Formel 1

Was CIOs von McLarens IT-Strategie lernen können

25.11.2024 von Jürgen  Hill
Daten sind mittlerweile das Lebenselixier der Formel 1. McLaren gewährte uns einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen in das IT-Nervensystem des Rennstalls.
In den Rennwagen auf der Rennstrecke steckt ein filigranes Nervensystem aus Daten, Connectivity und modernster IT-Technologie.
Foto: Michael Potts F1 - shutterstock.com

"Houston wir haben ein Problem" - nach diesem bekannten Funkspruch von Apollo 13 war es mit der Routine im texanischen Mission Control Center der NASA vorbei. Jetzt galt es die Astronauten trotz havariertem Raumschiff wieder lebend zur Erde zurückzubringen.

Ganz so dramatisch geht es über 50 Jahre später im Mission Control Center von McLaren Racing im englischen Woking nicht zu. Zwar muss das dortige Team keine Leben retten, doch die Formel 1 hält für den Rennstall andere Herausforderungen bereit: Bei der Hatz um Zehntausendstel Sekunden auf der Piste, ist in der Kommunikation jede Millisekunde entscheidend.

Das Nervensystem der Formel 1

Dabei kann die Kommunikation zwischen dem McLaren Technology Center (MTC), wo sich das Control Center des Rennstalls befindet, und dem Team an der Strecke rennentscheidend sein. Schließlich fungiert das MTC an den Rennwochenenden als strategisches Mastermind im Backend.

Denn hinter den dröhnenden Motoren, die der Zuschauer an der Strecke hört, verbirgt sich ein komplexes technologisches Ökosystem. Das McLaren-Team ermöglichte uns einen faszinierenden Einblick in dieses Nervensystem, das aus Daten, Konnektivität und modernster IT-Technologie besteht.

Daten als Lebenselixier

300 Sensoren liefern rund 100.000 Parameter in Echtzeit aus dem Rennwagen.
Foto: McLaren Racing

Allerdings dürfen wir leider nicht über alles berichten oder zu sehr ins Detail gehen. Schließlich kennt die Sicherheits-Paranoia in der Formel 1 keine Grenzen. Da geht zum einen die Angst um, die Konkurrenz könnte einen mühsam erarbeiteten Wettbewerbsvorteil erfahren. Zum anderen wächst mit der steigenden Popularität der Formel 1 die Gefahr von Cyberangriffen.

Und die könnten fatale Folgen haben, wie Dan Keyworth, Director of Business Technology bei McLaren, erklärt, "denn Daten sind das Lebenselixier der Formel 1". So liefern über 300 Telemetrie-Sensoren an jedem Rennwagen in Echtzeit 100.000 Parameter und Telemetriedaten. Im Rennen reduziert der Rennstall die Zahl der Sensoren dann auf Hundert, um Gewicht zu sparen.

Das Gehirn der Garage

Direkt an der Strecke wird diese Datenflut im mobilen Rechenzentrum des Teams, das sich in einem klimatisierten Container befindet, verarbeitet. Für Keyworth ist es das "Gehirn der Garage".

