Sie haben sich schon mal über sich selbst geärgert, weil andere scheinbar mühelos mit anderen Menschen plaudern können? Ins Gespräch kommen, im Gespräch bleiben - das ist manchmal wirklich gar nicht so einfach. Aber Sie können das auch! Es ist sogar einfacher, als Sie vielleicht denken. Wie man es richtig anstellt und was man auf keinen Fall tun sollte, erklären die beiden Expertinnen Renate Birkenstock und Ilona Quick im Interview.
Liebe Frau Birkenstock, liebe Frau Quick, wie geht es Ihnen?
Ilona Quick: Danke, sehr gut. Vor allem, weil ich kurz vor meinem Urlaub stehe.
Renate Birkenstock: Ich komme gerade aus dem Urlaub und bin daher völlig entspannt und ausgeruht.
Wie ist denn das Wetter in Berlin? In Düsseldorf war es diese Woche furchtbar heiß!
Ilona Quick: Das war hier genauso. Ich habe versucht, meine Aktivitäten auf die frühen Morgenstunden zu legen und habe die lauen Sommerabende genossen.
Na, das war doch schon ein richtig vorzeigbarer Small Talk gerade, oder?
Ilona Quick: Definitiv - allerdings mit einer kleinen Einschränkung: Im Idealfall sollten wir im Small Talk Themen positiv ansprechen. Die Formulierung "furchtbar heiß" könnte dazu verleiten, über das Wetter zu lamentieren, wie zum Beispiel "Hier war es auch entsetzlich heiß, nachts hat es sich nicht abgekühlt, sodass ich nicht richtig schlafen konnte und am nächsten Morgen total gerädert war".
Aha- ich habe natürlich noch mehr Fragen zum Thema mitgebracht. Beispielsweise betrachten Kritiker das sogenannte seichte Geschwätz als Zeitverschwendung. Sie aber sagen, dass Small Talk auch eine Bedeutung für unseren beruflichen Erfolg haben kann. Was ist es nun?
Renate Birkenstock: Letzteres: Small Talk soll ein erstes Kennenlernen ermöglichen und eine angenehme Gesprächsatmosphäre schaffen, bevor man beispielsweise in Fachthemen einsteigt. Small Talk als Teil von Kommunikationskompetenz zählt zu den sogenannten Soft Skills, den Fähigkeiten, die über die eigentliche berufliche Qualifikation hinausgehen. Er wird daher im Arbeitsleben nicht mehr als Zeitverschwendung angesehen.
Ilona Quick: Auch unterscheiden sich in der heutigen Zeit Produkte oder Dienstleistungen verschiedener Anbieter teilweise nur noch geringfügig. Somit wird Kommunikationsstärke für den Erfolg eines Unternehmens und die persönliche Karriere immer wichtiger.
Was am allermeistern nervt ...
Welche Themen sind für einen Small Talk absolut ungeeignet und wie reagiert man, wenn der Gesprächspartner das Thema auf seine Darmspiegelung bringt?
Ilona Quick: Ungeeignet sind Themen, die polarisieren (z.B. Politik, Religion), die negativ besetzt sind beziehungsweise die unseren Körper betreffen (Tod, Krankheiten, Sex usw.). Die Darmspiegelung sollten Sie mit einem teilnahmsvollen Satz kurz kommentieren und dann das Thema wechseln: "Oh, das tut mir leid - das ist sicherlich unangenehm. Sie sagten vorhin, dass Sie diese Veranstaltung regelmäßig besuchen. Kennen Sie denn den heutigen Referenten?"
Sie raten in ihrem Buch dazu, sich mit völlig fremden Menschen in der Bahn zu unterhalten. Warum soll es gut sein, jemand anderen ungebeten vollzutexten?
Renate Birkenstock: Small Talk macht glücklich: Menschen freuen sich in der Regel, wenn andere Kontakt mit ihnen aufnehmen. Aber auch der Gesprächsinitiator ist danach nachweislich glücklicher, wie in einem Chicagoer Experiment 2014 nachgewiesen wurde. Es geht nicht darum, jemanden vollzutexten. Wenn der andere Ihre Gesprächsinitiative nicht erwidert, zwingen Sie ihm selbstverständlich kein Gespräch auf.
