Virtualisierung verspricht, die vorhandene Ausstattung an Servern, Desktop-Rechnern oder Speichergeräten, die häufig nur zu 20 oder zehn Prozent ausgelastet sind, besser auszunutzen. In der Tat sind viele Rechenzentren noch von Silo-Architekturen geprägt, die für Spitzenauslastungen ausgerüstet sind, die aber fast nie eintreten. In anderen Unternehmen haben sich Fachabteilungen ihre "eigenen" Gerätschaften rund um ihre Applikationen reserviert – sie sind ebenfalls reichlich mit Überkapazitäten versehen.
Virtualisierung und Cloud-Services machen auf jeden Fall einen Teil der bestehenden IT-Landschaft in den Unternehmen überflüssig, vor allem dann, wenn man bestimmte Leistungen billiger von externen Dienstleistern beziehen kann. Aus beiden Entwicklungen ergibt sich eine fatale Konsequenz: Weniger interne IT-Infrastruktur bedeutet in der Regel auch weniger interne IT-Mitarbeiter. Angefangen vom Boxenschieber über den Monitoring-Spezialisten bis hinauf zum Abteilungsleiter und zum CIO.
Nicht zufällig stoßen deshalb Technologien wie Virtualisierung und Cloud auf emotional hoch besetzte Ablehnung und letztlich auf Verweigerung und Destruktion, ähnlich wie es schon in der Vergangenheit Konzepten von Outsourcing oder Managed Services ergangen ist.
1. Outsourcing hat die Stimmung verdorben
In einer aktuellen Umfrage bei 1.200 amerikanischen IT-Professionals gaben nur sieben Prozent an, sie wären bereit, sich näher auf Public Cloud Computing einzulassen. Die Resultate der Befragung wurden jetzt in unserer US-Schwesterpublikation InfoWorld veröffentlicht. 47 Prozent ziehen eine Private-Cloud-Lösung vor. Und die übrigen 46 Prozent wollten sich überhaupt nicht konkret äußern. Das Motiv für die weitgehende Ablehnung von Public Cloud ist unschwer in den eher bitteren Erfahrungen mit Outsourcing zu sehen.
Anbieter von Public-Cloud-Modellen werden als verkappte Outsourcer betrachtet, deren Installationen sich fast immer negativ auf die Beschäftigung im Mutterunternehmen auswirkten. Selbst wenn der Outsourcer bei der Übernahme eines Firmenrechenzentrums verspricht, dessen IT-Mitarbeiter bei sich zu integrieren, bleiben genug Angestellte übrig, denen ihr Entlassungsschreiben überreicht wird.
IT-Mitarbeiter wollen nichts von der Public Cloud wissen
2. Automatisierung bedeutet weniger Arbeit von Menschen
So gesehen, muss man sich nicht wundern, wenn IT-Mitarbeiter nichts von Public Cloud wissen wollen. Das wäre etwa so, wie wenn man eine Gans fragen würde, was sie von einem Weihnachtsbraten hält. Nimmt man noch hinzu, dass Cloud Computing – egal, ob Public, Private oder Hybrid – immer auf Virtualisierung mit Automatisierungseffekten beruht, nimmt die Bedrohung für die Arbeitsplätze noch um einiges zu. Automatisierung ist zunächst immer dann sinnvoll, wenn eher routinemäßige, stupide und zu Fehlern führende Tätigkeiten abgelöst werden. Automatisierung, die zu weniger (menschlichen) Irrtümern führt, ist eine durchaus sinnvolle Einrichtung. Aber sie führt auch in der IT zu so genannten Freisetzungen – gerade bei weniger qualifizierten Mitarbeitern.
3. Nicht nur einfache IT-Arbeiten sind bedroht
Für den Analysten Ted Schadler von Forrester Research stellt Cloud Computing eine direkte Bedrohung für alle Blue-Collar-ITler dar. Damit meint er Administratoren und andere Mitarbeiter, die lediglich die IT-Infrastruktur in Gang halten. Doch wo hören die "einfacheren“ Arbeiten auf, und wo fangen die "komplizierten" an?
