Die Auswirkungen der Virtualisierung auf die Lizenzierung von Datenbanken sind ein seit Jahren kontrovers diskutiertes Thema in der IT-Branche. Die klassischen Bezugsgrößen wie Server, CPU oder User-Anzahl sind in der virtuellen Welt nicht mehr so ohne weiteres greifbar. Die Hersteller von Datenbanken tun im übrigen alles, um ihre alten, äußerst profitablen Lizenzmodelle in die Gegenwart und Zukunft von Virtualisierung und Cloud hinüber zu retten.
Die Problematik hat es in sich, denn das ursprünglich aus der Mainframe-Welt stammende Konzept der Virtualisierung ist nicht mehr aus dem Unternehmensalltag wegzudenken und hat auch die Domäne der Datenbanken erfasst. So ergab eine Umfrage der Anwendervereinigung DOAG aus dem Jahre 2010, dass von 420 Oracle-Kunden etwa 90 Prozent Virtualisierungslösungen einsetzen. Die meisten tun das mit VMware, einem Hersteller, der ebenfalls für seine nicht zimperliche Lizenzpolitik bekannt ist.
Bei der Einführung von neuen Lizenzmodellen sind unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen. Auf der einen Seite verlangen die Kunden flexible Lizenzmodelle, die dem Abruf der tatsächlichen Rechenleistung in virtuellen Umgebungen gerecht werden. In der Theorie wären verschiedene Modelle denkbar, wie zum Beispiel das aus der Mainframe-Welt stammende „Metering“, bei der die Nutzung der Hardware-Ressourcen durch die Anwendung protokolliert wird.
Doch auf der anderen Seite benötigen die Kunden kalkulierbare Lizenzkosten, um das IT-Budget im voraus planen zu können. Bei einem verbrauchsgerechten Lizenzmodell wissen die Kunden aber nicht, welche Lizenzkosten am Ende des budgetierten Jahres zu Buche schlagen werden. Insofern wäre bei der Einführung von neuen Lizenzmodellen auch ein Umdenken bei der Budgetplanung notwendig.
In der Praxis begegnen einem unterschiedliche Lizenz- und Abrechnungsmodelle. Diese werden bei Virtualisierungsprojekten oft zu spät berücksichtigt. Als Folge kann es zu einer signifikanten Reduktion der erhofften Einsparungen oder zu nachträglichen Einschränkungen bei der technischen Umsetzung von Virtualisierungsprojekten kommen. Einige Unternehmen geraten unwissentlich in eine Unterlizenzierung, was bei einem späteren Audit durch die Hersteller sehr teuer werden kann.
Im Folgenden werden exemplarisch die Lizenzmodelle von Oracle, IBM und Microsoft gegenüber gestellt, um mehr Transparenz zu schaffen und um eine Entscheidungshilfe bei der Planung von Virtualisierungsprojekten zu bieten.
Das Lizenzmodell von Oracle
Bei der Lizenzierung von virtuellen x86-Umgebungen hält sich Oracle meist an altbekannte Partitionierungsregeln, die der technisch sinnvoll erachteten Virtualisierung bei der falschen Planung kostenseitig Steine in den Weg legen können. Laut Aussage von Oracle-Vorstand Jeb Dasteel wird es auch in naher Zukunft keine Änderungen in den Lizensierungsregeln beim Einsatz von x86-Virtualisierungslösungen geben.
Grundsätzlich unterscheidet Oracle zwischen der Soft- und Hard-Partitionierung.
Soft-Partitioning – alle im Server laufenden CPUs sind zu lizenzieren
Virtualisierungslösungen, bei denen die Zuteilung der Prozessoren über Ressourcen-Manager erfolgen, bewertet Oracle als Soft-Partitioning. Beispiele hierfür sind: Solaris 9 Resource Containers, AIX Workload Manager, OracleVM oder VMware. Diese Lösungen haben keinen Einfluss auf die zu zählenden CPUs.
Alle im Server installierten physischen CPUs müssen berücksichtigt werden. Die Anzahl der virtuellen Betriebsumgebungen und Instanzen auf dem physischen Server ist irrelevant. Im untenstehenden Beispiel ist ein softpartitionierter Server mit acht installierten CPUs abgebildet. Eine Partition mit zwei CPUs wird von der Oracle DB genutzt. Es sind alle acht CPUs im Server für die Oracle Datenbank zu lizenzieren. Die benötigte Anzahl an Lizenzen (Prozessor oder Named User) wird anhand der Kerne pro CPU kalkuliert (siehe auch Oracle Processor Core Factoring Table).