Selbstdarsteller, Witzeerzähler, Monologe: Was nervt Sie denn ganz besonders im Gespräch mit anderen Personen?
Renate Birkenstock: Endlose Witzeerzähler sind mir ein Gräuel. Das heißt nicht, dass ich nicht gerne über einen guten Witz lache. Allerdings verleitet das manche Gesprächsteilnehmer dazu, nur noch Witze zu erzählen. Dadurch wird häufig verhindert, dass man etwas mehr über seine Gesprächspartner erfährt.
Ilona Quick: Ich finde es ärgerlich, wenn sich offensichtlich Vertraute in einer Gruppe über interne Dinge unterhalten und damit andere vom Gespräch ausschließen.
Und wie steht es mit Lästern?
Ilona Quick: Das ist ein absolutes No-Go, besonders im beruflichen Umfeld. Man weiß nie, wer in der Gruppe wen kennt und an wen die Äußerungen weiter getragen werden könnten.
Wie wird man Klammerer und Belagerer wieder los?
Es gibt Menschen, die wollen einen den ganzen Abend nicht mehr los lassen, weil sie froh sind, endlich einen Gesprächspartner gefunden zu haben. Wie verhalte ich mich, ohne unhöflich zu sein?
Renate Birkenstock: Die meisten von uns kennen solche Situationen, sowohl aus der Perspektive desjenigen, der "belagert" wird, aber auch aus der Perspektive desjenigen, der "klammert". Denn wenn man bei einer Veranstaltung niemanden kennt, ist man froh, nicht allein herumstehen zu müssen. Nehmen Sie den "Klammerer" einfach mit zu einer anderen Gruppe oder Person und sagen Sie beispielsweise: "Da hinten sehe ich Frau Maier von der Firma XY. Ich möchte ihr gerne kurz Hallo sagen, kommen Sie doch einfach mit, dann kann ich Sie gleich miteinander bekannt machen".
Ilona Quick: Unhöflich und unschön sind Notlügen, wie beispielsweise: "Ich gehe zum Buffet und hole mir noch eine Kleinigkeit", von wo aus Sie nicht wieder zurückkehren. Peinlich, wenn Ihr Gesprächspartner allein im Raum stehend auf Sie wartet!
Und woran erkenne ich selber, dass ich mein Gegenüber langweile?
Renate Birkenstock: Es ist wichtig, die Körpersprache der Gesprächsteilnehmer aufmerksam zu beobachten: fehlender oder abschweifender Blickkontakt, auf die Uhr sehen, unruhiges Verhalten, knappe oder keine Antworten sind Anzeichen, dass jemand nicht mehr aktiv am Gespräch beteiligt ist.
Was halten Sie von der Idee, sich neben eine Gruppe von Leuten zu stellen und zu lauschen, worüber geredet wird, um sich dann an geeigneter Stelle umzudrehen und eine Frage zum Thema zu stellen?
Ilona Quick: Versetzen Sie sich in die Situation der Gruppe: Es ist unangenehm, wenn man das Gefühl hat, belauscht worden zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Person freudig in das Gespräch aufgenommen wird. Unserer Meinung nach sollten Sie daher eine solche Kontaktaufnahme vermeiden.
Kann man Small Talk eigentlich üben?
Renate Birkenstock: Selbstverständlich - Übung macht den Meister. Dazu eignen sich Alltagssituationen wie beim Bäcker, Fleischer, an der Haltestelle und so weiter. Meistens reagieren die Angesprochenen erfreut, wenn man Sie mit ein paar Sätzen bewusst wahrnimmt. Wir raten dazu, Small Talk in solchen privaten Situationen zu üben, um dann im beruflichen Rahmen locker und ungezwungen reagieren zu können.
Frau Birkenstock, Frau Quick, ich sehe gerade, dass ich noch ein Telefonat führen muss. Ich würde mich freuen, wenn wir in Kontakt bleiben! Dann kann ich Ihnen sicher erzählen, wie unseren Lesern das Interview gefallen hat.
Renate Birkenstock, Ilona Quick: Ja, vielen Dank. Wir würden uns auch freuen, in Kontakt zu bleiben und zu hören, wie es Ihren Lesern gefallen hat. (Handelsblatt)
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