Die Top-CIOs der Automobil-Branche
Sven Lorenz
Der langjährige Porsche-CIO Sven Lorenz ist Konzern-CPO bei Volkswagen. Bei der Kür zum CIO des Jahres 2006 schaffte es Sven Lorenz auf den zweiten Platz.
Falko Morlock
Seit 1. September 2023 ist Falko Morlock CIO des schwäbischen Maschinen- und Anlagenbauers Dürr AG.
Alexander Buresch
Alexander Buresch ist seit Januar 2020 CIO des bayerischen Automobilkonzerns. Ein Foto des Managers hat BMW bislang noch nicht veröffentlicht. Der Wirtschaftswissenschaftler ist seit mehr als 20 Jahren für BMW tätig und war zuletzt Vice President Corporate Strategy and Planning.
Hauke Stars
Seit Februar 2022 ist Hauke Stars IT-Vorständin und Chief Information Officer bei Volkswagen.
Katrin Lehmann
Als CIO der Mercedes-Benz Group AG und der Mercedes-Benz AG verantwortet Katrin Lehmann die globale IT für alle Geschäftsbereiche, Marken und Märkte und berichtet direkt an den CEO.
Jürgen Sturm
Jürgen Sturm ist seit Januar 2015 Informatikleiter beim Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen. Sturm ist promovierter Ingenieur und kommt von der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH. Sturm war vor seiner BSH-Zeit zwischen 1999 und 2003 Bereichsleiter Organisation, Prozesse und Informationssysteme bei der Grundig AG.
Volker Schwarz
Der langjährige Rheinmetall-CIO Volker Schwarz ist seit Januar 2024 CIO beim Automobilzulieferer GKN Automotive.
Frank Loydl
CIO der Audi AG und damit Nachfolger des bisherigen CIO Mattias Ulbrich ist seit Februar 2018 Frank Loydl. Seit 2016 verantwortete er im Konzern die Software-Entwicklung. Ab 2009 war er bei T-Systems das Delivery Management für den Kunden Volkswagen AG zuständig. Diese Aufgabe übernahm Loydl 2013 schließlich direkt für den Automobilkonzern.
Martin Hofmann
Martin Hofmann tritt zum 1. Mai 2023 seinen neuen Posten als CTO und CIO bei Volta Trucks an. Zuvor war er drei Jahre als Senior Vice President bei Salesforce und über 19 Jahre bei Volkswagen, dort zuletzt als Group CIO.
Alexander Eisl
Der ehemalige MAN-Manager Alexander Eisl hat am 1. Oktober 2022 die Nachfolge von Skoda-CIO Klaus Blüm angetreten, der zu VW gewechselt ist.
Michael Hilzinger
Michael Hilzinger ist seit Juli 2019 CIO beim Bremsen-Spezialisten Knorr-Bremse in München. Er war zuvor Group CIO beim Stahlhändler Klöckner in Duisburg.
Petra Clemens
Seit Oktober 2024 leitet Petra Clemens die IT von Cariad, der Software-Tochter von Volkswagen. Sie kommt vom Eisenbahnlogistiker VTG.
Markus Bentele
Markus Bentele ist seit Januar 2017 Vice President Information Technology (VP)/Group CIO beim Automobilzulieferer Mahle International GmbH in Stuttgart. Zuvor war Bentele Corporate CIO der Rheinmetall AG.
Christian Ley
Christian Ley leitet seit 2006 den Bereich Informationssysteme Brose Gruppe. In dieser Funktion verantwortet er den Ausbau der IT-Lösungen im Kontext der Unternehmensstrategie. Ley begann 1995 als Diplom Betriebswirt (FH) als Trainee in der Brose Gruppe und wechselte anschließend als DV-Koordinator in die zentrale Anwendungsentwicklung. Dort übernahm er 1999 die Teamleitung für PPS- und QM-Systeme und anschließend die Leitung der Zentralabteilung „logistische Anwendungssysteme“. In dieser Funktion war er bis 2006 weltweit für zahlreiche SAP-Implementierungsprojekte verantwortlich.
André Wehner
Am 1. Juni 2021 hat André Wehner den CIO-Posten bei MAN Truck & Bus übernommen. Als IT-Chef verantwortet Wehner die weltweite IT des Nutzfahrzeugherstellers. Dazu zählen auch Produktionswerke, Logistikzentren und die eigenen Landesvertriebsgesellschaften. Sein Vorgänger Stephan Fingerling geht als Geschäftsführer zur Group IT Services GmbH, der IT-Tochter der Volkswagen Gruppe. Vor seinem Wechsel zum Münchner Nutzfahrzeughersteller war Wehner CDO bei Skoda Auto. In der neu geschaffenen Stelle kümmerte er sich dort seit 2016 um Unternehmensentwicklung und Digitalisierung.
Maik Krüger
Am 1. April trat Maik Krüger die Position des CIO bei Dräxlmaier an. Der studierte Wirtschaftsinformatiker war jahrelang in führenden IT-Positionen bei BMW tätig.
Sebastian Stoll
