Als Führungskraft ins Ausland
Die Bereitschaft, für die Karriere ins Ausland zu wechseln, ist in Deutschland weniger ausgeprägt als im weltweiten Durchschnitt. So gaben in einer Studie des Büro-Dienstleisters Regus nur 25 Prozent der deutschen Befragten an, sie wären heute eher wechselbereit als vor zehn Jahren - weltweit waren es 44 Prozent. Wie CIOs mit Heimweh umgehen, erfahren Sie auf den kommenden Seiten.
Matthias Moritz, Almirall
Für Almirall wechselte Matthias Moritz von Bayer Healthcare als Business Technology Corporate Director nach Barcelona.
Über sein Leben an der spanischen Mittelmeerküste sagt er:
"Vollkornbrot, Lakritz, Wurst, all das gibt es in der Metropole Barcelona natürlich. Was einem wirklich fehlt, ist in bestimmten Momenten der Besuch eines Freundes oder der Familie. Was einem definitiv hier nicht fehlt, ist ein Schneeschieber oder Handschuhe."
Sein Tipp an Ausreisewillige:
"Achtet auf bewusste Integration. Man muss nicht im deutschen Umfeld leben, es ist viel nützlicher, sich den Landesgegebenheiten anzupassen. Das wird in Deutschland auch erwartet, und ist in Spanien sicher nicht anders. Dazu gehört natürlich die Landessprache."
Gottfried Egger, Dräxlmaier
Der Österreicher Gottfried Egger arbeitet als CIO für den Automobilzulieferer Dräxlmaier im bayerischen Vilsbiburg.
Seine Erfahrung:
"Erstens: Man wird zu Beginn etwas belächelt und daher meistens unterschätzt. Zweitens: Diesen Überraschungsmoment, wenn es dann doch klappt, muss man unbedingt nützen, um auch ein paar grundlegende Veränderungen einzuleiten."
Weiter sagt er:
"Ich habe in meinen mehr als acht Jahren in Deutschland gelernt, dass man auch die letzte Meile zu seinem Ziel gehen muss und erst dann wirklich das Ziel erreicht hat. In Österreich ist man mit einer 95%-Lösung bereits mehr als zufrieden. Ich vermisse in Deutschland die Leichtigkeit, auch einmal Fünfe gerade sein zu lassen. Aus dem kulinarischen Aspekt fehlt mir natürlich ein richtiges Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat und einem steirischen Bier." Eggers Tipp: "Keine Angst, die CIOs im Ausland arbeiten auch nur mit Bits und Bytes."
Peter Meyerhans, Drees und Sommer
Der Schweizer Peter Meyerhans hat die CIO-Position bei Drees und Sommer in Stuttgart übernommen.
Er sagt:
"Ich vermisse erstens den einfachen, unkomplizierten und direkten Dialog, den ich von zu Hause gewohnt bin. Zweitens vermisse ich den tiefen Einkommenssteuersatz der Schweiz. Drittens Agrarprodukte aus der Nähe - ich wollte deutsche Äpfel kaufen, finde aber nur welche aus Neuseeland und Australien. Das mag auf dem Land anders sein, aber hier in der Stadt bekomme ich tatsächlich keine deutschen Äpfel! Und viertens vermisse ich die Schneeberge."
Sein Schlusswort an ausreisewillige CIOs lautet:
"Nur Mut, das klappt schon! Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit der gleichen Sympathie und Herzlichkeit aufgenommen werden, die ich in Deutschland erfahre."
Hans van Melick, GEA Group AG
Für die GEA Group AG in Düsseldorf arbeitet der Niederländer Hans van Melick als CIO.
Er sagt:
"What I miss most in doing Business is the more informal way of communication. The German habit of 'Sie und Du' and the rules of when one is allowed someone else 'zu Dutzen' makes communication unnecessary complex. From a personal perspective I am missing the proximity of the sea, as I was used to go there after just a short drive."
