Laut einem Bericht des "Spiegel" hat die Web-Seite "Einkaufswelt", die als Teil von T-Online zum Telekom-Konzern gehört, eine Agentur damit beauftragt, fingierte Kundenbewertungen auf der Webseite zu platzieren. Die Agentur hat ihre Aufgabe sehr ernst genommen und offenbar Hunderte solcher "persönlichen" Kommentare in Auftrag gegeben - bei Meistern des Wortes, sprich echten Journalisten. Die Qualifikation des Dienstleisters bestand darin, Erfahrungen darin zu besitzen, wie man „Produktbeschreibungen optimiert".
Die Telekom selbst hat sich sehr schnell von dem Vorfall distanziert und die Schuld auf den "übereifrigen Dienstleister" geschoben, der autonom gehandelt habe. Mit dieser Reaktion hat der Konzern nicht zum ersten Mal bewiesen, dass das Delegationsprinzip sich auch immer dann auszahlt, wenn mal etwas schiefgeht: Niemand hat dann in solchen Fällen von nichts eine Ahnung. Was Mitarbeiter oder Dienstleister so getrieben haben, war auf jeden Fall nicht von oben angeordnet. Chefs müssen ja auch nicht alles selbst machen und wissen.
Die Moral der Geschichte liegt vielleicht eher in einem allgemeineren Aspekt: Retailer, und besonders jene, die im Web-Commerce vertreten sind, schwören seit einiger Zeit auf "Communities" oder "Social Networks". Konsumenten und solche, die es werden sollen, erhalten Platz für Kontaktaufnahme untereinander oder für Produktbewertungen, um auf diesem Wege die Verkäufe anzukurbeln. Soweit sicher ein legitimes Verfahren im aufblühenden Online-Business.
Dabei sind selbst negative Bewertungen willkommen, erzeugen sie doch auf jeden Fall Aufmerksamkeit für bestimmte Produkte. Und damit dienen auch sie dem Zweck, letztlich Produkt- oder Markenbindung zu erzeugen oder zu unterstützen. Je lebendiger, desto echter und wertvoller, heißt die Devise.
Vergessen wird dabei manchmal, dass sich unter gut gemeinten Bewertungen eben auch getürkte, halb oder ganz fingierte befinden, weil sich so mancher Konsument äußerst intensiv mit einem Produkt identifiziert und es über den Klee lobt. Wer solche Kommentare - zum Beispiel auf der Webseite von Amazon - liest, könnte so manches Mal etwas stutzig werden angesichts der sich überschlagenden Kommentare. Auch die ins Negative abdriftenden Bewertungen lassen aufhorchen. Und es stellt sich die Frage, wer solche Meinungen mit welchem Interesse online stellt.
Gefakte oder echte persönliche Meinungen?
Dieses nicht immer hehre und wertfreie Prinzip hat sich der erwähnte "übereifrige Dienstleister" offenbar systematisch zunutze gemacht. Dabei galt die folgende Instruktion für die Meinungsschreiber, wie jetzt bekannt wurde: "Es sollen realistische Produktbewertungen erstellt werden, die nach Möglichkeit möglichst real und natürlich verfasst sind." Die Schreiber sollten "in die Rolle des Users ‚schlüpfen‘ und möglichst authentische Bewertungen aller Produkte vornehmen". Alles sollte möglichst echt und persönlich geprägt aussehen.
Anbieter von Online-Shops, die ihre Kunden und Interessenten gerne in "Social Networks" locken und zu Produktbewertungen animieren wollen, sollten sich darüber klar werden, dass die Grenzen zwischen gefakt und echt im Internet oft fließend sind. In einer virtuellen Welt ist nicht alles real, und womöglich übertrifft der Schaden, den Web Communities anrichten können, manchmal sogar ihren Nutzen.
Von der Telekom war jedenfalls zu erfahren, man habe die inkriminierten Texte wieder aus dem Netz genommen.