Seit 1. Juni 2021 ist Sebastian Stoll CIO und Group Vice President IT der FEV Gruppe. Er hat den Posten von Andreas Engels übernommen, der beim Kölner Compliance-Startup Kerberos eingestiegen ist. Stoll berichtet an CFO Jürgen Koopsingraven. Neben der Einführung von SAP S/4 Hana will Stoll die IT in die Cloud verlagern und die Security verbessern.
Saskia Kohlhaas
Saskia Kohlhaas ist seit November 2021 Senior Vice President Information Technology beim Engineering-Dienstleister der Automobilindustrie IAV.
Thomas Külpp
Seit August 2017 ist Thomas Külpp neuer CIO beim Autobauer Opel Automobile GmbH in Rüsselsheim. Zuvor war er bei Opel Director Sales & Marketing. Külpp hat Maschinenbau an der University of Applied Sciences in Wiesbaden studiert und als Diplom-Ingenieur abgeschlossen. Er arbeitet bereits seit 27 Jahren in verschiedenen Positionen bei Opel.
Marcus Claesson
Marcus Claesson ist CIO bei Daimler Truck. Er berichtet an den Vorstand für Finanzen und Controlling, Jochen Goetz. Darüber hinaus verantwortet Marcus Claesson die Connectivity Services innerhalb der Daimler Truck AG. Er ist seit 2017 im Unternehmen. Zuvor war Claesson CIO bei Electrolux AB.
Uwe Kühne
Uwe Kühne ist seit 2017 CIO bei GF Casting Solutions, einer Division des Georg Fischer Konzerns. Er fing 2004 bei der Georg Fischer Automobilguss GmbH als Systemanalytiker an und war zuletzt bis Ende 2016 als Head IT Operational Services bei GF Automotive für die Erbringung zentraler IT Infrastrukturleistungen verantwortlich. Auf seiner Agenda stehen die strategische Neuausrichtung der zentralen IT-Organisation, die Vorbereitung auf SAP S4/HANA, die Verlagerung zentraler IT Dienste in die Cloud sowie die Verbindung zwischen klassischer IT und Automations-Bereichen („i4.0“). GF Casting Solutions ist eine von drei Divisionen der Georg Fischer AG, ein börsennotiertes Unternehmen mit Hauptsitz in Schaffhausen, Schweiz. Das 1802 gegründete Industrieunternehmen betreibt in 33 Ländern 131 Gesellschaften, davon 51 Produktionsstätten.
Felix Willing
Felix Willing ist seit Januar 2018 Leiter des Bereichs Information Management beim Automobilzulieferer Hella GmbH & Co. KGaA im nordrhein-westfälischen Lippstadt. In dieser Position fungiert er zugleich als CIO für den globalen Hella Konzern. Zuletzt war er CIO beim Windturbinenbauer Nordex Acciona Windpower AG in Hamburg.
Bernd Süßmann
Bernd Süßmann ist seit September 2018 Head of Corporate IT bei der SAS Automotive in Karlsruhe, einem Joint Venture zwischen Continental and Faurecia. Er trägt dort die Gesamtverantwortung für die IT, führt dabei 80 Mitarbeiter und berichtet an den CFO des Unternehmens, Ekkehard Klautke.
Bernhard Pluhatsch
Bernhard Pluhatsch ist seit Oktober 2018 neuer Head of IT, Transmission Systems bei Magna Powertrain Transmission Systems (MPT TS) in Untergruppenbach bei Heilbronn. Er kommt von der Nürnberger Leoni AG, wo er von 2002 bis 2018 Vice President IT Infrastruktur war.
Michael Simon
Michael Simon (56) ist seit 1. Juli 2019 der Leiter Zentral IT und CIO der Volkswagen Retail Group. Er berichtet an die Geschäftsführung. Zuvor war der studierte Informatiker seit 2015 Leiter IT bei der Weiss Umwelttechnik GmbH. Insgesamt bringt er Erfahrung aus drei Jahrzehnten als Fach- und Führungskraft in der IT mit, unter anderem bei der Salzgitter AG Group.
Simon Blankenstein
Seit Oktober 2022 verantwortet Blankenstein als CIO die IT der Huf Group. Er berichtet an CFO Rainer Heupel. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört der weltweite Rollout von SAP S/4 HANA.
Tommy Andreasen
Nach der Fusion von MAN Diesel und MAN Turbo wurde Tommy Andreasen, vorher CIO von MAN Diesel, Anfang 2010 CIO der neu geschaffenen MAN Diesel & Turbo Gruppe. In den vergangenen 20 Jahren übernahm Tommy Andreasen innerhalb der MAN Diesel Gruppe verschiedene Management Positionen, schwerpunktmäßig im Bereich Finanzen und Controlling. Im Jahr 2000 wurde er Head of Information Technology bei MAN Diesel in Dänemark und entwickelte und führte eine neue IT-Strategie ein. 2006 wurde er dann CIO des gesamten MAN Diesel Konzerns.