On the other side:
"I like a number of other German 'characteristics' such as their structured way of working and the lack of speed limitations on many highways." Wechselwilligen CIOs gibt er einige ganz handfeste Ratschläge mit - sie scheinen sich auch auf deutsche Konsumgewohnheiten zu beziehen.
My advise to other foreign CIOs:
"respect the local habits, make your commitments happen and learn to drink high volumes of beer."
Andreas König, Prosiebensat1
Der Österreicher Andreas König ist CIO bei Prosiebensat1 in München.
Seine Erfahrung:
"Bayern und Österreich liegen für mich nicht nur geographisch und kulinarisch sehr nahe beieinander - mein Heimweh hält sich also in Grenzen, seit wir in München leben. Obwohl das Kulturangebot in München zwar auch toll ist, muss ich aber schon sagen, dass mir die Wiener Staatsoper und der Musikverein doch ein wenig fehlen."
Und weiter:
"Ich kann CIO-Kollegen beim Jobantritt im Ausland nur empfehlen, sich schnell und offenherzig auf die lokale Kultur einzulassen - sowohl im Büro als auch privat. Die persönliche Note profitiert ja auch von der mitgebrachten "Exotik" - sogar wenn es nur "ein bisserl Falco" im Akzent sein sollte."
Cyrille Négaret, apetito catering
Der Franzose Cyrille Négaret ist CIO bei apetito catering.
Er sagt:
"Am meisten vermisse ich natürlich meine Familie und Freunde. Allerdings ist es heute mit unseren modernen Kommunikationsmitteln leicht, auch auf Entfernung in Kontakt zu bleiben. Facebook nutzt heute sogar meine Mutter, um mit mir zu chatten."
Weiter sagt er:
"Auch das typisch französische Essen vermisse ich - zum Beispiel Cassoulet (Bohneneintopf mit Entenfett) oder Galettes (Buchweizenpfannkuchen). Aber im Betriebsrestaurant meines deutschen Arbeitgebers apetito catering, einem internationalen Caterer, finde ich natürlich andere ausgezeichnete Gerichte. Typisch deutsche Klassiker, wie Currywurst, Grünkohl oder Spargel esse ich sehr gerne."
Zwei Tipps hätte ich für CIOs, die im Ausland arbeiten:
Es gibt zahlreiche Vereine in Deutschland, die beispielsweise viel mit Frankreich zu tun haben. Dort können Sie Landsleute treffen und Kontakte pflegen. Vernetzung im Business ist ein weiterer Aspekt. Ich bin einer der Außenhandelsräte Frankreichs und stehe in engem Kontakt mit der französischen Botschaft in Berlin. Ziel unserer Organisation ist es, junge Franzosen beim Einstieg ins deutsche Berufsleben zu unterstützen.
Patrick Naef, Emirates Group
Ins ferne Dubai zog es den Schweizer Patrick Naef, er arbeitet als CIO der Emirates Group. Den Kulturwandel erlebt er so: "Was mir in Dubai fehlt, ist die Professionalität, die wir aus Deutschland oder der Schweiz her kennen. Wenn man einen Klempner oder Elektriker in Haus bestellt, um ein Problem zu lösen, dann ist man sich gewohnt, dass jemand kommt, der ausgebildet ist, weiß, wovon er redet und entsprechend vorbereitet und ausgerüstet ist."