Hard-Partitioning - nur zugewiesene Prozessoren sind zu lizensieren
Beim Hard-Partitioning wird der Server physisch in einzelne voneinander unabhängige Segmente aufgeteilt. Es sind in diesem Fall nur die dem jeweiligen Segment zugewiesenen Prozessoren zu zählen. Beispiele für von Oracle anerkannte Lösungen: Solaris 10 Containers, LPAR, Micro Partitions, vPar, nPar, OracleVM (bei entsprechender Hard-Installation).
Für ein Rechenzentrum, das bedarfsgerecht Rechenleistung für die Datenbank zur Verfügung stellen möchte, ergibt sich damit ein Problem: Nur die Soft-Partitionierung, zum Beispiel mit VMware, ermöglicht einen wirklich dynamischen und bedarfsgerechten Betrieb der Datenbank. Hierbei ist jedoch gemäß der Lizenzregeln von Oracle von Anfang an das gesamte System zu lizenzieren. Dies führt zu hohen Lizenzkosten, die für die Gesamtkostenanalyse berücksichtigt werden müssen.
Das Lizenzmodell von IBM
Grundsätzlich besteht Ähnlichkeit zwischen den Lizenzmodellen von Oracle und IBM. Beide bieten User-basierte und Rechenleistung-basierte Lizenzierungen an. Während bei IBM jedoch von PVUs (Processor Value Units – Basis ist hier die Gesamtanzahl der Kerne) gesprochen wird, lizenziert Oracle nach Prozessoren (wobei auch hier die Gesamtanzahl der Kerne ausschlaggebend ist).
Bei der Lizenzierung von virtualisierten Systemen geht IBM jedoch einen etwas anderen Weg. IBM vereinbart zuvor mit seinen Kunden genau, welche Systeme virtuell aufgebaut werden sollen (Soft-Partitioning). Auf diesen Systemen wird dann das sogenannte IBM License Metric Tool installiert.
Hier zeigt sich ein Vorteil bei der Lizenzierung gegenüber Oracle: Nur die maximale Prozessornutzung wird lizenziert. Nutzt die Datenbank über einen gewissen Zeitraum nur maximal vier CPUs, sind auch nur diese vier CPUs zu lizenzieren (auch wenn der physikalische Server mehr CPUs hat). Steigt die Nutzung zu einem Moment während des Betrachtungszeitraums zum Beispiel von vier auf sechs CPUs, so sind diese sechs CPUs zu lizenzieren. Ein Rückgaberecht der Lizenzen bei einer anschließend geringeren Nutzungstiefe gibt es hier jedoch ebenfalls nicht.
Die Lizensierung kann entweder durch PVU-Lizenzen (Processor Value Units) oder Named-User-Lizenzen erfolgen. Auch hier ist wie bei Oracle die Anzahl der virtuellen Betriebsumgebungen und Instanzen auf dem physischen Server irrelevant.
Das Lizenmodell von Microsoft
Grundsätzlich unterscheidet Microsoft zwischen der Server/CAL- (Client Access License) Lizensierung und der Prozessor-Lizenzierung.
1. Das Server/CAL Modell
In diesem Modell lizensiert der Kunde zum einen die User oder Devices mittels CALs und zum anderen die notwendige Anzahl von Server-Lizenzen. Je Server-Umgebung werden dabei die virtuellen Betriebsumgebungen gezählt. Bei der SQL Server Standard Edition ist je virtueller Umgebung eine Server-Lizenz notwendig.
Mit der SQL Server Enterprise Edition können mit einer Lizenz bis zu vier virtuelle Betriebsumgebungen innerhalb einer physischen Server-Umgebung betrieben werden.
Im unten gezeigten Beispiel mit drei virtuellen Umgebungen (VMs) lizensiert der Kunde demnach unabhängig von der Anzahl der Cores oder Prozessoren im Falle einer Enterprise Edition eine Server-Lizenz und könnte in Zukunft noch eine weitere VM ohne zusätzliche Lizenzkosten einsetzen. Oder er erwirbt bei der Standard Edition drei Lizenzen.
2. Prozessor-Modell
Beim Prozessormodell erfolgt die Lizensierung auf Basis der physikalischen Prozessoren oder alternativ auf Basis der von den VMs genutzten virtuellen Prozessoren.