Mit Hilfe dieser Daten, die von der Geschwindigkeit über die Reifentemperatur bis hin zum Benzindruck reichen, kann das 150-köpfige Team an der Strecke die Performance der Fahrzeuge analysieren und strategische Entscheidungen treffen. Aber das ist nur die halbe Miete, wie der Director einräumt.

Misson Control als Mastermind

Blick ins Mission Control Center von McLaren im englischen Woking.
Foto: McLaren Racing

Auch wenn in dem Container hochmoderne Server-Racks verbaut sind, reicht die Rechen-Power vor Ort nicht aus, um komplexere Simulationen ablaufen zu lassen. Diese sind etwa dann erforderlich, wenn es im Training und Qualifying trocken war, für das Rennen aber Regen angesagt ist. Nun gilt es, per Simulation herauszufinden wie sich die Boliden auf nasser Piste verhalten und welche Einstellungen zu ändern sind.

Deshalb müssen die an der Strecke anfallenden Daten parallel in Echtzeit ins MTC nach Woking übertragen werden. Dort ist die für solche Aufgaben erforderliche Rechenleistung installiert. Auf welche Art von Rechnern McLaren dabei genau setzt, wollte uns Keyworth mit Verweis auf die Betriebsgeheimnisse nicht verraten.

Wachsende Bedeutung der KI

Das McLaren-Rechenzentrum im MTC in Woking. KI ist dabei die nächste Evolutionsstufe des IT-Einsatzes.
Foto: McLaren Racing

Ihm war lediglich zu entlocken, dass man hierzu früher Machine-Learning-Technologien nutzte. Mittlerweile kommt KI als nächste Evolutionsstufe zu Einsatz. "Die Analyse von Telemetriedaten mit KI-Algorithmen ermöglicht es uns, Muster und Zusammenhänge zu erkennen, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben", skizziert Keyworth, "so sind wir in der Lage, fundiertere Entscheidungen über Strategie und Fahrzeugabstimmung zu treffen."

Und die KI offeriert neben der Optimierung der Fahrzeugleistung noch einen weiteren Vorteil: Es können an den Rennwochenenden mehr Simulationen in kürzerer Zeit gefahren werden. Angesichts der ganzen High-Tech wirkt ein anderes KI-Einsatzfeld fast schon old fashioned: Die Transkription von Sprachnachrichten mit KI entlastet die Ingenieure von mühsamen Aufgaben und schafft mehr Zeit für kreative Problemlösungen.

Nahtlose Connectivity als Erfolgsfaktor

Doch das war nicht immer so. In der Vergangenheit haperte es durchaus mit der Datenübertragung und die Latenzzeiten ließen zu wünschen übrig. Eine Datenanalyse in Echtzeit blieb so nur ein frommer Wunsch.

Mit Hilfe von Technologiepartner Cisco konnte McLaren die Latenzzeit bei Übertragungen von der Rennstrecke ins heimische Woking auf unter 130 Millisekunden reduzieren.
Foto: McLaren Racing

Für McLaren war es also an der Zeit, in die technologische Infrastruktur zu investieren. Technische Schützenhilfe in Sachen Netzwerk, Security und Collaboration gab es dabei von Cisco. Der Konzern ist seit 2022 Official Technology Partner des Rennstalls.

130 Millisekunden Latenzzeit

Dabei wurde nicht nur die Netzwerkinfrastruktur im MTC am Stammsitz auf Vordermann gebracht, sondern auch gemeinsam eine Netzstrategie für das Team an der Rennstrecke vor Ort entwickelt. So sollen etwa Wi-Fi-6E-Access-Point in der Box nicht nur Speed und geringe Latenzzeiten bieten, sondern auch eine größtmögliche Flexibilität beim Arbeiten erlauben.

