Kann eine Arznei die Wirtschaft verändern? Seit Appetitzügler wie Ozempic oder Wegowy immer populärer werden, steht eine große Frage im Raum: Was bedeutet das für Fast-Food-Ketten oder Hersteller von Schokolade, Keksen und Snacks - oder auch Supermärkte? Es gibt erste Anzeichen, dass sich das Konsumverhalten so stark verändern könnte, dass sie die Folgen zu spüren bekommen.
Der amerikanische Supermarkt-Riese Walmart stellte bereits fest, dass Kunden, die die Medikamente nehmen, weniger einkaufen. Es seien weniger Artikel und "leicht weniger Kalorien", sagte der Chef des US-Geschäfts von Walmart, John Furner, dem Finanzdienst Bloomberg. Die Leute gäben allerdings mehr Geld für Gesundheit und Wellness aus, hatte Konzernchef Doug McMillon noch im August die Anleger beruhigt. Walmart verkauft die Medikamente über Apotheken in den Supermärkten - und kann sich dadurch ein Bild vom Kaufverhalten machen. Lediglich anonymisiert, versichert der Konzern.
Diabetesmittel macht auch satt
Die sogenannten GLP-1-Präparate wie Ozempic wurden ursprünglich als Diabetes-Medikamente entwickelt. Es stellte sich jedoch heraus, dass der Wirkstoff Semaglutid auch als Abnehmmittel dienen kann - auch weil er zur Folge hat, dass das Essen langsamer den Magen verlässt. Das körpereigene GLP-1-Hormon wird nach dem Essen ausgeschüttet und verstärkt das Sattheitsgefühl. Einige, die Semaglutid-Injektionen bekamen, berichteten auch von einer tiefen Abneigung gegen fettiges Essen. Da der Wirkstoff das Verdauungssystem beeinflusst, können zu den Nebenwirkungen Übelkeit, Durchfall oder Erbrechen gehören. Auch kostet etwa eine monatliche Dosis des Medikaments Wegowy in den USA rund 1400 Dollar. Doch allein der rasante Gewichtsverlust einiger Prominenter sorgt für einen Hype.
Experten der Bank Barclays prognostizieren, dass die Ausbreitung solcher Abnehmmittel die Nachfrage bei Anbietern von Snacks wie Chips und Fast-Food-Ketten drücken könnte. Conagra, ein amerikanischer Anbieter unter anderem von Tiefkühlkuchen und Trinkkakao, denkt bereits über kleinere Packungsgrößen nach. Andere Firmen schränken ein, man habe noch zu wenig Daten über das Kundenverhalten.
Druck auf Aktien
Die Stimmung der Investoren macht sich bereits in Druck auf die Aktienpreise von Unternehmen wie Pepsico oder McDonald's bemerkbar. Bei den Restaurant-Aktien werden zudem die sogenannten Short-Seller aktiver: Börsen-Spekulanten, die in Erwartungen sinkender Kure geliehene Aktien verkaufen - in der Hoffnung, sie später zu einem niedrigeren Preis zurückzukaufen und mit der Differenz einen Profit zu machen.
Ein Experte der Finanzfirma Mizuho sagte im Wirtschaftssender CNBC voraus, dass das Geschäft der US-Restaurantbranche zum Jahr 2025 um 25 Milliarden Dollar schrumpfen könnte. Als Folge würden auch die Verkäufe von Restaurant-Austattungen, Einkäufe im Großhandel und das Geschäft mit Essenslieferungen zurückgehen.
Analysten der Bank of America machten einen weiteren potenziellen Verlierer des Trends aus: Anbieter von kalorienarmen Tiefkühlprodukten. Denn warum sollten Leute extra Geld dafür bezahlen, wenn Medikamente gleich den Appetit bremsen?
Weniger Körpergewicht könnte Kerosin sparen
Eine Analystin der Investmentfirma Jefferies denkt unterdessen bei den Folgen eines Abnehmbooms noch weiter: Im Luftverkehr würden leichtere Passagiere mehr Gewinn bedeuten. So könne allein die US-Fluggesellschaft United Airlines rund 80 Millionen Dollar im Jahr sparen, wenn das Durchschnittsgewicht von Fluggästen dank der Mittel um rund fünf Kilogramm sinkt. Bei anderen Fluggesellschaften sei von Effekten in ähnlicher Größenordnung auszugehen. Auch Anbieter von Fitness-Artikeln und Bekleidung könnten vom Boom der Medikamente profitieren.
Allerdings gilt wie in anderen Diätfällen: Wenn man die Mittel nicht mehr nimmt, hört auch der Appetitzügler-Effekt auf, so dass die Kilos schnell wiederkommen können.