Apple weist die iPhone-Verkäufe nicht mehr nach Modellen aus, daher müssen wir uns auf Daten von Drittanbietern verlassen, um zu sehen, welche iPhones sich am besten verkaufen. (Apple hatte jedoch noch nie Zahlen zu einzelnen Modellen genannt, seit dem letzten Quartal steht auch nur noch der Umsatz in der Bilanz und nicht mehr die Stückzahlen, Anm. d. Red.) Während seiner Bilanzpressekonferenz im Februar sagte Apple nur, dass das iPhone XR sein beliebtestes Modell sei, gab aber keinen Hinweis darauf, was das bedeutet.
Eine Analyse von Consumer Intelligence Research Partners (CIRP) könnte uns aber gute Hinweise geben. Darin heißt es, dass allein das iPhone XR im ersten Quartal 2019 38 Prozent des iPhone-Umsatzes in den USA erzielte. Das iPhone XS und XS Max machen zusammen weitere 21 Prozent aus (stark in Richtung XS Max geneigt), und die vier älteren Modelle (7, 7 Plus, 8 und 8 Plus) ergeben zusammen die restlichen 41 Prozent.
Das sind die besten Zahlen, die wir über die Beliebtheit des iPhone XR haben. Aber persönliche Erfahrungen lassen die Analyse realistisch klingen: Von all meinen Bekannte, die in den letzten Monaten ein iPhone gekauft haben, haben sich die meisten für das iPhone XR entschieden.
Während der Bericht von CIRP nur etwas über die Verkäufe in den USA aussagt, ist es leicht zu glauben, dass das iPhone XR international zumindest so gut abschneidet wie das iPhone XS und XS Max. Außerhalb der USA sind die Kunden deutlich preissensibler.
Apple ist mit seinen Smartphones nicht per sé auf Marktanteile aus, aber wenn es Handys herstellen will, die die Menschen wirklich kaufen wollen, sollte es einige Lehren aus dem Erfolg des iPhone XR ziehen.
Preis, Preis, Preis, Preis
Jeder beschwert sich darüber, dass Apples Geräte zu teuer sind, selbst für ein Premium-Produkt. Apple spricht ständig über den Wert, den iPhone und Co. tragen, aber ein Produkt, das Sie sich nicht leisten können, ist ein Produkt, das Sie sich nicht leisten können, egal welchen Wert es hat. Apple hat nur stillschweigend eingeräumt, dass der hohe Preis seiner Produkte in einigen internationalen Märkten auf Wechselkurse und Zölle zurückzuführen ist, aber selbst in den USA entscheiden sich die Kunden offenbar überwiegend für das am wenigsten teure neue iPhone
Der Bericht von CIRP vergleicht die aktuellen Daten mit jenen aus dem gleichen Quartal des Vorjahres, in dem das iPhone 8 und 8 Plus sich jeweils besser als das sehr teure iPhone X verkauften und zusammengenommen einen größeren Teil der neuen Umsätze ausmachten als das iPhone XR in diesem Jahr.
Wenn man sich beide Jahre zusammen ansieht, ist klar, dass die Mehrheit der Apple-Kunden, selbst diejenigen in einem wohlhabenden Markt wie den USA, der Meinung sind, dass 1.000 Dollar einfach zu viel sind, um sie für ein Telefon auszugeben, unabhängig von seinen Funktionen. Die Obergrenze für sogar viele brandneue Premium-Handy-Käufer scheint bei etwa 800 Dollar zu liegen. Apple sollte diesen Preis anstreben: Niemand lässt sich aber von einem 800-Dollar-Preis mittels Trade-In täuschen.
Preisgünstiger sollte nicht billig bedeuten.
Beim iPhone XR hat richtiger Weise alle wichtigen neuen Dinge in das System integriert. Es hat das nahezu rahmenlose Display. Es hat die TrueDepth-Kamera, so dass Sie Face ID und Animoji/Memoji nutzen können. Obwohl es nur eine einzige rückwertige Kamera hat, ist das die gleiche wie die Weitwinkelkamera des iPhone XS und Sie können immer noch den Portraitmodus verwenden und die Tiefenschärfe einstellen (zumindest bei Personen). Es nutzt den gleichen A12-Prozessor wie die beiden teureren Geräte von 2018.
Apples preiswertestes neues iPhone spart an ein paar Ecken, aber es schmälert nicht die Fähigkeiten oder die Leistung. Wenn Sie ein iPhone XS oder XS Max kaufen, bezahlen Sie für etwas edlere Materialien (wie Edelstahlkanten), ein etwas besseres Display (OLED) und vielleicht mehr Speicher.
Die Nutzer lieben Farben
Ich kenne mehrere Leute, die in den letzten Monaten ein iPhone XR gekauft haben, und kein einziger hat sich für die schwarzen oder weißen Varianten entschieden. Sie alle wollten eine der lebhaften Farben. Dies ist der Bereich, in dem sich die preiswertere XRs gegenüber ihren teureren XS-Brüdern auszeichnen – Schwarz und Silber und sogar Gold können einfach nicht mit einer Handvoll sorgfältig ausgewählter Farboptionen konkurrieren.