Und weiter:
"Ruft man hier einen Handwerker, kommen gleich vier oder fünf Inder ins Haus. Einer ist der Supervisor, typischerweise der Einzige, der etwas Englisch spricht, einer ist der Fahrer und die anderen sind meist die eigentlichen Handwerker. Keiner scheint jedoch sein Handwerk wirklich zu verstehen, geschweige denn das Problem oder wie man es lösen könnte. Werkzeuge, Ersatzteile etc. habe sie schon gar keine dabei und es wird dann einfach improvisiert. Alte Elektrokabel werde kurz mit etwas Klebeband wieder zu "neuen Kabeln" verbunden, die dann wieder verwendet werden. Wasserrohre, die leck sind, werden notdürftig wieder zugepflastert und alles ähnelt jeweils mehr einem Gebastel als professioneller Arbeit. Genauigkeit ist nicht wichtig, stimmt das gebohrte Loch nicht, wird die Schraube trotzdem reingewürgt, auch wenn danach alle schief ist. Was zuhause mit einem gut ausgebildeten Handwerker eine Stunde dauert, dauert hier mit einem Tema von 5 Leuten einen ganzen Tag. Und wenn man vor dem Abendgebet nicht mit der Arbeit fertig wird, dann geht man einfach, lässt alles offen liegen und kommt am nächsten Tag (wenn man Glück hat) oder aber auch erst ein paar Tage später wieder um weiterzumachen. Diese Kultur treffe ich leider oft auch in meinem Job als CIO an und in dieser Kultur einen zuverlässigen und qualitative hochstehenden IT Service anbieten zu können, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können, ist eine grosse Herausforderung und alles andere als einfach."
Er sagt:
"Was mir interessanterweise hier in Dubai fehlt, ist eine gute Schweizer Bratwurst. In Dubai bekommt man fast alles, sodass man nur auf weniges verzichten muss. Ein Waldspaziergang und die gute frische Waldluft geniesse ich jeweils, wenn ich mal wieder in der Schweiz bin. Die Familie vermisst die Verwandtschaft, unsere Tochter vor allem die Oma. Freunde? Ja, anfangs vermisst man die Freunde, aber mit den wirklichen Freunden bleibt man auch auf Distanz in kontakt. So trennt sich etwas die Spreu vom Weizen. Die wirklichen Freunden achten auch darauf, dass der Kontakt nicht abbricht und dass man sich jeweils sieht, wenn wir in der Schweiz auf Urlaub sind oder kommen uns auch in Dubai besuchen."
Naefs Schlusswort:
"An einem Ort wie Dubai, wo mehr als 80% der Bevölkerung zugewandert ist, baut man sich jedoch sehr schnell einen neuen Freundeskreis auf. Die Kontaktfreudigkeit in diesem Schmelztiegel von verschiedenen Kulturen, Nationalitäten und Religionen ist viel grösser als in Europa. Es sitzen ja die meisten “im gleichen Boot“, wurden aus ihrem sozialen Umfeld herausgenommen und müssen in Dubai diesbezüglich neu anfangen." Naefs Rat an ausreisewillige CIOs lautet: "Wichtigster Tipp: Seid tolerant zu anderen Kulturen, Religionen, Einstellungen und Auffassungen und lernt von ihnen. Nicht alles war in unserer Kultur und mit unseren Wertvorstellungen das Richtige ist, ist auch das Richtige in anderen Kulturen, weil dort die Wertvorstellungen oft anders sind."
CIOs gestalten den persönlichen Umgang mit dem Wechsel zwischen Kulturen und Nationen sehr unterschiedlich. So bekommt Matthias Moritz, der als CIO für Almirall nach Barcelona ging, auch an der Costa del Maresme sein Vollkornbrot und seine Lakritz-Bonbons. Was ihm fehlt, sind "in bestimmten Momenten der Besuch eines Freundes oder der Familie", wie er cio.de gegenüber sagte. Moritz Rat an Ausreisewillige: auf Integration achten, nicht im deutschen Umfeld leben, sondern sich die Landessprache aneignen.
Die Sprache war weniger das Problem für Gottfried Egger, der von Österreich nach Bayern zum Automobilzulieferer Dräxlmaier wechselte. Ihm fehlen schlicht das gute Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat (hochdeutsch: Kartoffelsalat) und einem zünftigen steirischen Bier. Er sieht in seiner Migrationsgeschichte Vorteile: Als österreichische Führungskraft werde man "zu Beginn etwas belächelt und daher meistens unterschätzt". Klappen die Dinge dann doch, kann man den Überraschungseffekt nutzen, um grundlegende Änderungen durchzusetzen.