Wählt der Kunde zum Beispiel die Enterprise Edition im Prozessormodell, sind bei der oben dargestellten ersten Variante alle physischen Prozessoren zu lizenzieren. Je Lizenz können vier virtuelle Betriebsumgebungen genutzt werden. Bei Bedarf können weitere Lizenzen erworben werden, um zusätzliche VMs zu ermöglichen. Bei einem System mit vier physischen Prozessoren wären zum Beispiel vier Enterprise-Edition-Lizenzen notwendig und der Betrieb von 16 VMs möglich.
Die Lizensierung mit der SQL Server Enterprise Edition ist jedoch nur bis zu einer maximalen Server-Größe von bis zu acht physischen Prozessoren möglich. Bei größeren Systemen ist eine Datacenter-Lizenz notwendig.
Das Modell auf Basis der physischen Prozessoren ist unattraktiv, wenn der Kunde zum Beispiel einen Server mit acht physikalischen Prozessoren betreibt, auf denen VMs laufen, diese aber nur fünf virtuelle Prozessoren nutzen. In so einem Fall bietet sich die alternative Methode zur Berechnung der notwendigen Lizenzen an, bei der die Anzahl der tatsächlich von den VMs genutzten virtuellen Prozessoren lizensiert wird. Die Anzahl der Lizenzen wird hierbei in Abhängigkeit der Anzahl der Cores und der Anzahl der virtuellen Prozessoren wie folgt berechnet:
Benötigte Anzahl Lizenzen pro VM = Anzahl virtuelle Prozessoren, die die VM unterstützen (A), geteilt durch die Anzahl der Cores im physischen Prozessor (B). Das Ergebnis ist bei nicht ganzzahligen Ergebnissen stets aufzurunden.
Der unten exemplarisch dargestellte Server hat zwei physikalische Quad-Core-Prozessoren. Betrieben werden fünf VMs mit einer jeweils unterschiedlichen Anzahl von virtuellen Prozessoren.
Wählt der Kunde die erste Variante (Lizensierung nach der Anzahl der physischen Prozessoren), werden zwei Lizenzen für die SQL Server Enterprise Editionen benötigt. Hierbei sind bis zu acht VMs zu betreiben. Im alternativen Berechnungsmodell müsste der Kunde zum Beispiel fünf SQL-Server-Lizenzen erwerben.
Welches Modell am Ende das für den Kunden günstigere ist, hängt vom Nutzungsumfang (Enterprise versus Standard) sowie der Anzahl physischer Prozessoren, Cores und VMs ab.
Fazit
Es zeigt sich, dass keines der Modelle den dynamischen und bedarfsgerechten Betrieb von virtualisierten Umgebungen zu 100 Prozent abdeckt. Wenn weniger Rechenleistung im Laufe des Betriebs notwendig wird, wirkt sich dies bei allen drei Anbietern nicht positiv auf die Lizenzkosten aus. Hier ein passendes Modell zu finden, wird nach wie vor eine Herausforderung bleiben.
Allerdings lässt sich auch erkennen, dass zumindest teilweise Modelle angeboten werden, die eine Lizensierung von einzelnen virtuellen Umgebungen ermöglichen, ohne den gesamten physischen Server lizensieren zu müssen. Aber hierbei erhöht sich auch die Komplexität des Lizenzmodells.
Die Lizenzdetails - zum Vorteil der Anbieter
Zunehmend werden auch Dienste angeboten, bei der Kunden ihre Anwendungen, Dienste sowie Speicherplatz in den Rechenzentren der Anbieter skalierbar betreiben lassen können (mit den einhergehenden Herausforderungen zum Thema Datenschutz oder Compliance). Hierbei erfolgt eine Abrechnung entsprechend dem tatsächlichen Bedarf, auch wenn dieser sinkt.
Bleibt zu hoffen, dass der Wettbewerb und die verstärkte Nachfrage der Kunden nach angepassten Lizenzlösungen für Virtualisierungsprojekte zu einer Weiterentwicklung der vorhandenen Lizenzmodelle führt.
Kommt es nicht dazu, könnten die Kunden wieder einmal denken, dass die komplizierten Lizenzmodelle mit voller Absicht so konstruiert worden sind. Der Teufel steckt gewollt im Detail – zum Vorteil der Hersteller. Sie haben auch deshalb relativ leichtes Spiel, weil die Welt der IT mit der Einführung von Multi-Core-CPUs, virtuellen Maschinen (VMs) und filigranen Cloud-Benutzungsmodellen nicht einfacher, sondern deutlich undurchsichtiger geworden ist. Neben den Virtualisierungs- haben somit auch die Lizenzspezialisten zunehmend Konjunktur.
Sören Reimers ist Anwalt und Geschäftsführender Gesellschafter beim Berliner Beratungshaus ProLicense.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.