Farbige iPhones sind nicht leicht zu produzieren. Sie müssen die Produktion von Modellen mit unterschiedlichen Farben so steuern, dass sie der Nachfrage entspricht, und die Verteilung wird viel komplexer, da verschiedene Farben in verschiedenen Märkten beliebter sind. Aber so wie nicht jeder ein schwarzes oder silbernes Auto will, so will auch nicht jeder ein schwarzes oder silbernes Handy. Vielleicht würden sich Apples höherwertige Telefone besser verkaufen, wenn sie nicht so eintönig wären.
OLED spielt wohl nicht wirklich eine Rolle
Die Fachpresse ist begeistert von OLED-Displays, die echten Schwarztöne und superhohe Auflösungen bieten. Aber wenn das LCD wirklich gut ist, wie das des iPhone XR, werden die meisten Kunden den Wert von OLED nicht wirklich erkennen.
Das iPhone XR mag zwar eine niedrigere Auflösung haben, aber da die meisten LCDs ein gerades RGB-Streifenlayout und OLEDs ein PenTile-Layout haben, ist die Subpixelauflösung und -dichte auf einem gleichwertigen LCD tatsächlich besser. Wenn Sie vor einem sitzen und eine Webseite, E-Mail oder einen Tweet lesen, sehen die 326 Pixel pro Zoll des iPhone XR fast so scharf aus wie die 458 Pixel pro Zoll des iPhone XS oder XS Max. Und das XR hat alle anderen wichtigen Funktionen wie einen großen P3-Farbraum, True Tone, hohe maximale Helligkeit und ein hohes Kontrastverhältnis.
Einige Geräte, wie die Apple Watch, eignen sich besonders gut für die Vorteile von OLED. Aber vielleicht, nur vielleicht, ist es nicht so notwendig für ein Premium-Telefonerlebnis, wie wir ursprünglich dachten.
Niemand interessiert sich wirklich für 3D-Touch
Wenn ich mit jemandem darüber spreche, welches iPhone er kaufen soll, erwähne ich freilich, dass das iPhone XR kein 3D-Touch hat. Ausnahmslos muss ich dann erklären, was 3D-Touch ist, denn obwohl Apple diese Technologie seit Jahren auf iPhones, Mac-Trackpads und der Apple Watch einsetzt, scheint die Öffentlichkeit nicht zu wissen, um was es sich handelt.
Wenn ich es Leuten zeige, wie man es benutzt, ist die Hälfte davon überrascht, dass ihr Handy sogar schon immer diese Funktion hatte, dennoch machen sie 3D-Touch nie zu einem Teil ihrer gewohnten iPhone-Nutzung. Die andere Hälfte der Zeit erkläre ich den Leuten, dass sich ihre iPhones komisch verhalten, weil sie versehentlich die 3D-Touch-Funktion ausgelöst haben, von deren Existenz sie nicht wussten.
Die Funktion ist für Verbraucher anscheinend wenig wertvoll und ist, so dass kaum jemand gemerkt hat, dass sie das iPhone XR gar nicht hat.
Vielleicht ist es an der Zeit, 3D-Touch ganz aufzugeben, um Kosten und Komplexität zu reduzieren und stattdessen Shortcuts auf der Oberfläche einzurichten, die etwas intuitiver sind.
Alles auf das erschwingliche Modell
Im Vergleich zu Apples Strategie des Jahres 2017, wo das iPhone 8 und 8 Plus im Vergleich zum schicken neuen iPhone X wie ein Gerät vom letzten Jahr aussah und sich auch so anfühlte, hat Apple im Jahr 2018 eine andere Entscheidung getroffen. Das iPhone XR fühlt sich wie ein Bruder des iPhone XS an, mit all den Funktionen und der Qualität, die den Benutzern wirklich wichtig sind, einschließlich eines zukunftsweisenden Designs.
Vielleicht sollte Apple darauf bauen und sein billigstes neues Modell nicht nur zum erwarteten Bestseller, sondern auch zum "Flaggschiff" der iPhone-Flotte machen. Vielleicht, und das ist eine wilde Idee, sollte Apple seine Zwei-Phone-Strategie zugunsten eines einzigen iPhone in zwei Größen aufgeben, deren Preise bei 800 US-Dollar beginnen, mit all den Funktionen, die wirklich wichtig sind (Kameras!) und keiner derjenigen, die verzichtbar sind (3D-Touch). Apple könnte dem Apple-Watch-Modell folgen und das Premium-Ende des Marktes mit oberflächlichen Veränderungen wie Keramikgehäusen oder Veränderungen ansprechen, die eher persönliche Wünsche als Produktqualität (wie Größe oder Menge an Speicherplatz) widerspiegeln. (Macwelt)