Virtuelle Umgebungen einzurichten hat nach Ansicht von Bernard Golden, CEO der Consulting-Firma HyperStratus, zunächst nichts an der Arbeits- und Rollenverteilung in den IT-Abteilungen geändert. Erst wenn mehr Automatisierungsmechanismen hinzu kommen und gleichzeitig die Virtualisierungstechnologie immer komplexer wird, gerät das gesamte Mitarbeitergefüge in Bedrängnis. Die Entlassungswellen werden größer. Zudem reicht das klassische Know-how von Installieren, Konfigurieren und Verwalten nicht mehr aus, und Spezialkenntnisse sind erforderlich. In der Folge kommt es zu einem Austausch der Mitarbeiter, wovon auch die höheren Chargen betroffen sein können.
4. Eine Welle der Industrialisierung rollt auf die IT zu
Dass das Phänomen der Automatisierung unqualifizierte Arbeitskräfte auf die Straße setzt, ist nicht neu. Bei der herstellenden Industrie konnte man das über Jahrzehnte hinweg beobachten. Fließbandarbeit und Massenproduktion führten zu einer Erhöhung der Produktivität bei gleichzeitig abnehmender Anzahl der Beschäftigten. Außerdem führte die Einführung neuer Produktionsmethoden in der Automobilindustrie durch Henry Ford zu dem Ruin hunderter unabhängiger Autohersteller in den USA.
In der IT-Branche sind ebenfalls Serienproduktion und Standardisierung eingezogen. Commodity-Produkte überschwemmen den Markt, Merger & Acquisitions am laufenden Band führen zu einem bisher nicht gesehenen Konzentrationsprozess. In den Rechenzentren sorgen standardisierte Produkte, Virtualisierung und Cloud Computing für gleichartige, industrieähnliche Arbeitsprozesse.
CIOs werden zum Infrastruktur-Manager - oder gehen
Industrialisierung der IT hat eine weitere Konsequenz: Über eine eigene IT zu verfügen ist nicht mehr das Maß aller Dinge, denn Outsourcing von Infrastrukturkomponenten bis zur völligen Auslagerung von Hard- und Software sind attraktiv, weil sie zu Kostensenkungen führen können. Zumindest wenn die SLAs (Service Level Agreements) stimmen. Cloud Computing ist da nur noch ein weiterer Schritt in diese Richtung: IT als Dienstleistung pur, bezahlt nach Verbrauch und nur solange, wie man sie wirklich braucht.
5. Der CIO und die Cloud
Beobachter der Szene wie Bernard Golden vergleichen schon jetzt die Auswirkungen von Cloud Computing mit denen der Automatisierung in der Autoindustrie. Für die IT-Abteilungen stellen sich neue Herausforderungen in Sachen Wirtschaftlichkeit: Cloud und Virtualisierung bedeuten eben in allen Varianten erhöhte Auslastung der Infrastruktur. Neue Abrechnungsmethoden führen zu einfacherer Vergleichbarkeit von IT-Leistungen und IT-Preisen – intern wie extern. Wenn man sich einen IT-Service für begrenzte Zeit von einem Partner besorgen kann, der noch dazu billiger ist, dann werden die Barrieren und psychologischen Bedenken sehr schnell in sich zusammenfallen.
Es wird nicht mehr um Einsparungen von ein paar Prozent beim Reisebudget oder bei den Trainingskosten gehen. Vielmehr muss die Kostenbetrachtung auf ein neues Niveau des permanenten Vergleichens gehoben werden: Was kostet zum Beispiel das Mieten von Speicherplatz für sekundäres Backup bei Amazon S3 gegen den Aufbau oder den Erhalt von Speicher-Arrays im eigenen Unternehmen.
Erfolgreiche CIOs werden so zu Infrastruktur-Managern, die alle am Markt vorzufindenden Möglichkeiten in ihre Kalkulationen mit einbeziehen müssen. Sonst sind auch sie eines Tages weg.