Die Connectivity von der Box und dem mobilen Rechenzentrum an der Strecke ins heimische MTC in England stellt dabei eine dedizierte 100-Mbit/s-Verbindung sicher. In Kombination mit dem umfassenden Technologie-Upgrade konnte so die End-to-End-Latenzzeit auf unter 130 Millisekunden reduziert werden - selbst auf entfernten Rennstrecken wie in Mexiko.

Kommunikation in Echtzeit

"Damit haben Sie im MTC in Woking das Gefühl, als würden Sie direkt an der Boxenmauer in Mexiko sitzen und sich dort mit den Ingenieuren unterhalten", schwärmt Keyworth über die stark verbesserte Latenz. Und die ist auch notwendig, nicht nur für die Datenübertragung, sondern auch für die Sprachkommunikation zwischen Woking und dem Team an der Strecke.

Dan Keyworth, Director of Business Technology bei McLaren, beim Briefing. Der Kontakt mit den Kollegen an der Rennstrecke erfolgt in Meetings per Webex.
Foto: McLaren Racing

Schließlich sitzt im MTC ein 30-köpfiges Team an Ingenieuren, Technikern, Datenanalysten und Strategen mit Kopfhörern, die jederzeit in die Kommunikation der Boxencrew vor Ort eingreifen können. Die Kopfhörer sollen dabei eine möglichst störungsfreie Unterhaltung ermöglichen - also Störgeräusche wie anlaufende Motoren etc. ausblenden. Gleichzeitig stellen sie sicher, dass die anderen Teammitglieder durch die Gespräche in ihrer Konzentration nicht gestört werden.

Die Stimme der Vernunft

Dabei unterstützt das MTC-Team die Kollegen an der Rennstrecke mit Analysen, Simulationen und strategischen Empfehlungen. In dieser Rolle fungiert die MTC-Mannschaft für Keyworth als "Stimme der Vernunft".

Auf unseren fragenden Blick hin, löst der Technik-Direktor das Rätsel auf: Aufgrund der Hektik und dem Stress in der Box während eines Rennens benötige man noch ein Team, das aus der Distanz wie ein Ruhepol wirke. Und noch ein weiterer Aspekt spricht für diese Strategie: Die Mitarbeiter in Woking sind physisch und psychisch fitter als ihre Kollegen vor Ort an der Rennstrecke.

Stress für die Boxen-Crew

Die Boxen-Crew vor Ort wird von einem 30-köpfigen Team im heimischen Woking unterstützt. Dieses fungiert als Stimme der Vernunft.
Foto: McLaren Racing

Sie können nämlich in ihrer gewohnten sozialen Umgebung leben und kommen ausgeruht zur Arbeit. Die Boxen-Crew hat dagegen nur allzu oft mit Zeitverschiebung, Reisestress, stark wechselnden klimatischen Bedingungen etc. zu kämpfen. "Haben Sie dann noch einen Triple, wie im Herbst, wo wir im Wochenrhythmus von Austin nach Mexiko-Stadt und schließlich Sao Paulo wechselten, dann geht das an die Substanz", schildert Keyworth die Belastung der Mitarbeiter.

Damit steigt die Gefahr von Fehlern, dass womöglich kritische Daten übersehen oder falsch bewertet werden. Dem will man mit der zweiten Mannschaft im englischen Control Center vorbeugen.

Logistik: Meisterleistung der Koordination

Doch der globale Wanderzirkus der Formel 1 ist nicht nur für die Mitarbeiter eine Herausforderung. Er setzt auch logistische Meisterleistungen voraus. Im Falle des angesprochen Triples muss etwa nach dem Rennen am Sonntag bereits vier Tage später die komplette Team-Infrastruktur an der nächsten Rennstrecke einsatzbereit sein.

