternehmen hielt noch in den 60er Jahren große Beteiligungen an mehreren Zeitungen in Baden-Württemberg. Röper: "Später hat es nur noch einen Fall gegeben: den Versuch des britischen Unternehmens Mecom, sich in den deutschen Markt einzukaufen." 2005 hatte Finanzinvestor David Montgomery mit seiner Beteiligungsfirma die "Berliner Zeitung" und den "Berliner Kurier" erworben, beide Blätter aber im Jahr 2009 wieder abgestoßen.
Wie erklären sich die besonderen Verhältnisse in Deutschland?
"Wenn größere Zeitungen komplett zum Verkauf standen, hat es auch ausländische Interessenten gegeben", erläutert Röper. "Aber sie sind nie zum Zuge gekommen, weil die einheimischen Verleger das eigentlich immer unter sich ausgehandelt haben." Darüber hinaus ist die Branche hierzulande stark von mittelgroßen Regionalzeitungen geprägt. Von den rund 22 Millionen Exemplaren Zeitungsauflage machen Regionaltitel knapp drei Viertel aus. Große Investoren interessieren sich Röper zufolge aber nicht für einen regionalen Teilmarkt. "Wenn, dann wollen sie richtig einsteigen - und das können sie nur, wenn sie eines der marktbeherrschenden Unternehmen aufkaufen." (dpa/rs)