"Die Crew-Mitglieder erwarten, dass sie in die Box kommen, ihren Kopfhörer nehmen, einstöpseln und sofort mit ihrer Arbeit loslegen können und dabei an jedem Rennort eine identische Arbeitsumgebung vorfinden - egal ob Ingenieur am Fahrzeug oder Datenspezialist am Rechner", veranschaulicht der Director die Herausforderung. Was die beiden Rennwagen und das mobile Rechenzentrum betrifft ist die Lösung zwar einfach und schnell, aber auch kostspielig: Sie reisen per Frachtflugzeug zum nächsten Veranstaltungsort.

Militärische Präzision

Damit Rennwagen, Zubehör und Equipment immer rechtzeitig an der Rennstrecke ankommen ist eine komplexe Logistik erforderlich.
Foto: McLaren Racing

Das restliche Equipment wie Computer, Monitore, Server oder Netzkomponenten, reist per Seefracht um die Welt. Damit gewährleistet ist, dass die Ausrüstung immer pünktlich vor Ort ist, hält McLaren sechs identische Sets vor. "Diese komplexe Logistik", so Keyworth, "erfordert ein Team von Spezialisten, die mit militärischer Präzision arbeiten und jeden Schritt der Reise minutiös planen."

Auf die Frage, ob er angesichts dieser komplexen Aufgabe noch ruhig schlafen könne, antwortet Keyworth lachend: "Die Sicherheitsfrage ist das Einzige, was mich nachts wachhält." Wozu eigentlich kein Grund besteht, denn bislang gelang es McLaren, seine Infrastruktur vor Eindringlingen zu schützen.

Schutz der digitalen Assets

Zumal der Rennstall bezüglich Cybersecurity ebenfalls Schützenhilfe vom Technologiepartner Cisco erhält. Um die Infrastruktur zu schützen, kommt fast das gesamte Cisco-Portfolio zum Einsatz - vom VPN über Firewalls bis hin zu den dedizierten Sicherheitssuiten.

In Sachen Performance-Management vertraut Keyworth auf die Network-Intelligence-Lösung der Cisco-Company ThousandEyes. So hat er jederzeit seine Infrastruktur im Blick und kann mögliche Schwach- oder Engstellen bereits im Vorfeld erkennen, bevor sie sich zu einem katastrophalen Ausfall entwickeln.

Was CIOs von der Formel 1 lernen können

Und was können CIOs anderer Branchen von der IT-Strategie McLarens lernen? Ein Punkt liegt für Keyworth auf der Hand: Fokussieren. "Ich habe ein klares Ziel vor Augen, zwei Autos auf die Strecke zu schicken und möglichst Erster zu werden", erklärt er, "darauf konzentrieren sich die IT, die Mitarbeiter und die Unternehmensstrategie."

Im Gespräch mit anderen Technologieentscheidern gewinnt er dagegen häufig den Eindruck, dass viele Unternehmen kein klares Ziel haben, dafür aber vielleicht zehn verschiedene Visionen. "Die Konsequenz ist dann, dass es nicht die eine Sache gibt, von der man besessen ist. In der Folge verzetteln sich alle - egal ob in der IT oder bei der Strategie und es geht nichts voran", mahnt Keyworth.

Datengestützte Entscheidungen

Ein weiterer Punkt ist für den Technology-Director die datengestützte Entscheidungsfindung. "Dabei ist es egal, ob es sich um Telemetriedaten wie bei uns handelt, oder um eine Produktionslinie oder ein Produkt im Markt, das ständig Informationen liefert; nutzen Sie diese Daten in Echtzeit und Sie können schnellere und präzisere Entscheidungen treffen", unterstreicht Keyworth.

Ein anderer Aspekt, den viele CIOs in seinen Augen unterschätzen, ist der Wert historischer Daten. Selbst wenn McLaren in der nächsten Saison mit einem neuen Auto zu einem Rennkurs kommt, sind die alten Daten nützlich. "Anhand dieser können wir beispielsweise errechnen, mit welchem Abtriebsniveau unser neues Auto durch eine bestimmte Kurve fahren wird, obwohl das Fahrzeug noch nie dort war", geht der Manager ins Detail. Mit Blick auf die KI rät er, alte Informationen wieder auszugraben und neu analysieren zu lassen.

Last but not least sollten CIOs noch ein Konzept in Betracht ziehen: Die Daten näher an den Ort zu bringen, an dem sie verarbeitet werden.